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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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(Unsterblicher Sansovino, Ihr habt der Welt gezeigt, daß Ihr der Bronze und
dem Marmor nicht blos Leben, sondern auch Bewegung zu verleihen vermögt.)
Daß Sansovino nicht der Mann war, der solche poetische Reklamen eines durch
ganz Italien berühmten Mannes im Kasten verschloß, sondern vielmehr wiederum
für seine Zwecke ausbeutete, werden wir bald sehen.

Um das Jahr 1540 war die Freundschaft des berühmten Triumvirats in
ihrem Zenith. Damals kam der Humanist Priscianese, der Verfasser einer
lateinischen Grammatik, nach Venedig und verbrachte einen genußreichen Abend
bei Tizian, den er nachmals in einem seiner Grammatik beigegebenen Briefe
schilderte. Der Eingang desselben ist auch für uns interessant, da er die Per¬
sönlichkeiten nennt, welche den engeren Kreis der tizianischen Hausfreundschaft
bildeten. "Am 1. August," schreibt Priscianese, "war ich zur Feier eines
Bakchcinalfestes, des sogenannten ,Ferrare Agosto^ (verderbt aus tsris," ^.uAHLtas),
in dem freundlichen Garten des Messer Tiziano Vecellio eingeladen, des weit¬
bekannten trefflichen Malers, welcher überdies ganz der Mann ist, durch sein
fein gebildetes Wesen jede gewählte Unterhaltung zu würzen. Gleich und gleich
gesellt sich gern, und so waren denn noch einige der hervorragendsten Persön¬
lichkeiten der Stadt bei ihm versammelt, von den Unsrigen (d. h. den Floren¬
tinern, beziehentlich Toskanern) in erster Reihe Pietro Arelim, dieses neue
Naturwunder, außerdem Messer Jacopo Tadel, genannt Sansovino, der ein
ebenso großer Nachahmer der Natur mit dem Meißel ist wie unser Gastfreund
mit Pinsel und Farben, dann Jacopo nardi (der Geschichtschreiber von Florenz)
und ich, sodaß ich in so erleuchteter Reihe die vierte Stelle einnahm." San¬
sovino stand damals aus der Höhe seines Ruhmes und auf dem Glanzpunkte
seiner Erfolge.

Im Jahre 1536 hatte er die Zecca, die Münze und die Libreria, die
Bibliothek an der Piazetta, begonnen und schnell soweit gefördert, daß der
allezeit geschäftige Aretino schon im Februar 1540 den kaiserlichen Geschäfts¬
träger Don Diego Mendoza einladen konnte, er folle sich in der Maske auf die
Piazza begeben, um zu fehen "i suäori Mradili äst LWsvvino" (wörtlich: den
bewunderungswürdigen Schweiß d. h. die wunderbaren Arbeiten Sansovino's).
Aber bei dieser Gelegenheit klang der Trommelwirbel Aretino's bei weitem nicht
so stark wie der, welchen Sansovino eigenhändig in Szene gesetzt hatte.

Es ist das erste Beispiel einer großartig organisirten Künstlerreklame,
welches uns in der Kunstgeschichte hier entgegentritt. Wir dürfen um so länger
dabei verweilen, als bisher kein Historiker die im Nachfolgenden zu fchildernde


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Roher^to monclo, voiuv dvovni e i lo,s,ruii
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(Unsterblicher Sansovino, Ihr habt der Welt gezeigt, daß Ihr der Bronze und
dem Marmor nicht blos Leben, sondern auch Bewegung zu verleihen vermögt.)
Daß Sansovino nicht der Mann war, der solche poetische Reklamen eines durch
ganz Italien berühmten Mannes im Kasten verschloß, sondern vielmehr wiederum
für seine Zwecke ausbeutete, werden wir bald sehen.

Um das Jahr 1540 war die Freundschaft des berühmten Triumvirats in
ihrem Zenith. Damals kam der Humanist Priscianese, der Verfasser einer
lateinischen Grammatik, nach Venedig und verbrachte einen genußreichen Abend
bei Tizian, den er nachmals in einem seiner Grammatik beigegebenen Briefe
schilderte. Der Eingang desselben ist auch für uns interessant, da er die Per¬
sönlichkeiten nennt, welche den engeren Kreis der tizianischen Hausfreundschaft
bildeten. „Am 1. August," schreibt Priscianese, „war ich zur Feier eines
Bakchcinalfestes, des sogenannten ,Ferrare Agosto^ (verderbt aus tsris,« ^.uAHLtas),
in dem freundlichen Garten des Messer Tiziano Vecellio eingeladen, des weit¬
bekannten trefflichen Malers, welcher überdies ganz der Mann ist, durch sein
fein gebildetes Wesen jede gewählte Unterhaltung zu würzen. Gleich und gleich
gesellt sich gern, und so waren denn noch einige der hervorragendsten Persön¬
lichkeiten der Stadt bei ihm versammelt, von den Unsrigen (d. h. den Floren¬
tinern, beziehentlich Toskanern) in erster Reihe Pietro Arelim, dieses neue
Naturwunder, außerdem Messer Jacopo Tadel, genannt Sansovino, der ein
ebenso großer Nachahmer der Natur mit dem Meißel ist wie unser Gastfreund
mit Pinsel und Farben, dann Jacopo nardi (der Geschichtschreiber von Florenz)
und ich, sodaß ich in so erleuchteter Reihe die vierte Stelle einnahm." San¬
sovino stand damals aus der Höhe seines Ruhmes und auf dem Glanzpunkte
seiner Erfolge.

Im Jahre 1536 hatte er die Zecca, die Münze und die Libreria, die
Bibliothek an der Piazetta, begonnen und schnell soweit gefördert, daß der
allezeit geschäftige Aretino schon im Februar 1540 den kaiserlichen Geschäfts¬
träger Don Diego Mendoza einladen konnte, er folle sich in der Maske auf die
Piazza begeben, um zu fehen „i suäori Mradili äst LWsvvino" (wörtlich: den
bewunderungswürdigen Schweiß d. h. die wunderbaren Arbeiten Sansovino's).
Aber bei dieser Gelegenheit klang der Trommelwirbel Aretino's bei weitem nicht
so stark wie der, welchen Sansovino eigenhändig in Szene gesetzt hatte.

Es ist das erste Beispiel einer großartig organisirten Künstlerreklame,
welches uns in der Kunstgeschichte hier entgegentritt. Wir dürfen um so länger
dabei verweilen, als bisher kein Historiker die im Nachfolgenden zu fchildernde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/471>, abgerufen am 20.10.2024.