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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Weimar*) gegenüber seinen Landständen. An den verschiedensten Stellen, im
Norden wie im Süden, sannen die Herrschenden auf Erweiterung der Grenzen
ihres Gebietes. Ludwig XIV. und Karl XII. waren ihr Leben lang mit
Eroberungsplänen beschäftigt, Oesterreich gewann Serbien, Venedig Landstriche
in Griechenland, am Potsdamer Hofe bereitete man die Kriege vor, die den
Hohenzollern Schlesien verschafften.

Daneben hatte der Jesuitismus mit seinem Bestreben, das dem Papstthum
durch die Reformation entrissene Terrain wieder zu erobern, an verschiedenen
Orten Erfolge erzielt, und an anderen war er mit Eifer und Geschick bemüht,
solche vorzubereiten. Eine Menge freiwilliger Rücktritte zum römisch-katholi¬
schen Glauben war auf die vom Orden geleitete gewaltsame und zum Theil
sogar blutige Reaktion gegen die böhmischen, österreichischen und polnischen
Ketzer im siebzehnten Jahrhundert gefolgt. In der Pfalz war die herrschende
Linie wieder der alten Kirche beigetreten, in Kursachsen hatte August der Starke
um die polnische Krone zu erlangen, das Gleiche gethan, in Hessen-Kassel war
den Jesuiten die Konvertirung des Erbprinzen Friedrich gelungen. Was man
davon erwartete, zeigten die Maßregeln, die der Vater dieses Prinzen in Ge¬
meinschaft mit den Ständen des Landes ergriff. Er verbot ihm, als Landgraf
die öffentliche Uebung der katholischen Religion zu gestatten und Katholiken
als Beamte anzustellen, er entzog ihm die Erziehung seiner Söhne, und er
nöthigte ihn, durch eine Urkunde den Ständen alles, was ihm vorgeschrieben
worden, feierlich zuzusichern. Andernfalls würde ohne Zweifel auch hier nicht
ausgeblieben sein, was in dieser Zeit unter ähnlichen Verhältnissen anderwärts
geschah. Zwei Fürsten von Hohenlohe z. B. tyrannisirten ihre protestantischen
Unterthanen so lange, bis Drohungen Preußen's und Hannover's mit der
Absenkung von Exekutionstruppen sie davon abzulassen zwangen. In Salzburg
Vertrieb der fanatische Erzbischof dreißigtausend fleißige und ruhige Unterthanen,
weil sie Protestanten waren und bleiben wollten. In der Pfalz beförderte die
von Jesuiten beeinflußte Regierung den Verfall der Universität Heidelberg,
suchte durch schlechte Besetzung der Pfarrstellen das evangelische Volk allmäh¬
lich zu verderben und wurde nur durch deu König von Preußen abgehalten,
ihm die Kirche zu nehmen und sie den Katholiken zu überweisen. Der Nach¬
folger des Kurfürsten, unter dem dies geschah, Karl Theodor, ließ sich von
seinem Erzieher und späterem Minister eine Instruktion geben, wie man behut¬
sam und in aller Stille die Zahl und den Einfluß der vielen Protestanten im
Lande vermindern könne, "bis die Umstände es möglich machten, weiter zu
gehen". Unter andern: wurde darin gerathen, so viel als thunlich katholische



*) Grenzboten, Jahrgang 1877, Re'. 16.

Weimar*) gegenüber seinen Landständen. An den verschiedensten Stellen, im
Norden wie im Süden, sannen die Herrschenden auf Erweiterung der Grenzen
ihres Gebietes. Ludwig XIV. und Karl XII. waren ihr Leben lang mit
Eroberungsplänen beschäftigt, Oesterreich gewann Serbien, Venedig Landstriche
in Griechenland, am Potsdamer Hofe bereitete man die Kriege vor, die den
Hohenzollern Schlesien verschafften.

