Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

der offizielle Ehemann läßt diese für sich arbeiten und ergibt sich dem ckolek
ehr Qieiitk. Daß das keine Phantasiegebilde sind, beweisen die Kinder, die
einer solchen Ehe entspringen, und von denen das erste vielleicht einen chinesischen,
das zweite einen malayischen, das dritte einen Negertypus trägt, auch wenn
der offizielle Vater ein richtiger "Madrasman" ist. Und was wird nun aus
dieser heranwachsenden Generation? Soll man sie unter den Verbrechern
lassen? Man denke sich den Gedanken einmal aus! Soll man sie nach
Indien zurückbringen? Sie haben ja keine Kaste, nicht einmal Parias sind
sie. Es bleibt also nichts andres übrig, als eine neue Kolonie für diese zweite
Generation zu gründen. Diese zweite Generation macht denn auch der eng¬
lischen Verwaltung viel mehr Sorge als die Verbrecher selbst.

Ist das nun das Ideal einer Verbrecher-Kolonie, wie sie für Deutschland
erstrebt wird? Bilde man sich doch nicht ein, daß sie sich unter unsern Händen
anders gestalten werde; in einigen äußeren Dingen würde sie vielleicht anders
aussehen, wir würden es vielleicht nicht so gut verstehen wie die Engländer,
die Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, aber den Stempel der tiefsten
moralischen Versumpfung würde sie ebenso an sich tragen wie jene, ja wahr¬
scheinlich würde sie noch um viele Grade tiefer sinken, weil der sogenannte
Kulturmensch, wenn er einmal dabei ist, moralisch zu versumpfen, darin viel
mehr leistet als der Naturmensch. Vor einer solchen Gestaltung kann keine
Anstrengung, keine Maßregel eine insulare Verbrecherkolonie retten, und wenn
ein Engel vom Himmel käme und die Seelsorge darin übernehmen wollte.

Es erübrigt noch, die Behauptung Fabri's zu beleuchten, daß wir deshalb
Strafkolonien brauchten, weil die Verbrecher in einem so exorbitanten Maße zu¬
nehmen, daß weder die jetzigen Gefängnisse ausreichen, noch auch die Mittel
vorhanden seien, entsprechend neue zu beschaffen, und daß wir schou jetzt Für¬
sorge treffen müssen, um die an dem bevorstehenden großen Kommuneaufstand
betheiligten unterzubringen.

Für die Zunahme der Verbrecher beruft sich Fabri auf die bekannte
Strnßberg'sche Broschüre: "Die Zunahme der Vergehen und Verbrechen und
ihre Ursachen." Das hohe Verdienst dieser Schrift wird niemand bestreiten.
Sie hat wie keine andere die Aufmerksamkeit auf die enorme Bedeutung dieser
in weiteren Kreisen meist gleichgiltig oder dilettantisch behandelten Materie von
den Verbrechen, der Strafe und dem Strafvollzug gelenkt. Ihr Verdienst
würde noch größer sein, wenn sich nicht wie ein rother Faden der Gedanke
durchzöge, daß die außergewöhnliche Zunahme der Verbrechen ihren Grund
eigentlich darin habe, daß der Staat sich seit einer Reihe von Jahren in
Gegensatz zur Kirche gesetzt und deren Macht und Einfluß erheblich beschränkt
habe, und daß die sicherste Abhilfe darin bestehe, daß man schleunigst von der


der offizielle Ehemann läßt diese für sich arbeiten und ergibt sich dem ckolek
ehr Qieiitk. Daß das keine Phantasiegebilde sind, beweisen die Kinder, die
einer solchen Ehe entspringen, und von denen das erste vielleicht einen chinesischen,
das zweite einen malayischen, das dritte einen Negertypus trägt, auch wenn
der offizielle Vater ein richtiger „Madrasman" ist. Und was wird nun aus
dieser heranwachsenden Generation? Soll man sie unter den Verbrechern
lassen? Man denke sich den Gedanken einmal aus! Soll man sie nach
Indien zurückbringen? Sie haben ja keine Kaste, nicht einmal Parias sind
sie. Es bleibt also nichts andres übrig, als eine neue Kolonie für diese zweite
Generation zu gründen. Diese zweite Generation macht denn auch der eng¬
lischen Verwaltung viel mehr Sorge als die Verbrecher selbst.

