Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Sansovino folgte seinem Freunde Arelim, den er kennen gelernt hatte, als
Pietro der Geheimsekretär des berühmten Bankiers Agostino Chigi in Rom war,
nach Venedig, und Aretino setzte bald seine flinke Feder in Bewegung, um für
den Freund nach allen Seiten hin zu wirken. In einem Briefe an den Herzog
von Mantua vom 6. August 1527 schreibt er, Sansovino habe eben eine
Venus in Arbeit, die so schön und natürlich sei, daß sie "die Gedanken eines
jeden, der sie betrachtet, mit Begierde erfüllt". Da der Kardinal Domenico
Grimani, der den Sansovino im Jahre 1523 an den Dogen Andrea Gritti
empfohlen hatte, noch im August desselben Jahres gestorben war, so wird Aretino
jetzt der Fürsprecher Sansovino's beim Dogen Gritti gewesen sein, der den
Einfluß des gefährlichen Parasiten bei Karl V. nach Gebühr zu schützen wußte
und für seine Zwecke ausnutzte. Schon nach zwei Jahren sah sich Sansovino
am Ziele seines Ehrgeizes. An Stelle des verstorbenen Meisters Bartolommeo
Buon wurde er zum obersten Architekten der Markuskirche ernannt, welcher
die Oberaufsicht und die oberste Leitung über alle Staatsgebäude und aller vom
Staate unternommenen Bauten hatte. Er wußte seine Einkünfte, die sich an¬
fangs außer einer Amtswohnung in den Proeuratie vecchie dicht am Uhrthurm
auf 80 Goldgulden jährlich beliefen, schon im nächsten Jahre bis auf 180 zu
steigern, und da ihm überdies ein große Zahl von Privataufträgen zu Theil
wurde, gestalteten sich seine Vermögensverhültnisse bald äußerst günstig.

Mit großer Schnelligkeit fand sich Sansovino in die lokalen Bedingungen
und Eigenarten der Lagunenstadt hinein, und indem er das freie Schönheitsgefühl
und die heitere Grazie der Florentiner mit dem würdigen feierlichen Ernste
der Venetianer zu schönem Einklange verschmolz, schuf er eine neue reizvolle
Architektur, welche sich einerseits dem Boden Venedig's harmonisch anschmiegte,
andrerseits über die lokalen Grenzen zu unvergänglicher, allgemein giltiger
Schönheit hinauswuchs. Das Venedig der Renaissance verdankt ihm seine
architektonische Physiognomie. Kirchen und Paläste wuchsen in beständigem
Wechsel aus der Phantasie des rastlos thätigen Mannes in die glänzende
Wirklichkeit hinein und verbreiteten den Ruhm ihres Erbauers, für welchen
außerdem Aretino unermüdlich arbeitete. Eingedenk der Devise "Kleine Ge¬
schenke erhalten die Freundschaft", wußte Sansovino die gute Laune des nütz¬
lichen Freundes ab und zu durch eine Statue oder ein Bronzewerk zu erhalten,
das dieser natürlich sofort versilberte und um so theurer versilbern konnte, je
kräftiger er das Lob des Künstlers bei seinen hohen Gönnern vorher aus¬
posaunt hatte. Einmal schenkte ihm Sansovino eine heilige Katharina aus
Marmor, welche Aretino zu einem überschwenglichen Sonett begeisterte, dessen
Schlußrondo lautet:


Sansovino folgte seinem Freunde Arelim, den er kennen gelernt hatte, als
Pietro der Geheimsekretär des berühmten Bankiers Agostino Chigi in Rom war,
nach Venedig, und Aretino setzte bald seine flinke Feder in Bewegung, um für
den Freund nach allen Seiten hin zu wirken. In einem Briefe an den Herzog
von Mantua vom 6. August 1527 schreibt er, Sansovino habe eben eine
Venus in Arbeit, die so schön und natürlich sei, daß sie „die Gedanken eines
jeden, der sie betrachtet, mit Begierde erfüllt". Da der Kardinal Domenico
Grimani, der den Sansovino im Jahre 1523 an den Dogen Andrea Gritti
empfohlen hatte, noch im August desselben Jahres gestorben war, so wird Aretino
jetzt der Fürsprecher Sansovino's beim Dogen Gritti gewesen sein, der den
Einfluß des gefährlichen Parasiten bei Karl V. nach Gebühr zu schützen wußte
und für seine Zwecke ausnutzte. Schon nach zwei Jahren sah sich Sansovino
am Ziele seines Ehrgeizes. An Stelle des verstorbenen Meisters Bartolommeo
Buon wurde er zum obersten Architekten der Markuskirche ernannt, welcher
die Oberaufsicht und die oberste Leitung über alle Staatsgebäude und aller vom
Staate unternommenen Bauten hatte. Er wußte seine Einkünfte, die sich an¬
fangs außer einer Amtswohnung in den Proeuratie vecchie dicht am Uhrthurm
auf 80 Goldgulden jährlich beliefen, schon im nächsten Jahre bis auf 180 zu
steigern, und da ihm überdies ein große Zahl von Privataufträgen zu Theil
wurde, gestalteten sich seine Vermögensverhültnisse bald äußerst günstig.