Daneben hatte der Jesuitismus mit seinem Bestreben, das dem Papstthum
durch die Reformation entrissene Terrain wieder zu erobern, an verschiedenen
Orten Erfolge erzielt, und an anderen war er mit Eifer und Geschick bemüht,
solche vorzubereiten. Eine Menge freiwilliger Rücktritte zum römisch-katholi¬
schen Glauben war auf die vom Orden geleitete gewaltsame und zum Theil
sogar blutige Reaktion gegen die böhmischen, österreichischen und polnischen
Ketzer im siebzehnten Jahrhundert gefolgt. In der Pfalz war die herrschende
Linie wieder der alten Kirche beigetreten, in Kursachsen hatte August der Starke
um die polnische Krone zu erlangen, das Gleiche gethan, in Hessen-Kassel war
den Jesuiten die Konvertirung des Erbprinzen Friedrich gelungen. Was man
davon erwartete, zeigten die Maßregeln, die der Vater dieses Prinzen in Ge¬
meinschaft mit den Ständen des Landes ergriff. Er verbot ihm, als Landgraf
die öffentliche Uebung der katholischen Religion zu gestatten und Katholiken
als Beamte anzustellen, er entzog ihm die Erziehung seiner Söhne, und er
nöthigte ihn, durch eine Urkunde den Ständen alles, was ihm vorgeschrieben
worden, feierlich zuzusichern. Andernfalls würde ohne Zweifel auch hier nicht
ausgeblieben sein, was in dieser Zeit unter ähnlichen Verhältnissen anderwärts
geschah. Zwei Fürsten von Hohenlohe z. B. tyrannisirten ihre protestantischen
Unterthanen so lange, bis Drohungen Preußen's und Hannover's mit der
Absenkung von Exekutionstruppen sie davon abzulassen zwangen. In Salzburg
Vertrieb der fanatische Erzbischof dreißigtausend fleißige und ruhige Unterthanen,
weil sie Protestanten waren und bleiben wollten. In der Pfalz beförderte die
von Jesuiten beeinflußte Regierung den Verfall der Universität Heidelberg,
suchte durch schlechte Besetzung der Pfarrstellen das evangelische Volk allmäh¬
lich zu verderben und wurde nur durch deu König von Preußen abgehalten,
ihm die Kirche zu nehmen und sie den Katholiken zu überweisen. Der Nach¬
folger des Kurfürsten, unter dem dies geschah, Karl Theodor, ließ sich von
seinem Erzieher und späterem Minister eine Instruktion geben, wie man behut¬
sam und in aller Stille die Zahl und den Einfluß der vielen Protestanten im
Lande vermindern könne, „bis die Umstände es möglich machten, weiter zu
gehen". Unter andern: wurde darin gerathen, so viel als thunlich katholische



*) Grenzboten, Jahrgang 1877, Re'. 16.
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[0387] Weimar*) gegenüber seinen Landständen. An den verschiedensten Stellen, im Norden wie im Süden, sannen die Herrschenden auf Erweiterung der Grenzen ihres Gebietes. Ludwig XIV. und Karl XII. waren ihr Leben lang mit Eroberungsplänen beschäftigt, Oesterreich gewann Serbien, Venedig Landstriche in Griechenland, am Potsdamer Hofe bereitete man die Kriege vor, die den Hohenzollern Schlesien verschafften. Daneben hatte der Jesuitismus mit seinem Bestreben, das dem Papstthum durch die Reformation entrissene Terrain wieder zu erobern, an verschiedenen Orten Erfolge erzielt, und an anderen war er mit Eifer und Geschick bemüht, solche vorzubereiten. Eine Menge freiwilliger Rücktritte zum römisch-katholi¬ schen Glauben war auf die vom Orden geleitete gewaltsame und zum Theil sogar blutige Reaktion gegen die böhmischen, österreichischen und polnischen Ketzer im siebzehnten Jahrhundert gefolgt. In der Pfalz war die herrschende Linie wieder der alten Kirche beigetreten, in Kursachsen hatte August der Starke um die polnische Krone zu erlangen, das Gleiche gethan, in Hessen-Kassel war den Jesuiten die Konvertirung des Erbprinzen Friedrich gelungen. Was man davon erwartete, zeigten die Maßregeln, die der Vater dieses Prinzen in Ge¬ meinschaft mit den Ständen des Landes ergriff. Er verbot ihm, als Landgraf die öffentliche Uebung der katholischen Religion zu gestatten und Katholiken als Beamte anzustellen, er entzog ihm die Erziehung seiner Söhne, und er nöthigte ihn, durch eine Urkunde den Ständen alles, was ihm vorgeschrieben worden, feierlich zuzusichern. Andernfalls würde ohne Zweifel auch hier nicht ausgeblieben sein, was in dieser Zeit unter ähnlichen Verhältnissen anderwärts geschah. Zwei Fürsten von Hohenlohe z. B. tyrannisirten ihre protestantischen Unterthanen so lange, bis Drohungen Preußen's und Hannover's mit der Absenkung von Exekutionstruppen sie davon abzulassen zwangen. In Salzburg Vertrieb der fanatische Erzbischof dreißigtausend fleißige und ruhige Unterthanen, weil sie Protestanten waren und bleiben wollten. In der Pfalz beförderte die von Jesuiten beeinflußte Regierung den Verfall der Universität Heidelberg, suchte durch schlechte Besetzung der Pfarrstellen das evangelische Volk allmäh¬ lich zu verderben und wurde nur durch deu König von Preußen abgehalten, ihm die Kirche zu nehmen und sie den Katholiken zu überweisen. Der Nach¬ folger des Kurfürsten, unter dem dies geschah, Karl Theodor, ließ sich von seinem Erzieher und späterem Minister eine Instruktion geben, wie man behut¬ sam und in aller Stille die Zahl und den Einfluß der vielen Protestanten im Lande vermindern könne, „bis die Umstände es möglich machten, weiter zu gehen". Unter andern: wurde darin gerathen, so viel als thunlich katholische *) Grenzboten, Jahrgang 1877, Re'. 16.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/387>, abgerufen am 27.12.2024.