Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.nicht einlassen will, und ich glaube, er thut wohl daran, denn er würde im Der internationale Gefängnißkongreß, der vom 15. bis zum 26. August Zunächst war der Präsident des vorigen Kongresses, Prof. v. Holtzendorff, nicht einlassen will, und ich glaube, er thut wohl daran, denn er würde im Der internationale Gefängnißkongreß, der vom 15. bis zum 26. August Zunächst war der Präsident des vorigen Kongresses, Prof. v. Holtzendorff, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142458"/> <p xml:id="ID_1520" prev="#ID_1519"> nicht einlassen will, und ich glaube, er thut wohl daran, denn er würde im<lb/> In- und Auslande nur wenige Strasrechtslehrer finden, welche die Deportation<lb/> mit den anerkannten Grundsätzen des Strafrechts, soweit es sich auf die ge¬<lb/> meinen Verbrechen bezieht, für vereinbar halten, und ebensowenige, die ihm<lb/> zugestanden, daß durch die Deportation die juristischen, polizeilichen und ethi¬<lb/> schen Zwecke des Strafvollzugs erreicht würden. Es sind daher wesentlich<lb/> praktische Argumente, mit denen er die Nothwendigkeit von Verbrecherkolonieen<lb/> für Deutschland darthun will, und zwar die folgenden: 1.) Rußland hat sich<lb/> in Sibirien nicht nur ein außerordentlich großes, sondern auch die besten<lb/> Resultate ausweisendes Zuchthaus geschaffen. Die Verbrecher mit ihren<lb/> Familien verwandeln sich rasch in Kolonisten unter befriedigenden äußeren<lb/> Lebensbedingungen. In wenigen Gegenden wird die Sicherheit größer sein<lb/> als in den Deportations-Distrikten Sibirien's. Auch England und Frankreich<lb/> haben bis heute die Deportation aufrecht erhalten, und dieselbe hat namentlich<lb/> unter englischer Verwaltung erfreuliche, ja hervorragende Resultate, wie Austra¬<lb/> lien zeigt, aufzuweisen. 2.) Die neueste politische, moralische und gesellschaft¬<lb/> liche Entwickelung Europa's und namentlich Deutschland's hat eine so rasche,<lb/> wahrhaft erschreckende Zunahme der Verbrechen im Gefolge, daß die alten<lb/> Gefängnisse zur Unterbringung der Verbrecher nicht ausreichen, und die Mittel<lb/> zur Erbauung neuer Gefängnisse nicht zu erschwingen sind. Es steht uns ein<lb/> blutiger Kampf mit den Sozialdemokraten bevor, an dessen Ende wir auch wie<lb/> Frankreich nach dem Kommunenaufstande Zehntausende vor Gericht stellen und<lb/> verurtheilen müssen, ohne zu wissen, wo wir damit bleiben sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1521"> Der internationale Gefängnißkongreß, der vom 15. bis zum 26. August<lb/> 1878 in Stockholm tagte, hat auch die Frage der Deportation in den Bereich<lb/> seiner Diskussion gezogen. Wenn irgend Jemand, so war er zu einem kompe¬<lb/> tenten Urtheile über diese Dinge befähigt. Neben den offiziellen Delegirten<lb/> der Regierungen, Staatsmännern in höchsten Stellen, schloß die Versammlung<lb/> Männer der Wissenschaft, Richter, Verwaltungs-Beamte, Männer der Praxis<lb/> in sich. Aus allen Theilen der Erde waren sie gekommen, selbst von Hong-<lb/> Kong, Neuseeland, den Andamanen und Nicobaren. Die Staaten, welche ihn<lb/> beschickt hatten, erwarteten von ihm eine Entscheidung, die schwer in's Gewicht<lb/> fallen mußte, und sie ist nach einer sehr eingehenden und gründlichen Diskussion<lb/> gegen die Deportation ausgefallen. Eine kurze Darstellung derselben wird<lb/> am besten zeigen, daß die thatsächlichen Gründe, welche Fabri vorbringt, un¬<lb/> richtig, die übrigen nicht stichhaltig sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1522" next="#ID_1523"> Zunächst war der Präsident des vorigen Kongresses, Prof. v. Holtzendorff,<lb/> gegen dessen Kompetenz in dieser Frage Fabri wohl nichts einzuwenden haben<lb/> wird, zu einem Gutachten aufgefordert worden, und das Resultat desselben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0503]
