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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Aufenthaltes, die "Römischen Nebenstunden" wahrscheinlich untergegangen, nach¬
dem es Goethen nicht geglückt war, einen Verleger für diese zu finden.

Um so intensiver strebte Kayser in stiller Zurückgezogenheit nach eigner
weiterer Vervollkommnung; sein Freund Heß versichert uns, daß er Polyhistor
in eminenten Sinne gewesen sei. Er hatte sich bei bescheidenen Mitteln in den
Besitz einer reichen Bibliothek gesetzt, die er genau kannte, weil er jedes Buch
exzerpirte. Seine Exzerpte waren systematisch geordnet; er verfolgte alle Er¬
scheinungen auf wissenschaftlichen Gebieten, unter denen besonders die deutsche
Literatur und Gelehrtengeschichte eine hervorragende Stelle einnahmen. Besonders
reich war der Artikel Bibliographie, der sich über alle denkbaren Fächer ver¬
breitete und eine Masse anscheinend unwichtiger.Notizen enthielt, die ihm aber
alle von hohem Interesse waren, weil sie für irgend einen Zweck sich förderlich
erweisen konnten. So nahm er alles auf, nicht blos was dem höheren intel¬
lektuellen, sondern auch was dem praktischen Leben gehörte, und dennoch führte
er ein blos kontemplatives Leben, und weder sein Aeußeres, noch seine immer
gehaltreiche, wenn auch lakonische Konversation ließen in ihm die Pflege klein¬
licher Detail-Liebhaberei vermuthen, da sie bei der angeborenen Kraft seines nach
Idealen strebenden Geistes ihm keinen Eintrag that; ein universelles Streben
blieb ihm stets.

Im schneidenden Gegensatz zu den wissenschaftlichen Bestrebungen standen
seine Ansichten über das Gebiet der Geistesaufklärung, die er nur in höchster
Beschränkung verbreitet wissen wollte. Es hing dies unstreitig mit seiner politi¬
schen Richtung zusammen, die in der Jugend freisinnig, sich mehr und mehr,
namentlich seitdem die Wirkungen der französischen Revolution fühlbar geworden
waren, konservativ gestaltete, bis er dann völlig mit den neuen Formen der
politischen Welt brach und als ihr schroffster Gegner anzusehen war.

Ueber sein sonstiges Leben, dem es an Monotonie nicht gebrach, liegen uns
nur wenig Nachrichten vor. Nur in einer Richtung muß er Bedeutendes ge¬
leistet haben. Es war sein maurerisches Denken und die eminent nachhaltige
Thätigkeit auf diesem Gebiete, die er von seinem Eintritt in Zürich bis zu dem
letzten Athemzuge bethätigte. Er galt, und wohl nicht mit Unrecht, als ein tief
Eingeweihter in die königliche Kunst, er unternahm bedeutende Reisen in Ange¬
legenheiten seiner Loge; schon 1782 entsandte sie ihn mit Diethelm Lavater auf
den großen Freimaurer-Kongreß uach Wilhelmsbad, und 1811, als die Züricher
Loge ihre Arbeit nach längerer Unterbrechung wieder aufnahm, wollte sie ihn
zum Großmeister ernennen. Kayser's Bescheidenheit ließ die Annahme dieser
ehrenvollen Stellung nicht zu; aber er blieb dem maurerischen Streben mit
seinem überlegenen Wissen und seinem Thatendrange bis zu seinem Ende treu.
Freunde wie Klinger schrieben wohl aus Unkenntniß dessen, um was es sich


Aufenthaltes, die „Römischen Nebenstunden" wahrscheinlich untergegangen, nach¬
dem es Goethen nicht geglückt war, einen Verleger für diese zu finden.

Um so intensiver strebte Kayser in stiller Zurückgezogenheit nach eigner
weiterer Vervollkommnung; sein Freund Heß versichert uns, daß er Polyhistor
in eminenten Sinne gewesen sei. Er hatte sich bei bescheidenen Mitteln in den
Besitz einer reichen Bibliothek gesetzt, die er genau kannte, weil er jedes Buch
exzerpirte. Seine Exzerpte waren systematisch geordnet; er verfolgte alle Er¬
scheinungen auf wissenschaftlichen Gebieten, unter denen besonders die deutsche
Literatur und Gelehrtengeschichte eine hervorragende Stelle einnahmen. Besonders
reich war der Artikel Bibliographie, der sich über alle denkbaren Fächer ver¬
breitete und eine Masse anscheinend unwichtiger.Notizen enthielt, die ihm aber
alle von hohem Interesse waren, weil sie für irgend einen Zweck sich förderlich
erweisen konnten. So nahm er alles auf, nicht blos was dem höheren intel¬
lektuellen, sondern auch was dem praktischen Leben gehörte, und dennoch führte
er ein blos kontemplatives Leben, und weder sein Aeußeres, noch seine immer
gehaltreiche, wenn auch lakonische Konversation ließen in ihm die Pflege klein¬
licher Detail-Liebhaberei vermuthen, da sie bei der angeborenen Kraft seines nach
Idealen strebenden Geistes ihm keinen Eintrag that; ein universelles Streben
blieb ihm stets.