Ist das nun das Ideal einer Verbrecher-Kolonie, wie sie für Deutschland
erstrebt wird? Bilde man sich doch nicht ein, daß sie sich unter unsern Händen
anders gestalten werde; in einigen äußeren Dingen würde sie vielleicht anders
aussehen, wir würden es vielleicht nicht so gut verstehen wie die Engländer,
die Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, aber den Stempel der tiefsten
moralischen Versumpfung würde sie ebenso an sich tragen wie jene, ja wahr¬
scheinlich würde sie noch um viele Grade tiefer sinken, weil der sogenannte
Kulturmensch, wenn er einmal dabei ist, moralisch zu versumpfen, darin viel
mehr leistet als der Naturmensch. Vor einer solchen Gestaltung kann keine
Anstrengung, keine Maßregel eine insulare Verbrecherkolonie retten, und wenn
ein Engel vom Himmel käme und die Seelsorge darin übernehmen wollte.

Es erübrigt noch, die Behauptung Fabri's zu beleuchten, daß wir deshalb
Strafkolonien brauchten, weil die Verbrecher in einem so exorbitanten Maße zu¬
nehmen, daß weder die jetzigen Gefängnisse ausreichen, noch auch die Mittel
vorhanden seien, entsprechend neue zu beschaffen, und daß wir schou jetzt Für¬
sorge treffen müssen, um die an dem bevorstehenden großen Kommuneaufstand
betheiligten unterzubringen.