Mit großer Schnelligkeit fand sich Sansovino in die lokalen Bedingungen
und Eigenarten der Lagunenstadt hinein, und indem er das freie Schönheitsgefühl
und die heitere Grazie der Florentiner mit dem würdigen feierlichen Ernste
der Venetianer zu schönem Einklange verschmolz, schuf er eine neue reizvolle
Architektur, welche sich einerseits dem Boden Venedig's harmonisch anschmiegte,
andrerseits über die lokalen Grenzen zu unvergänglicher, allgemein giltiger
Schönheit hinauswuchs. Das Venedig der Renaissance verdankt ihm seine
architektonische Physiognomie. Kirchen und Paläste wuchsen in beständigem
Wechsel aus der Phantasie des rastlos thätigen Mannes in die glänzende
Wirklichkeit hinein und verbreiteten den Ruhm ihres Erbauers, für welchen
außerdem Aretino unermüdlich arbeitete. Eingedenk der Devise „Kleine Ge¬
schenke erhalten die Freundschaft", wußte Sansovino die gute Laune des nütz¬
lichen Freundes ab und zu durch eine Statue oder ein Bronzewerk zu erhalten,
das dieser natürlich sofort versilberte und um so theurer versilbern konnte, je
kräftiger er das Lob des Künstlers bei seinen hohen Gönnern vorher aus¬
posaunt hatte. Einmal schenkte ihm Sansovino eine heilige Katharina aus
Marmor, welche Aretino zu einem überschwenglichen Sonett begeisterte, dessen
Schlußrondo lautet:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142425"/>
          <p xml:id="ID_1425"> Sansovino folgte seinem Freunde Arelim, den er kennen gelernt hatte, als<lb/>
Pietro der Geheimsekretär des berühmten Bankiers Agostino Chigi in Rom war,<lb/>
nach Venedig, und Aretino setzte bald seine flinke Feder in Bewegung, um für<lb/>
den Freund nach allen Seiten hin zu wirken. In einem Briefe an den Herzog<lb/>
von Mantua vom 6. August 1527 schreibt er, Sansovino habe eben eine<lb/>
Venus in Arbeit, die so schön und natürlich sei, daß sie &#x201E;die Gedanken eines<lb/>
jeden, der sie betrachtet, mit Begierde erfüllt". Da der Kardinal Domenico<lb/>
Grimani, der den Sansovino im Jahre 1523 an den Dogen Andrea Gritti<lb/>
empfohlen hatte, noch im August desselben Jahres gestorben war, so wird Aretino<lb/>
jetzt der Fürsprecher Sansovino's beim Dogen Gritti gewesen sein, der den<lb/>
Einfluß des gefährlichen Parasiten bei Karl V. nach Gebühr zu schützen wußte<lb/>
und für seine Zwecke ausnutzte. Schon nach zwei Jahren sah sich Sansovino<lb/>
am Ziele seines Ehrgeizes. An Stelle des verstorbenen Meisters Bartolommeo<lb/>
Buon wurde er zum obersten Architekten der Markuskirche ernannt, welcher<lb/>
die Oberaufsicht und die oberste Leitung über alle Staatsgebäude und aller vom<lb/>
Staate unternommenen Bauten hatte. Er wußte seine Einkünfte, die sich an¬<lb/>
fangs außer einer Amtswohnung in den Proeuratie vecchie dicht am Uhrthurm<lb/>
auf 80 Goldgulden jährlich beliefen, schon im nächsten Jahre bis auf 180 zu<lb/>
steigern, und da ihm überdies ein große Zahl von Privataufträgen zu Theil<lb/>
wurde, gestalteten sich seine Vermögensverhültnisse bald äußerst günstig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1426"> Mit großer Schnelligkeit fand sich Sansovino in die lokalen Bedingungen<lb/>
und Eigenarten der Lagunenstadt hinein, und indem er das freie Schönheitsgefühl<lb/>
und die heitere Grazie der Florentiner mit dem würdigen feierlichen Ernste<lb/>
der Venetianer zu schönem Einklange verschmolz, schuf er eine neue reizvolle<lb/>
Architektur, welche sich einerseits dem Boden Venedig's harmonisch anschmiegte,<lb/>
andrerseits über die lokalen Grenzen zu unvergänglicher, allgemein giltiger<lb/>
Schönheit hinauswuchs. Das Venedig der Renaissance verdankt ihm seine<lb/>
architektonische Physiognomie. Kirchen und Paläste wuchsen in beständigem<lb/>
