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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Scheffer, Hallwachs u. a. nach einem herzoglichen Resiript "die Tüchtigkeit der
Subjekte untersuchen", aber bei dem weiten Gewissen und der stets offnen
Hand dieser Menschen war dies nur ein weiteres Mittel zur Bereicherung
derselben.

In Verbindung hiermit wurde 1736 ein "Gratialamt" eingerichtet, indem
Süß dem Herzog eingeredet hatte, die, welche eine Stelle erhalten, gäben gern
noch etwas in die herzogliche Schatulle. Das betreffende Dekret gab als Grund
für die neue Schöpfung an, auf solche Weise würden "die Delikte leichter ent¬
deckt werden". Die eingehenden Gelder wollte man zu Gnadengeschenken für
Wittwen und Waisen verwenden. Indeß haben diese nie einen Kreuzer davon
gesehen, der Herzog aber bekam davon auch nur sehr wenig; denn Süß rechnete
mit diesem über die von ihm eingenommenen Summen meist in Pretiosen und
Juwelen ab, die der Herzog sehr liebte und zu kennen glaubte, und soll ihn
dabei "formidable defraudiret und übernommen haben". Als man dies Karl
Alexander vorstellte und verlangte, er solle den betrügerischen Juden fassen
lassen, erwiederte er: "Ich brauche den Coujonen noch." Im Gratialamte
saßen Süß und Scheffer als die Chefs, Hallwachs und Bühler nebst den
Landeskommissarien waren die vornehmsten Zutreiber. Wer die ihm zuge-
mutheten Gratialgelder nicht entrichten wollte, bekam die betreffende Stelle
nicht oder wurde seines Amtes entlassen. Auch die, welche um eine Dispen-
sation oder um ein Patent einkamen, mußten ihr Theil an die Gratialkasse
entrichten.

Neben dem Gratialamt wurde ein Fiskalamt geschaffen, welches das
Justizwesen ausbeutete. Das Recht wurde käuflich. Wer kein Geld geben
konnte oder wollte, verlor seine Sache, wie gerecht sie auch war. Alle Ver¬
brechen konnten mit Geld gesühnt werden. Im ganzen Amte wurde unter den
Angestellten und den Wohlhabenden herumspionirt, ob ihnen nicht mit dem
Fiskalamte beizukommen sei. Bereits entschiedene Prozesse wurden wieder auf¬
genommen und Prozesse gegen längst verstorbene eingeleitet, wenn sie Vermögen
hinterlassen hatten. Die Triebfeder dieser Schändlichkeiten, mit denen dem
Lande (wir reden hier nur vom Gratial- und Fiskalamte) 650000 Gulden
abgepreßt worden sein sollen, war Süß; aber freilich, der Herzog unterschrieb
Alles, und die auf die Verfassung vereidigten Räthe desselben führten die
Sache aus.

Immer zahlreicher wurden die Methoden, mit denen man den Besitz des
Landes finanziell ausbeutete. Das Vermögen der frommen Stiftungen wurde
in eine sogenannte Vorrathskasse zusammengeschafft, wodurch zwei Millionen
Gulden in Süß'sche Verwaltung kamen. Diese Gelder wurden mit nur drei
Prozent verzinst, und bei der Zinszahlung machte man überdies Abzüge. Auf


Scheffer, Hallwachs u. a. nach einem herzoglichen Resiript „die Tüchtigkeit der
Subjekte untersuchen", aber bei dem weiten Gewissen und der stets offnen
Hand dieser Menschen war dies nur ein weiteres Mittel zur Bereicherung
derselben.

In Verbindung hiermit wurde 1736 ein „Gratialamt" eingerichtet, indem
Süß dem Herzog eingeredet hatte, die, welche eine Stelle erhalten, gäben gern
noch etwas in die herzogliche Schatulle. Das betreffende Dekret gab als Grund
für die neue Schöpfung an, auf solche Weise würden „die Delikte leichter ent¬
deckt werden". Die eingehenden Gelder wollte man zu Gnadengeschenken für
Wittwen und Waisen verwenden. Indeß haben diese nie einen Kreuzer davon
gesehen, der Herzog aber bekam davon auch nur sehr wenig; denn Süß rechnete
mit diesem über die von ihm eingenommenen Summen meist in Pretiosen und
Juwelen ab, die der Herzog sehr liebte und zu kennen glaubte, und soll ihn
dabei „formidable defraudiret und übernommen haben". Als man dies Karl
Alexander vorstellte und verlangte, er solle den betrügerischen Juden fassen
lassen, erwiederte er: „Ich brauche den Coujonen noch." Im Gratialamte
saßen Süß und Scheffer als die Chefs, Hallwachs und Bühler nebst den
Landeskommissarien waren die vornehmsten Zutreiber. Wer die ihm zuge-
mutheten Gratialgelder nicht entrichten wollte, bekam die betreffende Stelle
nicht oder wurde seines Amtes entlassen. Auch die, welche um eine Dispen-
sation oder um ein Patent einkamen, mußten ihr Theil an die Gratialkasse
entrichten.

