Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.gerückt, von der man früher keine Ahnung hatte. Daneben hat die Sprach-, Die eigentlichen Glanzpartieen des Buches jedoch sind die Abschnitte, welche Etwas Aehnliches läßt sich an der deutschen Spezialgeschichte in ihrem Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L- Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig. gerückt, von der man früher keine Ahnung hatte. Daneben hat die Sprach-, Die eigentlichen Glanzpartieen des Buches jedoch sind die Abschnitte, welche Etwas Aehnliches läßt sich an der deutschen Spezialgeschichte in ihrem Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L- Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142363"/> <p xml:id="ID_1242" prev="#ID_1241"> gerückt, von der man früher keine Ahnung hatte. Daneben hat die Sprach-,<lb/> speziell die Namenforschung unwiderleglich dargethan, daß der Stamm der Baiern,<lb/> der zuerst im 6. Jahrhundert unter dem Namen Baiuvarier, d. i. Bewohner<lb/> des Landes Baia, Böhmen's, vorkommt, ein rein deutscher und nicht, wie be¬<lb/> hauptet worden ist, ein keltischer ist, entstanden ans einer Vereinigung von<lb/> Markomannen mit anderen nahe verwandten und benachbarten Suevenstämmen,<lb/> insbesondere den Quader; mit dem Schwäbischen zusammen bildet das Bairische<lb/> den oberdeutschen Dialekt. Die historische Periode des Landes beginnt mit der<lb/> Eroberung durch die Römer, der Einrichtung der zwei Provinzen Raetia und<lb/> Noricum, als römische Straßen das Land durchzogen und römische Städte mit<lb/> einander verbanden, bis die Völkerwanderung den größten Theil dieser Kultur<lb/> zerstörte und das romanische Alpenland germanisirte. Mit der Ausdehnung der<lb/> fränkisch-karolingischen Herrschaft über das obere Donaugebiet treten dann die<lb/> Baiern in den großen germanischen Staatsverband, um sich in diesem zu einem<lb/> der kräftigsten Glieder des Reiches zu entwickeln. Diesen Verlauf unter den<lb/> karolingischen, sächsischen, salischen und staufischen Kaisern bis zu der großen<lb/> Felonie Heinrich's des Löwen stellt der Verfasser in diesem Bande anschaulich<lb/> und erschöpfend dar.</p><lb/> <p xml:id="ID_1243"> Die eigentlichen Glanzpartieen des Buches jedoch sind die Abschnitte, welche<lb/> die Kulturzustände gewisser Perioden zusammenfassend schildern. Nicht ohne eine<lb/> Art stolzer Genugthuung wird in ihnen der Leser die Resultate unzähliger<lb/> mühsamer, zum Theil scheinbar recht unbedeutender, erst durch den Zusammen¬<lb/> hang rin anderen in ihrem Werthe erkennbarer Detailuntersnchnngen auffinden<lb/> und damit zugleich eine Hauptsiguatur unserer modernen Geschichtsschreibung<lb/> erkennen, die — während die Gelehrsamkeit früherer Zeiten sich mit einer Art<lb/> von Leidenschaft in Spezialitäten hineinwühlte, sich darin vergrub und verlor —<lb/> überall das Einzelne auf das Ganze zu beziehen und harmonisch zum lebens¬<lb/> vollen Bilde zu gestalten strebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1244"> Etwas Aehnliches läßt sich an der deutschen Spezialgeschichte in ihrem<lb/> Verhältnisse zur Reichsgeschichte wahrnehmen. Wenn ehedem jene ein in sich<lb/> Abgeschlossenes, für sich selbst Bestehendes zu sein sich begnügte, ihr Horizont<lb/> mit den geographischen Grenzen ihres Gebietes zusammenfiel, hat sie gegenwärtig<lb/> gelernt, das einzelne Glied zwar auch in seinen Besonderheiten, aber doch immer<lb/> auch in seinen Beziehungen zu dem Gescunmtkörper zu betrachten, und erst da¬<lb/> durch ist sie wahrhaft fruchtbar geworden. - Diesen Standpunkt nimmt auch Riezler<lb/> ein; das Verhältniß des bairischen Stammes zum deutschen Volke, des bairi-<lb/> schen Herzogthums zum deutschen Reiche ist es, was er vorzugsweise zur Dar¬<lb/> stellung bringt, und wenn er hierbei die allerdings kaum geuau zu bestimmende<lb/> Grenze zwischen Spezial- und Reichsgeschichte nicht allzu ängstlich innehält,<lb/> manches aus letzterer beibringt, dessen streng genommen die erstere entrathen<lb/> könnte, so wiegt dieser Vorwurf nicht gerade schwer. Wir Deutschen huldigen<lb/> einmal nicht in demselben Maße wie die Engländer der Meinung, daß ein<lb/> dickes Buch ein dickes Uebel sei. Um die ganze Geschichte Baiern's bis auf die<lb/> Gegenwart in der nämlichen Ausführlichkeit herabzuführen, werden jedenfalls<lb/> noch drei gleichstarke Bände erforderlich sein. — Uebrigens freuen wir uns,<lb/> daß der Verfasser mit der Wiederherstellung der einzig richtigen Schreibart<lb/> „Baiern" das durch eine Schrulle König Ludwig's I. eingeführte und noch jetzt<lb/> in offizieller Geltung stehende „Bayern" über Bord geworfen hat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.<lb/> Verlag von F. L- Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0408]
