Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Inventuren, Testamentseröffnungen und Vermögeustheilungen wurden hohe
Sporteln, auf das Salz und auf das Kaminfegen eine nicht unbedeutende
Steuer gelegt. Desgleichen auf das Recht, ein Kaffeehaus zu halten, auf den
Verkauf von Spielkarten und Spezereien, das Vermiethen von Portechaisen,
den Handel mit Tabak und Leder, den Verschleiß des Kalenders, das Aus¬
schenken von Getränken; die letztgenannte Steuer hatte sogar rückwirkende Kraft,
sodaß die Wirthe das, was sie in den letzten drei Jahren verschenkt hatten,
nachträglich versteuern mußten. Um die Mitte des Jahres 1736 wurde eine
"Familien- und Vermögenssteuer" ausgeschrieben, die alle Landeseinwohner und
alles Einheimischen und Fremden gehörende Vermögen in Württemberg um¬
faßte. Die den Städten und Aemtern zustehenden, zur Erhaltung der Ver¬
kehrsstraßen nöthigen Wege- und Brückengelder wurden theilweise zur Kammer
eingezogen, und dem Kirchengut, den Stadt- und Amtschreibern ein hoher
"Kammerbeitrag" angesonnen. Darauf wurde das Stempelpcipier, trotzdem daß
es von der Landschaft inzwischen abgekauft worden, zuerst für Gratial-, dann
für Justizsachen, zuletzt sogar für Handelsbücher wieder eingeführt. Bei Aus¬
zahlung der Besoldungen mußten die Betreffenden sich stets einen Abzug von
5 Prozent gefallen lassen. Auch durch den sogenannten "Fleckenhandel", den
Süß dem Herzoge vorgeschlagen, flössen nicht unbedeutende Summen in die
fürstlichen Kassen. Dieser bestand darin, daß man die bisherigen Aemter zer¬
gliederte und so eintheilte, daß einzelne Gemeinden einem Amtssitze zugewiesen
wurden, der viel weiter als der frühere von ihnen entfernt war, und daß man
den vorherigen Zustand gegen Erlegung einer hohen Geldsumme wieder
herstellte.

Für die herzogliche Kasse waren diese Plusmachereien sehr einträglich,
aber auch Süß strich viel Geld dabei ein. Er wußte aber als betriebsamer
und vielseitiger Geschäftsmann auch sonst seine Stellung auszunutzen. Fehlte
es, wie gewöhnlich, bei Auszahlung der Beamtengehalte in den Kassen an Geld,
so schoß er gegen einen Abzug, den "Judengroschen", durch den er den zwan¬
zigsten Theil der Besoldungen einstrich, das Nöthige vor, wobei ihm seine
Glaubensgenossen, deren er eine große Menge gegen die Gesetze in's Land
gezogen hatte, zur Hand gingen. Nebenher trieb er einen einträglichen Handel
mit Juwelen, Gold und Silber, arabischen Pferden und fremden Weinen, für
deren Einfuhr der Herzog ihm Zoll- und Aceisefreiheit gewährt hatte. Ferner
betheiligte er sich an Pachtungen, die einen erklecklichen Nutzen versprachen, und
dabei geschah es, daß Unterthanen ihm Frohndienste leisten mußten. Auf Be¬
fehl des Herzogs veranstaltete er Lotterieen, wofür er eine Abgabe von 3000
Gulden zahlen mußte, den viel bedeutenderen Reinertrag aber für sich behalten


Inventuren, Testamentseröffnungen und Vermögeustheilungen wurden hohe
Sporteln, auf das Salz und auf das Kaminfegen eine nicht unbedeutende
Steuer gelegt. Desgleichen auf das Recht, ein Kaffeehaus zu halten, auf den
Verkauf von Spielkarten und Spezereien, das Vermiethen von Portechaisen,
den Handel mit Tabak und Leder, den Verschleiß des Kalenders, das Aus¬
schenken von Getränken; die letztgenannte Steuer hatte sogar rückwirkende Kraft,
sodaß die Wirthe das, was sie in den letzten drei Jahren verschenkt hatten,
nachträglich versteuern mußten. Um die Mitte des Jahres 1736 wurde eine
„Familien- und Vermögenssteuer" ausgeschrieben, die alle Landeseinwohner und
alles Einheimischen und Fremden gehörende Vermögen in Württemberg um¬
faßte. Die den Städten und Aemtern zustehenden, zur Erhaltung der Ver¬
kehrsstraßen nöthigen Wege- und Brückengelder wurden theilweise zur Kammer
eingezogen, und dem Kirchengut, den Stadt- und Amtschreibern ein hoher
„Kammerbeitrag" angesonnen. Darauf wurde das Stempelpcipier, trotzdem daß
es von der Landschaft inzwischen abgekauft worden, zuerst für Gratial-, dann
für Justizsachen, zuletzt sogar für Handelsbücher wieder eingeführt. Bei Aus¬
zahlung der Besoldungen mußten die Betreffenden sich stets einen Abzug von
5 Prozent gefallen lassen. Auch durch den sogenannten „Fleckenhandel", den
Süß dem Herzoge vorgeschlagen, flössen nicht unbedeutende Summen in die
fürstlichen Kassen. Dieser bestand darin, daß man die bisherigen Aemter zer¬
gliederte und so eintheilte, daß einzelne Gemeinden einem Amtssitze zugewiesen
wurden, der viel weiter als der frühere von ihnen entfernt war, und daß man
den vorherigen Zustand gegen Erlegung einer hohen Geldsumme wieder
herstellte.