Neben dem Gratialamt wurde ein Fiskalamt geschaffen, welches das
Justizwesen ausbeutete. Das Recht wurde käuflich. Wer kein Geld geben
konnte oder wollte, verlor seine Sache, wie gerecht sie auch war. Alle Ver¬
brechen konnten mit Geld gesühnt werden. Im ganzen Amte wurde unter den
Angestellten und den Wohlhabenden herumspionirt, ob ihnen nicht mit dem
Fiskalamte beizukommen sei. Bereits entschiedene Prozesse wurden wieder auf¬
genommen und Prozesse gegen längst verstorbene eingeleitet, wenn sie Vermögen
hinterlassen hatten. Die Triebfeder dieser Schändlichkeiten, mit denen dem
Lande (wir reden hier nur vom Gratial- und Fiskalamte) 650000 Gulden
abgepreßt worden sein sollen, war Süß; aber freilich, der Herzog unterschrieb
Alles, und die auf die Verfassung vereidigten Räthe desselben führten die
Sache aus.

Immer zahlreicher wurden die Methoden, mit denen man den Besitz des
Landes finanziell ausbeutete. Das Vermögen der frommen Stiftungen wurde
in eine sogenannte Vorrathskasse zusammengeschafft, wodurch zwei Millionen
Gulden in Süß'sche Verwaltung kamen. Diese Gelder wurden mit nur drei
Prozent verzinst, und bei der Zinszahlung machte man überdies Abzüge. Auf


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[0397] Scheffer, Hallwachs u. a. nach einem herzoglichen Resiript „die Tüchtigkeit der Subjekte untersuchen", aber bei dem weiten Gewissen und der stets offnen Hand dieser Menschen war dies nur ein weiteres Mittel zur Bereicherung derselben. In Verbindung hiermit wurde 1736 ein „Gratialamt" eingerichtet, indem Süß dem Herzog eingeredet hatte, die, welche eine Stelle erhalten, gäben gern noch etwas in die herzogliche Schatulle. Das betreffende Dekret gab als Grund für die neue Schöpfung an, auf solche Weise würden „die Delikte leichter ent¬ deckt werden". Die eingehenden Gelder wollte man zu Gnadengeschenken für Wittwen und Waisen verwenden. Indeß haben diese nie einen Kreuzer davon gesehen, der Herzog aber bekam davon auch nur sehr wenig; denn Süß rechnete mit diesem über die von ihm eingenommenen Summen meist in Pretiosen und Juwelen ab, die der Herzog sehr liebte und zu kennen glaubte, und soll ihn dabei „formidable defraudiret und übernommen haben". Als man dies Karl Alexander vorstellte und verlangte, er solle den betrügerischen Juden fassen lassen, erwiederte er: „Ich brauche den Coujonen noch." Im Gratialamte saßen Süß und Scheffer als die Chefs, Hallwachs und Bühler nebst den Landeskommissarien waren die vornehmsten Zutreiber. Wer die ihm zuge- mutheten Gratialgelder nicht entrichten wollte, bekam die betreffende Stelle nicht oder wurde seines Amtes entlassen. Auch die, welche um eine Dispen- sation oder um ein Patent einkamen, mußten ihr Theil an die Gratialkasse entrichten. Neben dem Gratialamt wurde ein Fiskalamt geschaffen, welches das Justizwesen ausbeutete. Das Recht wurde käuflich. Wer kein Geld geben konnte oder wollte, verlor seine Sache, wie gerecht sie auch war. Alle Ver¬ brechen konnten mit Geld gesühnt werden. Im ganzen Amte wurde unter den Angestellten und den Wohlhabenden herumspionirt, ob ihnen nicht mit dem Fiskalamte beizukommen sei. Bereits entschiedene Prozesse wurden wieder auf¬ genommen und Prozesse gegen längst verstorbene eingeleitet, wenn sie Vermögen hinterlassen hatten. Die Triebfeder dieser Schändlichkeiten, mit denen dem Lande (wir reden hier nur vom Gratial- und Fiskalamte) 650000 Gulden abgepreßt worden sein sollen, war Süß; aber freilich, der Herzog unterschrieb Alles, und die auf die Verfassung vereidigten Räthe desselben führten die Sache aus. Immer zahlreicher wurden die Methoden, mit denen man den Besitz des Landes finanziell ausbeutete. Das Vermögen der frommen Stiftungen wurde in eine sogenannte Vorrathskasse zusammengeschafft, wodurch zwei Millionen Gulden in Süß'sche Verwaltung kamen. Diese Gelder wurden mit nur drei Prozent verzinst, und bei der Zinszahlung machte man überdies Abzüge. Auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/397>, abgerufen am 27.09.2024.