Für die Zunahme der Verbrecher beruft sich Fabri auf die bekannte
Strnßberg'sche Broschüre: „Die Zunahme der Vergehen und Verbrechen und
ihre Ursachen." Das hohe Verdienst dieser Schrift wird niemand bestreiten.
Sie hat wie keine andere die Aufmerksamkeit auf die enorme Bedeutung dieser
in weiteren Kreisen meist gleichgiltig oder dilettantisch behandelten Materie von
den Verbrechen, der Strafe und dem Strafvollzug gelenkt. Ihr Verdienst
würde noch größer sein, wenn sich nicht wie ein rother Faden der Gedanke
durchzöge, daß die außergewöhnliche Zunahme der Verbrechen ihren Grund
eigentlich darin habe, daß der Staat sich seit einer Reihe von Jahren in
Gegensatz zur Kirche gesetzt und deren Macht und Einfluß erheblich beschränkt
habe, und daß die sicherste Abhilfe darin bestehe, daß man schleunigst von der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142466"/>
          <p xml:id="ID_1541" prev="#ID_1540"> der offizielle Ehemann läßt diese für sich arbeiten und ergibt sich dem ckolek<lb/>
ehr Qieiitk. Daß das keine Phantasiegebilde sind, beweisen die Kinder, die<lb/>
einer solchen Ehe entspringen, und von denen das erste vielleicht einen chinesischen,<lb/>
das zweite einen malayischen, das dritte einen Negertypus trägt, auch wenn<lb/>
der offizielle Vater ein richtiger &#x201E;Madrasman" ist. Und was wird nun aus<lb/>
dieser heranwachsenden Generation? Soll man sie unter den Verbrechern<lb/>
lassen? Man denke sich den Gedanken einmal aus! Soll man sie nach<lb/>
Indien zurückbringen? Sie haben ja keine Kaste, nicht einmal Parias sind<lb/>
sie. Es bleibt also nichts andres übrig, als eine neue Kolonie für diese zweite<lb/>
Generation zu gründen. Diese zweite Generation macht denn auch der eng¬<lb/>
lischen Verwaltung viel mehr Sorge als die Verbrecher selbst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1542"> Ist das nun das Ideal einer Verbrecher-Kolonie, wie sie für Deutschland<lb/>
erstrebt wird? Bilde man sich doch nicht ein, daß sie sich unter unsern Händen<lb/>
anders gestalten werde; in einigen äußeren Dingen würde sie vielleicht anders<lb/>
aussehen, wir würden es vielleicht nicht so gut verstehen wie die Engländer,<lb/>
die Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, aber den Stempel der tiefsten<lb/>
moralischen Versumpfung würde sie ebenso an sich tragen wie jene, ja wahr¬<lb/>
scheinlich würde sie noch um viele Grade tiefer sinken, weil der sogenannte<lb/>
Kulturmensch, wenn er einmal dabei ist, moralisch zu versumpfen, darin viel<lb/>
mehr leistet als der Naturmensch. Vor einer solchen Gestaltung kann keine<lb/>
Anstrengung, keine Maßregel eine insulare Verbrecherkolonie retten, und wenn<lb/>
ein Engel vom Himmel käme und die Seelsorge darin übernehmen wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1543"> Es erübrigt noch, die Behauptung Fabri's zu beleuchten, daß wir deshalb<lb/>
Strafkolonien brauchten, weil die Verbrecher in einem so exorbitanten Maße zu¬<lb/>
nehmen, daß weder die jetzigen Gefängnisse ausreichen, noch auch die Mittel<lb/>
vorhanden seien, entsprechend neue zu beschaffen, und daß wir schou jetzt Für¬<lb/>
sorge treffen müssen, um die an dem bevorstehenden großen Kommuneaufstand<lb/>
betheiligten unterzubringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1544" next="#ID_1545"> Für die Zunahme der Verbrecher beruft sich Fabri auf die bekannte<lb/>
Strnßberg'sche Broschüre: &#x201E;Die Zunahme der Vergehen und Verbrechen und<lb/>
ihre Ursachen." Das hohe Verdienst dieser Schrift wird niemand bestreiten.<lb/>
Sie hat wie keine andere die Aufmerksamkeit auf die enorme Bedeutung dieser<lb/>
in weiteren Kreisen meist gleichgiltig oder dilettantisch behandelten Materie von<lb/>
den Verbrechen, der Strafe und dem Strafvollzug gelenkt. Ihr Verdienst<lb/>
würde noch größer sein, wenn sich nicht wie ein rother Faden der Gedanke<lb/>
durchzöge, daß die außergewöhnliche Zunahme der Verbrechen ihren Grund<lb/>
eigentlich darin habe, daß der Staat sich seit einer Reihe von Jahren in<lb/>
Gegensatz zur Kirche gesetzt und deren Macht und Einfluß erheblich beschränkt<lb/>
habe, und daß die sicherste Abhilfe darin bestehe, daß man schleunigst von der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0511] der offizielle Ehemann läßt diese für sich arbeiten und ergibt sich dem ckolek ehr Qieiitk. Daß das keine Phantasiegebilde sind, beweisen die Kinder, die einer solchen Ehe entspringen, und von denen das erste vielleicht einen chinesischen, das zweite einen malayischen, das dritte einen Negertypus trägt, auch wenn der offizielle Vater ein richtiger „Madrasman" ist. Und was wird nun aus dieser heranwachsenden Generation? Soll man sie unter den Verbrechern lassen? Man denke sich den Gedanken einmal aus! Soll man sie nach Indien zurückbringen? Sie haben ja keine Kaste, nicht einmal Parias sind sie. Es bleibt also nichts andres übrig, als eine neue Kolonie für diese zweite Generation zu gründen. Diese zweite Generation macht denn auch der eng¬ lischen Verwaltung viel mehr Sorge als die Verbrecher selbst. Ist das nun das Ideal einer Verbrecher-Kolonie, wie sie für Deutschland erstrebt wird? Bilde man sich doch nicht ein, daß sie sich unter unsern Händen anders gestalten werde; in einigen äußeren Dingen würde sie vielleicht anders aussehen, wir würden es vielleicht nicht so gut verstehen wie die Engländer, die Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, aber den Stempel der tiefsten moralischen Versumpfung würde sie ebenso an sich tragen wie jene, ja wahr¬ scheinlich würde sie noch um viele Grade tiefer sinken, weil der sogenannte Kulturmensch, wenn er einmal dabei ist, moralisch zu versumpfen, darin viel mehr leistet als der Naturmensch. Vor einer solchen Gestaltung kann keine Anstrengung, keine Maßregel eine insulare Verbrecherkolonie retten, und wenn ein Engel vom Himmel käme und die Seelsorge darin übernehmen wollte. Es erübrigt noch, die Behauptung Fabri's zu beleuchten, daß wir deshalb Strafkolonien brauchten, weil die Verbrecher in einem so exorbitanten Maße zu¬ nehmen, daß weder die jetzigen Gefängnisse ausreichen, noch auch die Mittel vorhanden seien, entsprechend neue zu beschaffen, und daß wir schou jetzt Für¬ sorge treffen müssen, um die an dem bevorstehenden großen Kommuneaufstand betheiligten unterzubringen. Für die Zunahme der Verbrecher beruft sich Fabri auf die bekannte Strnßberg'sche Broschüre: „Die Zunahme der Vergehen und Verbrechen und ihre Ursachen." Das hohe Verdienst dieser Schrift wird niemand bestreiten. Sie hat wie keine andere die Aufmerksamkeit auf die enorme Bedeutung dieser in weiteren Kreisen meist gleichgiltig oder dilettantisch behandelten Materie von den Verbrechen, der Strafe und dem Strafvollzug gelenkt. Ihr Verdienst würde noch größer sein, wenn sich nicht wie ein rother Faden der Gedanke durchzöge, daß die außergewöhnliche Zunahme der Verbrechen ihren Grund eigentlich darin habe, daß der Staat sich seit einer Reihe von Jahren in Gegensatz zur Kirche gesetzt und deren Macht und Einfluß erheblich beschränkt habe, und daß die sicherste Abhilfe darin bestehe, daß man schleunigst von der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/511
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/511>, abgerufen am 27.09.2024.