Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

französische Borschlag, es blos zu schleifen, im kaiserliche" Hauptquartier mehr
als einen einflußreichen Fürsprecher fand, darauf bestand, daß Deutschland es
behalte. Sein Besitz schützt nebst dem von Straßburg Deutschland's Westgrenze
praktisch vor einer Invasion und setzt die Deutschen in den Stand, Frankreich
mit überwältigenden und leicht zu konzentrirenden Streitkräften mitten in's
Herz zu treffen.

Fürst Bismarck, der sich während des deutsch-französischen Krieges so oft
und so bitter beklagte, daß ihm durch die rein militärischen Autoritäten, die,
statt ihn mit seinem Programm des Druckes auf die Vertheidiger von Paris
und die Regierung der nationalen Vertheidigung zu unterstützen, ihn fort¬
während hemmten, die Hände gebunden wären, hat durch sein Handeln feit
Abschluß des Friedens bewiesen, daß er Behandlung von oben herunter
(sliAdts) und Beleidigungen verzeihen kann, wenn die Interessen Deutschland's
dies für ihn zweckmäßig machen. Er hat den Leuten, die deshalb, weil er kein
berufsmäßiger Soldat oder anerkannter Strateg war, ihn in Versailles syste¬
matisch bei Seite ließen (Mubbkä) und hei einer Gelegenheit so weit gingen, ihn
von einer militärischen Berathung, welche bei einer besonders kritischen Gestal¬
tung des Feldzugs stattfand, auszuschließen, bei den Maßregeln, die sie befür¬
worteten, seine getrene und stetige Unterstützung angedeihen lassen. Er war zu
jener Zeit über ihre Haltung heftig erbittert und hielt mit dem Ausdruck seiner
Entrüstung gegen seine Umgebung, wie Dr. Busch's Tagebuch reichlich bezeugt,
keineswegs zurück. Aber der Verdruß, der ihm durch militärische Pedanterie
und Ausschließlichkeit zu eiuer Zeit verursacht wurde, wo seine Nerven dnrch
das Bewußtsein überwältigender Verantwortlichkeit in einen schmerzhaften Grad
von Spannung versetzt waren, hielt ihn, als diese Spannung in Folge der
ungeheuren Triumphe Deutschland's nachgelassen hatte, nicht im Mindesten ab,
seine Peiniger in den Stand zu setzen, ihre Pläne für die vollständige Siche¬
rung der neuen Grenze und für die Steigerung der Aussichten des Vaterlandes
auf Erfolg bei einem zukünftigen Zusammenstoße mit seinem alten Feinde aus¬
zuführen. Zu allen praktischen Absichten und Zwecken hatte er die Schnur
der Geldsäcke in der Hand, in welche die Milliarden der Kriegsentschädigung,
aus dem französischen Besitz in den deutschen übergehend, geflossen waren, und
er lockerte sie ohne Zögern, so oft das Kriegsdepartement neue Geldlieferungen
zur Vervollständigung seines gigantischen Offensiv- und Defeusivsystems ver¬
langte.

Bei seinen wiederholten Bemühungen, alle dentschen Privateisenbahnen
dem Staate in die Hände zu bringen -- Bemühungen, welche vorzüglich von
strategischen Rücksichten und den bis in's ungeheuere entwickelten Bedürfnissen
des militärischen Transportdienstes diktirt waren -- wagte er es wiederholt,


französische Borschlag, es blos zu schleifen, im kaiserliche» Hauptquartier mehr
als einen einflußreichen Fürsprecher fand, darauf bestand, daß Deutschland es
behalte. Sein Besitz schützt nebst dem von Straßburg Deutschland's Westgrenze
praktisch vor einer Invasion und setzt die Deutschen in den Stand, Frankreich
mit überwältigenden und leicht zu konzentrirenden Streitkräften mitten in's
Herz zu treffen.

