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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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fern wie uns, weil der persönliche Erwerb in geringerem Maße nöthig und
vorhanden war, vielmehr die zahlreichen Unfreien für Herbeischaffung der Be¬
dürfnisse sorgten. Wo die Klasse der Unfreien Staatseigenthum war, wie in
Sparta, mußte auch ihr Erwerb mehr oder weniger als gemeinsamer Besitz
betrachtet werden. Daher finden sich in Sparta noch mancherlei Anklänge an
Gütergemeinschaft. Der gesnmmte Grund und Boden und alle Heloten ge¬
hörten dem Staate, waren den Einzelnen nur in Nutznießung gegeben und
konnten daher nicht veräußert werden. Auf der Jagd durfte jeder Spartaner
sich der fremden im Feld und Wald angelegten Obdachräume, sowie der darin
befindlichen Waffen, Werkzeuge und selbst Vorräthe ohne weiteres bedienen.
Daß Hausthiere und Sklaven im Falle der Noth von Jedem benutzt werden
konnten, war allgemeines griechisches Herkommen.

Platon sah in der Weiber-, Kinder- und Gütergemeinschaft geradezu das
Mittel zur Beseitigung aller zu seiner Zeit die Staaten zerrüttenden Uebel:
der Selbstsucht und Geldgier, des Streites über mein und dein, der bürger¬
lichen Unruhen, des materiellen Nothstandes. Von alledem, meint er, werden
die Bürger seines Staates frei sein ".und werden ein glückseligeres Leben führen
als die olympischen Sieger;.....denn der Sieg, den sie erringen, ist die
Rettung des ganzen Staates, und mit Nahrung und allem andern, dessen das
Leben bedarf, werden sie gekrönt und ihre Kinder, und sie empfangen Ehren¬
gaben von ihrem Staate bei Lebzeiten, und nach dem Tode werden sie einer
würdigen Bestattung theilhaftig." Deshalb untersagt er auch der Kriegerkaste,
ganz wie es die lykurgischen Gesetze thaten, den Besitz von Gold und Silber.
Der dritte Stand darf, wie in Sparta die Periöken, nach Gefallen Privat¬
eigenthum und selbst Reichthum erwerben; es kann darin keine Gefahr gesehen
werden, da der Kriegerstand für die unwandelbare Aufrechterhaltung aller
Institutionen einzutreten hat, und der waffenlose dritte Stand unfähig ist, eine
gewaltsame Aenderung herbeizuführen. Die Garantie gegen ein Hinansgreifen
der bewaffneten Kaste über ihre Attribute kann nur in der ausreichenden Doti-
rung derselben mit allem Nothwendigen und in der strengen Zucht gefunden
werde, welche das Bewußtsein der Pflicht Allen in Fleisch und Blut übergehen
ließ. Denn weit entfernt, im Besitze der Herrschaft zu sein, konnten die Krieger
sich als nichts anderes, denn als ein gehorsames und blindes Werkzeug in der
Hand der Herrscher, als ein durch fremden Willen regiertes Rad in der großen
Maschine betrachten. Die Regierung war ausschließlich in den Händen des
ersten Standes, der in der absolutesten und umfassendsten Weise gebot und
eine Macht ausübte, wie sie keine Geburth-Aristokratie hätte ausüben können.

Geistige Ueberlegenheit und wissenschaftliche Befähigung find die einzigen
Kriterien für die Auswahl der Mitglieder des herrschenden Standes. Nachdem


fern wie uns, weil der persönliche Erwerb in geringerem Maße nöthig und
vorhanden war, vielmehr die zahlreichen Unfreien für Herbeischaffung der Be¬
dürfnisse sorgten. Wo die Klasse der Unfreien Staatseigenthum war, wie in
Sparta, mußte auch ihr Erwerb mehr oder weniger als gemeinsamer Besitz
betrachtet werden. Daher finden sich in Sparta noch mancherlei Anklänge an
Gütergemeinschaft. Der gesnmmte Grund und Boden und alle Heloten ge¬
hörten dem Staate, waren den Einzelnen nur in Nutznießung gegeben und
konnten daher nicht veräußert werden. Auf der Jagd durfte jeder Spartaner
sich der fremden im Feld und Wald angelegten Obdachräume, sowie der darin
befindlichen Waffen, Werkzeuge und selbst Vorräthe ohne weiteres bedienen.
Daß Hausthiere und Sklaven im Falle der Noth von Jedem benutzt werden
konnten, war allgemeines griechisches Herkommen.