Für die herzogliche Kasse waren diese Plusmachereien sehr einträglich,
aber auch Süß strich viel Geld dabei ein. Er wußte aber als betriebsamer
und vielseitiger Geschäftsmann auch sonst seine Stellung auszunutzen. Fehlte
es, wie gewöhnlich, bei Auszahlung der Beamtengehalte in den Kassen an Geld,
so schoß er gegen einen Abzug, den „Judengroschen", durch den er den zwan¬
zigsten Theil der Besoldungen einstrich, das Nöthige vor, wobei ihm seine
Glaubensgenossen, deren er eine große Menge gegen die Gesetze in's Land
gezogen hatte, zur Hand gingen. Nebenher trieb er einen einträglichen Handel
mit Juwelen, Gold und Silber, arabischen Pferden und fremden Weinen, für
deren Einfuhr der Herzog ihm Zoll- und Aceisefreiheit gewährt hatte. Ferner
betheiligte er sich an Pachtungen, die einen erklecklichen Nutzen versprachen, und
dabei geschah es, daß Unterthanen ihm Frohndienste leisten mußten. Auf Be¬
fehl des Herzogs veranstaltete er Lotterieen, wofür er eine Abgabe von 3000
Gulden zahlen mußte, den viel bedeutenderen Reinertrag aber für sich behalten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142353"/>
          <p xml:id="ID_1205" prev="#ID_1204"> Inventuren, Testamentseröffnungen und Vermögeustheilungen wurden hohe<lb/>
Sporteln, auf das Salz und auf das Kaminfegen eine nicht unbedeutende<lb/>
Steuer gelegt. Desgleichen auf das Recht, ein Kaffeehaus zu halten, auf den<lb/>
Verkauf von Spielkarten und Spezereien, das Vermiethen von Portechaisen,<lb/>
den Handel mit Tabak und Leder, den Verschleiß des Kalenders, das Aus¬<lb/>
schenken von Getränken; die letztgenannte Steuer hatte sogar rückwirkende Kraft,<lb/>
sodaß die Wirthe das, was sie in den letzten drei Jahren verschenkt hatten,<lb/>
nachträglich versteuern mußten. Um die Mitte des Jahres 1736 wurde eine<lb/>
&#x201E;Familien- und Vermögenssteuer" ausgeschrieben, die alle Landeseinwohner und<lb/>
alles Einheimischen und Fremden gehörende Vermögen in Württemberg um¬<lb/>
faßte. Die den Städten und Aemtern zustehenden, zur Erhaltung der Ver¬<lb/>
kehrsstraßen nöthigen Wege- und Brückengelder wurden theilweise zur Kammer<lb/>
eingezogen, und dem Kirchengut, den Stadt- und Amtschreibern ein hoher<lb/>
&#x201E;Kammerbeitrag" angesonnen. Darauf wurde das Stempelpcipier, trotzdem daß<lb/>
es von der Landschaft inzwischen abgekauft worden, zuerst für Gratial-, dann<lb/>
für Justizsachen, zuletzt sogar für Handelsbücher wieder eingeführt. Bei Aus¬<lb/>
zahlung der Besoldungen mußten die Betreffenden sich stets einen Abzug von<lb/>
5 Prozent gefallen lassen. Auch durch den sogenannten &#x201E;Fleckenhandel", den<lb/>
Süß dem Herzoge vorgeschlagen, flössen nicht unbedeutende Summen in die<lb/>
fürstlichen Kassen. Dieser bestand darin, daß man die bisherigen Aemter zer¬<lb/>
gliederte und so eintheilte, daß einzelne Gemeinden einem Amtssitze zugewiesen<lb/>
wurden, der viel weiter als der frühere von ihnen entfernt war, und daß man<lb/>
den vorherigen Zustand gegen Erlegung einer hohen Geldsumme wieder<lb/>
herstellte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1206" next="#ID_1207"> Für die herzogliche Kasse waren diese Plusmachereien sehr einträglich,<lb/>
aber auch Süß strich viel Geld dabei ein. Er wußte aber als betriebsamer<lb/>
und vielseitiger Geschäftsmann auch sonst seine Stellung auszunutzen. Fehlte<lb/>
es, wie gewöhnlich, bei Auszahlung der Beamtengehalte in den Kassen an Geld,<lb/>
so schoß er gegen einen Abzug, den &#x201E;Judengroschen", durch den er den zwan¬<lb/>
zigsten Theil der Besoldungen einstrich, das Nöthige vor, wobei ihm seine<lb/>