gerückt, von der man früher keine Ahnung hatte. Daneben hat die Sprach-,
speziell die Namenforschung unwiderleglich dargethan, daß der Stamm der Baiern,
der zuerst im 6. Jahrhundert unter dem Namen Baiuvarier, d. i. Bewohner
des Landes Baia, Böhmen's, vorkommt, ein rein deutscher und nicht, wie be¬
hauptet worden ist, ein keltischer ist, entstanden ans einer Vereinigung von
Markomannen mit anderen nahe verwandten und benachbarten Suevenstämmen,
insbesondere den Quader; mit dem Schwäbischen zusammen bildet das Bairische
den oberdeutschen Dialekt. Die historische Periode des Landes beginnt mit der
Eroberung durch die Römer, der Einrichtung der zwei Provinzen Raetia und
Noricum, als römische Straßen das Land durchzogen und römische Städte mit
einander verbanden, bis die Völkerwanderung den größten Theil dieser Kultur
zerstörte und das romanische Alpenland germanisirte. Mit der Ausdehnung der
fränkisch-karolingischen Herrschaft über das obere Donaugebiet treten dann die
Baiern in den großen germanischen Staatsverband, um sich in diesem zu einem
der kräftigsten Glieder des Reiches zu entwickeln. Diesen Verlauf unter den
karolingischen, sächsischen, salischen und staufischen Kaisern bis zu der großen
Felonie Heinrich's des Löwen stellt der Verfasser in diesem Bande anschaulich
und erschöpfend dar.
Die eigentlichen Glanzpartieen des Buches jedoch sind die Abschnitte, welche
die Kulturzustände gewisser Perioden zusammenfassend schildern. Nicht ohne eine
Art stolzer Genugthuung wird in ihnen der Leser die Resultate unzähliger
mühsamer, zum Theil scheinbar recht unbedeutender, erst durch den Zusammen¬
hang rin anderen in ihrem Werthe erkennbarer Detailuntersnchnngen auffinden
und damit zugleich eine Hauptsiguatur unserer modernen Geschichtsschreibung
erkennen, die — während die Gelehrsamkeit früherer Zeiten sich mit einer Art
von Leidenschaft in Spezialitäten hineinwühlte, sich darin vergrub und verlor —
überall das Einzelne auf das Ganze zu beziehen und harmonisch zum lebens¬
vollen Bilde zu gestalten strebt.
Etwas Aehnliches läßt sich an der deutschen Spezialgeschichte in ihrem
Verhältnisse zur Reichsgeschichte wahrnehmen. Wenn ehedem jene ein in sich
Abgeschlossenes, für sich selbst Bestehendes zu sein sich begnügte, ihr Horizont
mit den geographischen Grenzen ihres Gebietes zusammenfiel, hat sie gegenwärtig
gelernt, das einzelne Glied zwar auch in seinen Besonderheiten, aber doch immer
auch in seinen Beziehungen zu dem Gescunmtkörper zu betrachten, und erst da¬
durch ist sie wahrhaft fruchtbar geworden. - Diesen Standpunkt nimmt auch Riezler
ein; das Verhältniß des bairischen Stammes zum deutschen Volke, des bairi-
schen Herzogthums zum deutschen Reiche ist es, was er vorzugsweise zur Dar¬
stellung bringt, und wenn er hierbei die allerdings kaum geuau zu bestimmende
Grenze zwischen Spezial- und Reichsgeschichte nicht allzu ängstlich innehält,
manches aus letzterer beibringt, dessen streng genommen die erstere entrathen
könnte, so wiegt dieser Vorwurf nicht gerade schwer. Wir Deutschen huldigen
einmal nicht in demselben Maße wie die Engländer der Meinung, daß ein
dickes Buch ein dickes Uebel sei. Um die ganze Geschichte Baiern's bis auf die
Gegenwart in der nämlichen Ausführlichkeit herabzuführen, werden jedenfalls
noch drei gleichstarke Bände erforderlich sein. — Uebrigens freuen wir uns,
daß der Verfasser mit der Wiederherstellung der einzig richtigen Schreibart
„Baiern" das durch eine Schrulle König Ludwig's I. eingeführte und noch jetzt
in offizieller Geltung stehende „Bayern" über Bord geworfen hat.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
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