nicht einlassen will, und ich glaube, er thut wohl daran, denn er würde im
In- und Auslande nur wenige Strasrechtslehrer finden, welche die Deportation
mit den anerkannten Grundsätzen des Strafrechts, soweit es sich auf die ge¬
meinen Verbrechen bezieht, für vereinbar halten, und ebensowenige, die ihm
zugestanden, daß durch die Deportation die juristischen, polizeilichen und ethi¬
schen Zwecke des Strafvollzugs erreicht würden. Es sind daher wesentlich
praktische Argumente, mit denen er die Nothwendigkeit von Verbrecherkolonieen
für Deutschland darthun will, und zwar die folgenden: 1.) Rußland hat sich
in Sibirien nicht nur ein außerordentlich großes, sondern auch die besten
Resultate ausweisendes Zuchthaus geschaffen. Die Verbrecher mit ihren
Familien verwandeln sich rasch in Kolonisten unter befriedigenden äußeren
Lebensbedingungen. In wenigen Gegenden wird die Sicherheit größer sein
als in den Deportations-Distrikten Sibirien's. Auch England und Frankreich
haben bis heute die Deportation aufrecht erhalten, und dieselbe hat namentlich
unter englischer Verwaltung erfreuliche, ja hervorragende Resultate, wie Austra¬
lien zeigt, aufzuweisen. 2.) Die neueste politische, moralische und gesellschaft¬
liche Entwickelung Europa's und namentlich Deutschland's hat eine so rasche,
wahrhaft erschreckende Zunahme der Verbrechen im Gefolge, daß die alten
Gefängnisse zur Unterbringung der Verbrecher nicht ausreichen, und die Mittel
zur Erbauung neuer Gefängnisse nicht zu erschwingen sind. Es steht uns ein
blutiger Kampf mit den Sozialdemokraten bevor, an dessen Ende wir auch wie
Frankreich nach dem Kommunenaufstande Zehntausende vor Gericht stellen und
verurtheilen müssen, ohne zu wissen, wo wir damit bleiben sollen.
Der internationale Gefängnißkongreß, der vom 15. bis zum 26. August
1878 in Stockholm tagte, hat auch die Frage der Deportation in den Bereich
seiner Diskussion gezogen. Wenn irgend Jemand, so war er zu einem kompe¬
tenten Urtheile über diese Dinge befähigt. Neben den offiziellen Delegirten
der Regierungen, Staatsmännern in höchsten Stellen, schloß die Versammlung
Männer der Wissenschaft, Richter, Verwaltungs-Beamte, Männer der Praxis
in sich. Aus allen Theilen der Erde waren sie gekommen, selbst von Hong-
Kong, Neuseeland, den Andamanen und Nicobaren. Die Staaten, welche ihn
beschickt hatten, erwarteten von ihm eine Entscheidung, die schwer in's Gewicht
fallen mußte, und sie ist nach einer sehr eingehenden und gründlichen Diskussion
gegen die Deportation ausgefallen. Eine kurze Darstellung derselben wird
am besten zeigen, daß die thatsächlichen Gründe, welche Fabri vorbringt, un¬
richtig, die übrigen nicht stichhaltig sind.
Zunächst war der Präsident des vorigen Kongresses, Prof. v. Holtzendorff,
gegen dessen Kompetenz in dieser Frage Fabri wohl nichts einzuwenden haben
wird, zu einem Gutachten aufgefordert worden, und das Resultat desselben
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