Glaubensgenossen, deren er eine große Menge gegen die Gesetze in's Land<lb/>
gezogen hatte, zur Hand gingen. Nebenher trieb er einen einträglichen Handel<lb/>
mit Juwelen, Gold und Silber, arabischen Pferden und fremden Weinen, für<lb/>
deren Einfuhr der Herzog ihm Zoll- und Aceisefreiheit gewährt hatte. Ferner<lb/>
betheiligte er sich an Pachtungen, die einen erklecklichen Nutzen versprachen, und<lb/>
dabei geschah es, daß Unterthanen ihm Frohndienste leisten mußten. Auf Be¬<lb/>
fehl des Herzogs veranstaltete er Lotterieen, wofür er eine Abgabe von 3000<lb/>
Gulden zahlen mußte, den viel bedeutenderen Reinertrag aber für sich behalten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0398] Inventuren, Testamentseröffnungen und Vermögeustheilungen wurden hohe Sporteln, auf das Salz und auf das Kaminfegen eine nicht unbedeutende Steuer gelegt. Desgleichen auf das Recht, ein Kaffeehaus zu halten, auf den Verkauf von Spielkarten und Spezereien, das Vermiethen von Portechaisen, den Handel mit Tabak und Leder, den Verschleiß des Kalenders, das Aus¬ schenken von Getränken; die letztgenannte Steuer hatte sogar rückwirkende Kraft, sodaß die Wirthe das, was sie in den letzten drei Jahren verschenkt hatten, nachträglich versteuern mußten. Um die Mitte des Jahres 1736 wurde eine „Familien- und Vermögenssteuer" ausgeschrieben, die alle Landeseinwohner und alles Einheimischen und Fremden gehörende Vermögen in Württemberg um¬ faßte. Die den Städten und Aemtern zustehenden, zur Erhaltung der Ver¬ kehrsstraßen nöthigen Wege- und Brückengelder wurden theilweise zur Kammer eingezogen, und dem Kirchengut, den Stadt- und Amtschreibern ein hoher „Kammerbeitrag" angesonnen. Darauf wurde das Stempelpcipier, trotzdem daß es von der Landschaft inzwischen abgekauft worden, zuerst für Gratial-, dann für Justizsachen, zuletzt sogar für Handelsbücher wieder eingeführt. Bei Aus¬ zahlung der Besoldungen mußten die Betreffenden sich stets einen Abzug von 5 Prozent gefallen lassen. Auch durch den sogenannten „Fleckenhandel", den Süß dem Herzoge vorgeschlagen, flössen nicht unbedeutende Summen in die fürstlichen Kassen. Dieser bestand darin, daß man die bisherigen Aemter zer¬ gliederte und so eintheilte, daß einzelne Gemeinden einem Amtssitze zugewiesen wurden, der viel weiter als der frühere von ihnen entfernt war, und daß man den vorherigen Zustand gegen Erlegung einer hohen Geldsumme wieder herstellte. Für die herzogliche Kasse waren diese Plusmachereien sehr einträglich, aber auch Süß strich viel Geld dabei ein. Er wußte aber als betriebsamer und vielseitiger Geschäftsmann auch sonst seine Stellung auszunutzen. Fehlte es, wie gewöhnlich, bei Auszahlung der Beamtengehalte in den Kassen an Geld, so schoß er gegen einen Abzug, den „Judengroschen", durch den er den zwan¬ zigsten Theil der Besoldungen einstrich, das Nöthige vor, wobei ihm seine Glaubensgenossen, deren er eine große Menge gegen die Gesetze in's Land gezogen hatte, zur Hand gingen. Nebenher trieb er einen einträglichen Handel mit Juwelen, Gold und Silber, arabischen Pferden und fremden Weinen, für deren Einfuhr der Herzog ihm Zoll- und Aceisefreiheit gewährt hatte. Ferner betheiligte er sich an Pachtungen, die einen erklecklichen Nutzen versprachen, und dabei geschah es, daß Unterthanen ihm Frohndienste leisten mußten. Auf Be¬ fehl des Herzogs veranstaltete er Lotterieen, wofür er eine Abgabe von 3000 Gulden zahlen mußte, den viel bedeutenderen Reinertrag aber für sich behalten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/398
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/398>, abgerufen am 29.12.2024.