Platon sah in der Weiber-, Kinder- und Gütergemeinschaft geradezu das
Mittel zur Beseitigung aller zu seiner Zeit die Staaten zerrüttenden Uebel:
der Selbstsucht und Geldgier, des Streites über mein und dein, der bürger¬
lichen Unruhen, des materiellen Nothstandes. Von alledem, meint er, werden
die Bürger seines Staates frei sein „.und werden ein glückseligeres Leben führen
als die olympischen Sieger;.....denn der Sieg, den sie erringen, ist die
Rettung des ganzen Staates, und mit Nahrung und allem andern, dessen das
Leben bedarf, werden sie gekrönt und ihre Kinder, und sie empfangen Ehren¬
gaben von ihrem Staate bei Lebzeiten, und nach dem Tode werden sie einer
würdigen Bestattung theilhaftig." Deshalb untersagt er auch der Kriegerkaste,
ganz wie es die lykurgischen Gesetze thaten, den Besitz von Gold und Silber.
Der dritte Stand darf, wie in Sparta die Periöken, nach Gefallen Privat¬
eigenthum und selbst Reichthum erwerben; es kann darin keine Gefahr gesehen
werden, da der Kriegerstand für die unwandelbare Aufrechterhaltung aller
Institutionen einzutreten hat, und der waffenlose dritte Stand unfähig ist, eine
gewaltsame Aenderung herbeizuführen. Die Garantie gegen ein Hinansgreifen
der bewaffneten Kaste über ihre Attribute kann nur in der ausreichenden Doti-
rung derselben mit allem Nothwendigen und in der strengen Zucht gefunden
werde, welche das Bewußtsein der Pflicht Allen in Fleisch und Blut übergehen
ließ. Denn weit entfernt, im Besitze der Herrschaft zu sein, konnten die Krieger
sich als nichts anderes, denn als ein gehorsames und blindes Werkzeug in der
Hand der Herrscher, als ein durch fremden Willen regiertes Rad in der großen
Maschine betrachten. Die Regierung war ausschließlich in den Händen des
ersten Standes, der in der absolutesten und umfassendsten Weise gebot und
eine Macht ausübte, wie sie keine Geburth-Aristokratie hätte ausüben können.

Geistige Ueberlegenheit und wissenschaftliche Befähigung find die einzigen
Kriterien für die Auswahl der Mitglieder des herrschenden Standes. Nachdem


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[0459] fern wie uns, weil der persönliche Erwerb in geringerem Maße nöthig und vorhanden war, vielmehr die zahlreichen Unfreien für Herbeischaffung der Be¬ dürfnisse sorgten. Wo die Klasse der Unfreien Staatseigenthum war, wie in Sparta, mußte auch ihr Erwerb mehr oder weniger als gemeinsamer Besitz betrachtet werden. Daher finden sich in Sparta noch mancherlei Anklänge an Gütergemeinschaft. Der gesnmmte Grund und Boden und alle Heloten ge¬ hörten dem Staate, waren den Einzelnen nur in Nutznießung gegeben und konnten daher nicht veräußert werden. Auf der Jagd durfte jeder Spartaner sich der fremden im Feld und Wald angelegten Obdachräume, sowie der darin befindlichen Waffen, Werkzeuge und selbst Vorräthe ohne weiteres bedienen. Daß Hausthiere und Sklaven im Falle der Noth von Jedem benutzt werden konnten, war allgemeines griechisches Herkommen. Platon sah in der Weiber-, Kinder- und Gütergemeinschaft geradezu das Mittel zur Beseitigung aller zu seiner Zeit die Staaten zerrüttenden Uebel: der Selbstsucht und Geldgier, des Streites über mein und dein, der bürger¬ lichen Unruhen, des materiellen Nothstandes. Von alledem, meint er, werden die Bürger seines Staates frei sein „.und werden ein glückseligeres Leben führen als die olympischen Sieger;.....denn der Sieg, den sie erringen, ist die Rettung des ganzen Staates, und mit Nahrung und allem andern, dessen das Leben bedarf, werden sie gekrönt und ihre Kinder, und sie empfangen Ehren¬ gaben von ihrem Staate bei Lebzeiten, und nach dem Tode werden sie einer würdigen Bestattung theilhaftig." Deshalb untersagt er auch der Kriegerkaste, ganz wie es die lykurgischen Gesetze thaten, den Besitz von Gold und Silber. Der dritte Stand darf, wie in Sparta die Periöken, nach Gefallen Privat¬ eigenthum und selbst Reichthum erwerben; es kann darin keine Gefahr gesehen werden, da der Kriegerstand für die unwandelbare Aufrechterhaltung aller Institutionen einzutreten hat, und der waffenlose dritte Stand unfähig ist, eine gewaltsame Aenderung herbeizuführen. Die Garantie gegen ein Hinansgreifen der bewaffneten Kaste über ihre Attribute kann nur in der ausreichenden Doti- rung derselben mit allem Nothwendigen und in der strengen Zucht gefunden werde, welche das Bewußtsein der Pflicht Allen in Fleisch und Blut übergehen ließ. Denn weit entfernt, im Besitze der Herrschaft zu sein, konnten die Krieger sich als nichts anderes, denn als ein gehorsames und blindes Werkzeug in der Hand der Herrscher, als ein durch fremden Willen regiertes Rad in der großen Maschine betrachten. Die Regierung war ausschließlich in den Händen des ersten Standes, der in der absolutesten und umfassendsten Weise gebot und eine Macht ausübte, wie sie keine Geburth-Aristokratie hätte ausüben können. Geistige Ueberlegenheit und wissenschaftliche Befähigung find die einzigen Kriterien für die Auswahl der Mitglieder des herrschenden Standes. Nachdem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/459>, abgerufen am 20.10.2024.