Im schneidenden Gegensatz zu den wissenschaftlichen Bestrebungen standen
seine Ansichten über das Gebiet der Geistesaufklärung, die er nur in höchster
Beschränkung verbreitet wissen wollte. Es hing dies unstreitig mit seiner politi¬
schen Richtung zusammen, die in der Jugend freisinnig, sich mehr und mehr,
namentlich seitdem die Wirkungen der französischen Revolution fühlbar geworden
waren, konservativ gestaltete, bis er dann völlig mit den neuen Formen der
politischen Welt brach und als ihr schroffster Gegner anzusehen war.

Ueber sein sonstiges Leben, dem es an Monotonie nicht gebrach, liegen uns
nur wenig Nachrichten vor. Nur in einer Richtung muß er Bedeutendes ge¬
leistet haben. Es war sein maurerisches Denken und die eminent nachhaltige
Thätigkeit auf diesem Gebiete, die er von seinem Eintritt in Zürich bis zu dem
letzten Athemzuge bethätigte. Er galt, und wohl nicht mit Unrecht, als ein tief
Eingeweihter in die königliche Kunst, er unternahm bedeutende Reisen in Ange¬
legenheiten seiner Loge; schon 1782 entsandte sie ihn mit Diethelm Lavater auf
den großen Freimaurer-Kongreß uach Wilhelmsbad, und 1811, als die Züricher
Loge ihre Arbeit nach längerer Unterbrechung wieder aufnahm, wollte sie ihn
zum Großmeister ernennen. Kayser's Bescheidenheit ließ die Annahme dieser
ehrenvollen Stellung nicht zu; aber er blieb dem maurerischen Streben mit
seinem überlegenen Wissen und seinem Thatendrange bis zu seinem Ende treu.
Freunde wie Klinger schrieben wohl aus Unkenntniß dessen, um was es sich


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[0066] Aufenthaltes, die „Römischen Nebenstunden" wahrscheinlich untergegangen, nach¬ dem es Goethen nicht geglückt war, einen Verleger für diese zu finden. Um so intensiver strebte Kayser in stiller Zurückgezogenheit nach eigner weiterer Vervollkommnung; sein Freund Heß versichert uns, daß er Polyhistor in eminenten Sinne gewesen sei. Er hatte sich bei bescheidenen Mitteln in den Besitz einer reichen Bibliothek gesetzt, die er genau kannte, weil er jedes Buch exzerpirte. Seine Exzerpte waren systematisch geordnet; er verfolgte alle Er¬ scheinungen auf wissenschaftlichen Gebieten, unter denen besonders die deutsche Literatur und Gelehrtengeschichte eine hervorragende Stelle einnahmen. Besonders reich war der Artikel Bibliographie, der sich über alle denkbaren Fächer ver¬ breitete und eine Masse anscheinend unwichtiger.Notizen enthielt, die ihm aber alle von hohem Interesse waren, weil sie für irgend einen Zweck sich förderlich erweisen konnten. So nahm er alles auf, nicht blos was dem höheren intel¬ lektuellen, sondern auch was dem praktischen Leben gehörte, und dennoch führte er ein blos kontemplatives Leben, und weder sein Aeußeres, noch seine immer gehaltreiche, wenn auch lakonische Konversation ließen in ihm die Pflege klein¬ licher Detail-Liebhaberei vermuthen, da sie bei der angeborenen Kraft seines nach Idealen strebenden Geistes ihm keinen Eintrag that; ein universelles Streben blieb ihm stets. Im schneidenden Gegensatz zu den wissenschaftlichen Bestrebungen standen seine Ansichten über das Gebiet der Geistesaufklärung, die er nur in höchster Beschränkung verbreitet wissen wollte. Es hing dies unstreitig mit seiner politi¬ schen Richtung zusammen, die in der Jugend freisinnig, sich mehr und mehr, namentlich seitdem die Wirkungen der französischen Revolution fühlbar geworden waren, konservativ gestaltete, bis er dann völlig mit den neuen Formen der politischen Welt brach und als ihr schroffster Gegner anzusehen war. Ueber sein sonstiges Leben, dem es an Monotonie nicht gebrach, liegen uns nur wenig Nachrichten vor. Nur in einer Richtung muß er Bedeutendes ge¬ leistet haben. Es war sein maurerisches Denken und die eminent nachhaltige Thätigkeit auf diesem Gebiete, die er von seinem Eintritt in Zürich bis zu dem letzten Athemzuge bethätigte. Er galt, und wohl nicht mit Unrecht, als ein tief Eingeweihter in die königliche Kunst, er unternahm bedeutende Reisen in Ange¬ legenheiten seiner Loge; schon 1782 entsandte sie ihn mit Diethelm Lavater auf den großen Freimaurer-Kongreß uach Wilhelmsbad, und 1811, als die Züricher Loge ihre Arbeit nach längerer Unterbrechung wieder aufnahm, wollte sie ihn zum Großmeister ernennen. Kayser's Bescheidenheit ließ die Annahme dieser ehrenvollen Stellung nicht zu; aber er blieb dem maurerischen Streben mit seinem überlegenen Wissen und seinem Thatendrange bis zu seinem Ende treu. Freunde wie Klinger schrieben wohl aus Unkenntniß dessen, um was es sich

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/66>, abgerufen am 28.12.2024.