Fürst Bismarck, der sich während des deutsch-französischen Krieges so oft
und so bitter beklagte, daß ihm durch die rein militärischen Autoritäten, die,
statt ihn mit seinem Programm des Druckes auf die Vertheidiger von Paris
und die Regierung der nationalen Vertheidigung zu unterstützen, ihn fort¬
während hemmten, die Hände gebunden wären, hat durch sein Handeln feit
Abschluß des Friedens bewiesen, daß er Behandlung von oben herunter
(sliAdts) und Beleidigungen verzeihen kann, wenn die Interessen Deutschland's
dies für ihn zweckmäßig machen. Er hat den Leuten, die deshalb, weil er kein
berufsmäßiger Soldat oder anerkannter Strateg war, ihn in Versailles syste¬
matisch bei Seite ließen (Mubbkä) und hei einer Gelegenheit so weit gingen, ihn
von einer militärischen Berathung, welche bei einer besonders kritischen Gestal¬
tung des Feldzugs stattfand, auszuschließen, bei den Maßregeln, die sie befür¬
worteten, seine getrene und stetige Unterstützung angedeihen lassen. Er war zu
jener Zeit über ihre Haltung heftig erbittert und hielt mit dem Ausdruck seiner
Entrüstung gegen seine Umgebung, wie Dr. Busch's Tagebuch reichlich bezeugt,
keineswegs zurück. Aber der Verdruß, der ihm durch militärische Pedanterie
und Ausschließlichkeit zu eiuer Zeit verursacht wurde, wo seine Nerven dnrch
das Bewußtsein überwältigender Verantwortlichkeit in einen schmerzhaften Grad
von Spannung versetzt waren, hielt ihn, als diese Spannung in Folge der
ungeheuren Triumphe Deutschland's nachgelassen hatte, nicht im Mindesten ab,
seine Peiniger in den Stand zu setzen, ihre Pläne für die vollständige Siche¬
rung der neuen Grenze und für die Steigerung der Aussichten des Vaterlandes
auf Erfolg bei einem zukünftigen Zusammenstoße mit seinem alten Feinde aus¬
zuführen. Zu allen praktischen Absichten und Zwecken hatte er die Schnur
der Geldsäcke in der Hand, in welche die Milliarden der Kriegsentschädigung,
aus dem französischen Besitz in den deutschen übergehend, geflossen waren, und
er lockerte sie ohne Zögern, so oft das Kriegsdepartement neue Geldlieferungen
zur Vervollständigung seines gigantischen Offensiv- und Defeusivsystems ver¬
langte.