Wechsel aus der Phantasie des rastlos thätigen Mannes in die glänzende<lb/>
Wirklichkeit hinein und verbreiteten den Ruhm ihres Erbauers, für welchen<lb/>
außerdem Aretino unermüdlich arbeitete. Eingedenk der Devise &#x201E;Kleine Ge¬<lb/>
schenke erhalten die Freundschaft", wußte Sansovino die gute Laune des nütz¬<lb/>
lichen Freundes ab und zu durch eine Statue oder ein Bronzewerk zu erhalten,<lb/>
das dieser natürlich sofort versilberte und um so theurer versilbern konnte, je<lb/>
kräftiger er das Lob des Künstlers bei seinen hohen Gönnern vorher aus¬<lb/>
posaunt hatte. Einmal schenkte ihm Sansovino eine heilige Katharina aus<lb/>
Marmor, welche Aretino zu einem überschwenglichen Sonett begeisterte, dessen<lb/>
Schlußrondo lautet:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0470] Sansovino folgte seinem Freunde Arelim, den er kennen gelernt hatte, als Pietro der Geheimsekretär des berühmten Bankiers Agostino Chigi in Rom war, nach Venedig, und Aretino setzte bald seine flinke Feder in Bewegung, um für den Freund nach allen Seiten hin zu wirken. In einem Briefe an den Herzog von Mantua vom 6. August 1527 schreibt er, Sansovino habe eben eine Venus in Arbeit, die so schön und natürlich sei, daß sie „die Gedanken eines jeden, der sie betrachtet, mit Begierde erfüllt". Da der Kardinal Domenico Grimani, der den Sansovino im Jahre 1523 an den Dogen Andrea Gritti empfohlen hatte, noch im August desselben Jahres gestorben war, so wird Aretino jetzt der Fürsprecher Sansovino's beim Dogen Gritti gewesen sein, der den Einfluß des gefährlichen Parasiten bei Karl V. nach Gebühr zu schützen wußte und für seine Zwecke ausnutzte. Schon nach zwei Jahren sah sich Sansovino am Ziele seines Ehrgeizes. An Stelle des verstorbenen Meisters Bartolommeo Buon wurde er zum obersten Architekten der Markuskirche ernannt, welcher die Oberaufsicht und die oberste Leitung über alle Staatsgebäude und aller vom Staate unternommenen Bauten hatte. Er wußte seine Einkünfte, die sich an¬ fangs außer einer Amtswohnung in den Proeuratie vecchie dicht am Uhrthurm auf 80 Goldgulden jährlich beliefen, schon im nächsten Jahre bis auf 180 zu steigern, und da ihm überdies ein große Zahl von Privataufträgen zu Theil wurde, gestalteten sich seine Vermögensverhültnisse bald äußerst günstig. Mit großer Schnelligkeit fand sich Sansovino in die lokalen Bedingungen und Eigenarten der Lagunenstadt hinein, und indem er das freie Schönheitsgefühl und die heitere Grazie der Florentiner mit dem würdigen feierlichen Ernste der Venetianer zu schönem Einklange verschmolz, schuf er eine neue reizvolle Architektur, welche sich einerseits dem Boden Venedig's harmonisch anschmiegte, andrerseits über die lokalen Grenzen zu unvergänglicher, allgemein giltiger Schönheit hinauswuchs. Das Venedig der Renaissance verdankt ihm seine architektonische Physiognomie. Kirchen und Paläste wuchsen in beständigem Wechsel aus der Phantasie des rastlos thätigen Mannes in die glänzende Wirklichkeit hinein und verbreiteten den Ruhm ihres Erbauers, für welchen außerdem Aretino unermüdlich arbeitete. Eingedenk der Devise „Kleine Ge¬ schenke erhalten die Freundschaft", wußte Sansovino die gute Laune des nütz¬ lichen Freundes ab und zu durch eine Statue oder ein Bronzewerk zu erhalten, das dieser natürlich sofort versilberte und um so theurer versilbern konnte, je kräftiger er das Lob des Künstlers bei seinen hohen Gönnern vorher aus¬ posaunt hatte. Einmal schenkte ihm Sansovino eine heilige Katharina aus Marmor, welche Aretino zu einem überschwenglichen Sonett begeisterte, dessen Schlußrondo lautet:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/470
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/470>, abgerufen am 20.10.2024.