Bei seinen wiederholten Bemühungen, alle dentschen Privateisenbahnen
dem Staate in die Hände zu bringen — Bemühungen, welche vorzüglich von
strategischen Rücksichten und den bis in's ungeheuere entwickelten Bedürfnissen
des militärischen Transportdienstes diktirt waren — wagte er es wiederholt,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142435"/>
          <p xml:id="ID_1459" prev="#ID_1458"> französische Borschlag, es blos zu schleifen, im kaiserliche» Hauptquartier mehr<lb/>
als einen einflußreichen Fürsprecher fand, darauf bestand, daß Deutschland es<lb/>
behalte. Sein Besitz schützt nebst dem von Straßburg Deutschland's Westgrenze<lb/>
praktisch vor einer Invasion und setzt die Deutschen in den Stand, Frankreich<lb/>
mit überwältigenden und leicht zu konzentrirenden Streitkräften mitten in's<lb/>
Herz zu treffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1460"> Fürst Bismarck, der sich während des deutsch-französischen Krieges so oft<lb/>
und so bitter beklagte, daß ihm durch die rein militärischen Autoritäten, die,<lb/>
statt ihn mit seinem Programm des Druckes auf die Vertheidiger von Paris<lb/>
und die Regierung der nationalen Vertheidigung zu unterstützen, ihn fort¬<lb/>
während hemmten, die Hände gebunden wären, hat durch sein Handeln feit<lb/>
Abschluß des Friedens bewiesen, daß er Behandlung von oben herunter<lb/>
(sliAdts) und Beleidigungen verzeihen kann, wenn die Interessen Deutschland's<lb/>
dies für ihn zweckmäßig machen. Er hat den Leuten, die deshalb, weil er kein<lb/>
berufsmäßiger Soldat oder anerkannter Strateg war, ihn in Versailles syste¬<lb/>
matisch bei Seite ließen (Mubbkä) und hei einer Gelegenheit so weit gingen, ihn<lb/>
von einer militärischen Berathung, welche bei einer besonders kritischen Gestal¬<lb/>
tung des Feldzugs stattfand, auszuschließen, bei den Maßregeln, die sie befür¬<lb/>
worteten, seine getrene und stetige Unterstützung angedeihen lassen. Er war zu<lb/>
jener Zeit über ihre Haltung heftig erbittert und hielt mit dem Ausdruck seiner<lb/>
Entrüstung gegen seine Umgebung, wie Dr. Busch's Tagebuch reichlich bezeugt,<lb/>
keineswegs zurück. Aber der Verdruß, der ihm durch militärische Pedanterie<lb/>
und Ausschließlichkeit zu eiuer Zeit verursacht wurde, wo seine Nerven dnrch<lb/>
das Bewußtsein überwältigender Verantwortlichkeit in einen schmerzhaften Grad<lb/>
von Spannung versetzt waren, hielt ihn, als diese Spannung in Folge der<lb/>
ungeheuren Triumphe Deutschland's nachgelassen hatte, nicht im Mindesten ab,<lb/>
seine Peiniger in den Stand zu setzen, ihre Pläne für die vollständige Siche¬<lb/>
rung der neuen Grenze und für die Steigerung der Aussichten des Vaterlandes<lb/>
auf Erfolg bei einem zukünftigen Zusammenstoße mit seinem alten Feinde aus¬<lb/>
zuführen. Zu allen praktischen Absichten und Zwecken hatte er die Schnur<lb/>
der Geldsäcke in der Hand, in welche die Milliarden der Kriegsentschädigung,<lb/>
aus dem französischen Besitz in den deutschen übergehend, geflossen waren, und<lb/>
er lockerte sie ohne Zögern, so oft das Kriegsdepartement neue Geldlieferungen<lb/>
zur Vervollständigung seines gigantischen Offensiv- und Defeusivsystems ver¬<lb/>
langte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1461" next="#ID_1462"> Bei seinen wiederholten Bemühungen, alle dentschen Privateisenbahnen<lb/>
dem Staate in die Hände zu bringen &#x2014; Bemühungen, welche vorzüglich von<lb/>
strategischen Rücksichten und den bis in's ungeheuere entwickelten Bedürfnissen<lb/>
des militärischen Transportdienstes diktirt waren &#x2014; wagte er es wiederholt,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0480] französische Borschlag, es blos zu schleifen, im kaiserliche» Hauptquartier mehr als einen einflußreichen Fürsprecher fand, darauf bestand, daß Deutschland es behalte. Sein Besitz schützt nebst dem von Straßburg Deutschland's Westgrenze praktisch vor einer Invasion und setzt die Deutschen in den Stand, Frankreich mit überwältigenden und leicht zu konzentrirenden Streitkräften mitten in's Herz zu treffen. Fürst Bismarck, der sich während des deutsch-französischen Krieges so oft und so bitter beklagte, daß ihm durch die rein militärischen Autoritäten, die, statt ihn mit seinem Programm des Druckes auf die Vertheidiger von Paris und die Regierung der nationalen Vertheidigung zu unterstützen, ihn fort¬ während hemmten, die Hände gebunden wären, hat durch sein Handeln feit Abschluß des Friedens bewiesen, daß er Behandlung von oben herunter (sliAdts) und Beleidigungen verzeihen kann, wenn die Interessen Deutschland's dies für ihn zweckmäßig machen. Er hat den Leuten, die deshalb, weil er kein berufsmäßiger Soldat oder anerkannter Strateg war, ihn in Versailles syste¬ matisch bei Seite ließen (Mubbkä) und hei einer Gelegenheit so weit gingen, ihn von einer militärischen Berathung, welche bei einer besonders kritischen Gestal¬ tung des Feldzugs stattfand, auszuschließen, bei den Maßregeln, die sie befür¬ worteten, seine getrene und stetige Unterstützung angedeihen lassen. Er war zu jener Zeit über ihre Haltung heftig erbittert und hielt mit dem Ausdruck seiner Entrüstung gegen seine Umgebung, wie Dr. Busch's Tagebuch reichlich bezeugt, keineswegs zurück. Aber der Verdruß, der ihm durch militärische Pedanterie und Ausschließlichkeit zu eiuer Zeit verursacht wurde, wo seine Nerven dnrch das Bewußtsein überwältigender Verantwortlichkeit in einen schmerzhaften Grad von Spannung versetzt waren, hielt ihn, als diese Spannung in Folge der ungeheuren Triumphe Deutschland's nachgelassen hatte, nicht im Mindesten ab, seine Peiniger in den Stand zu setzen, ihre Pläne für die vollständige Siche¬ rung der neuen Grenze und für die Steigerung der Aussichten des Vaterlandes auf Erfolg bei einem zukünftigen Zusammenstoße mit seinem alten Feinde aus¬ zuführen. Zu allen praktischen Absichten und Zwecken hatte er die Schnur der Geldsäcke in der Hand, in welche die Milliarden der Kriegsentschädigung, aus dem französischen Besitz in den deutschen übergehend, geflossen waren, und er lockerte sie ohne Zögern, so oft das Kriegsdepartement neue Geldlieferungen zur Vervollständigung seines gigantischen Offensiv- und Defeusivsystems ver¬ langte. Bei seinen wiederholten Bemühungen, alle dentschen Privateisenbahnen dem Staate in die Hände zu bringen — Bemühungen, welche vorzüglich von strategischen Rücksichten und den bis in's ungeheuere entwickelten Bedürfnissen des militärischen Transportdienstes diktirt waren — wagte er es wiederholt,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/480
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/480>, abgerufen am 20.10.2024.