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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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im Staate New-Iork, Wahlfälschungen vornehmen zu können. So geschah es
denn, daß die Mitglieder und Führer der demokratischen Partei im Kongreß,
unterstützt von der ihnen ergebenen Presse, offen erklärten, sie würden der
Bundesregierung auf keinen Fall die zur Fortführung der Regierungsgeschäfte
nöthigen Geldmittel eher bewilligen, als bis die verhaßten Bundeswahlgesetze
aufgehoben (rsxsalkä) worden feien. Diese nahezu revolutionären Drohungen
vermochten jedoch den Präsidenten Hayes nicht einzuschüchtern. Derselbe sandte
vielmehr am 29. April d. I. die mit der verhängnißvollen Klausel versehene
Armeebill ohne seine Signatur wieder an das Repräsentantenhaus zurück, und
zwar mit einem Begleitschreiben, in welchem er das von ihm gegen die Bill
eingelegte Veto ausführlich begründete. Diese Begründung ist aber so inter¬
essant und für konstitutionelle Streitfragen aller Länder so wichtig, daß ein
näheres Eingehen auf dieselbe aus mehr als einem Grunde gerechtfertigt er¬
scheint.

Der Präsident weist zunächst nach, weshalb der sechste Abschnitt der in
Rede stehenden Bill, welcher die Aufhebung der zu Recht bestehenden nationalen
Wahlgesetze bezweckt, nicht zu billigen sei; alsdann aber macht er auf die
Konsequenzen aufmerksam, die daraus folgen würden, wenn die gesetzgebende
Gewalt, namentlich das Repräsentantenhaus, aus Parteirücksichten die exekutive
Gewalt zu Maßregeln zwänge, die ihrer besseren Einsicht widersprächen und
nicht im Interesse des Gemeinwohles lägen.

Präsident Hayes erklärt im Anfang seiner Veto-Botschaft, daß er die vom
Kongreß angenommene Armeebill, welche alle für die Erhaltung der Bundes¬
truppen von der Regierung verlangten Geldmittel für das mit dem 30. Juni
1880 endende Fiskaljahr bewilligt, gern unterzeichnet haben würde, wenn nicht
durch den beigefügten sechsten Abschnitt jener Bill die bestehenden nationalen
Wahlgesetze wesentlich abgeändert würden. Er zitirt alsdann das hierauf be¬
zügliche, am 25. Februar 1865 von beiden Kongreßhäusern angenommene und
vom Präsidenten Lincoln unterzeichnete Wahlgesetz, welches auch im Jahre
1874 in die "Revidirten Statuten" der Vereinigten Staaten (Sektion 2002 und
5528) aufgenommen wurde und folgendermaßen lautet:

"Sektion 2002. Kein Land- oder Seeoffizier und keine andere im Zivil¬
oder Militärdienste der Vereinigten Staaten stehende Person darf an einem
Platze, wo in einem Unionsstaate eine allgemeine oder eine besondere Wahl
(a, or "xecial slkotion) vorgenommen wird, Soldaten oder bewaffnete
Leute bringen und sie dort unter Befehl behalten, außer so weit dies nöthig
ist, um bewaffneten Feinden der Vereinigten Staaten entgegenzutreten oder
Ruhe und Ordnung an den Stimmplätzen aufrecht zu erhalten." Die Sektion
5528 belegt ein Zuwiderhandeln gegen diese gesetzliche Bestimmung mit einer


im Staate New-Iork, Wahlfälschungen vornehmen zu können. So geschah es
denn, daß die Mitglieder und Führer der demokratischen Partei im Kongreß,
unterstützt von der ihnen ergebenen Presse, offen erklärten, sie würden der
Bundesregierung auf keinen Fall die zur Fortführung der Regierungsgeschäfte
nöthigen Geldmittel eher bewilligen, als bis die verhaßten Bundeswahlgesetze
aufgehoben (rsxsalkä) worden feien. Diese nahezu revolutionären Drohungen
vermochten jedoch den Präsidenten Hayes nicht einzuschüchtern. Derselbe sandte
vielmehr am 29. April d. I. die mit der verhängnißvollen Klausel versehene
Armeebill ohne seine Signatur wieder an das Repräsentantenhaus zurück, und
zwar mit einem Begleitschreiben, in welchem er das von ihm gegen die Bill
eingelegte Veto ausführlich begründete. Diese Begründung ist aber so inter¬
essant und für konstitutionelle Streitfragen aller Länder so wichtig, daß ein
näheres Eingehen auf dieselbe aus mehr als einem Grunde gerechtfertigt er¬
scheint.

Der Präsident weist zunächst nach, weshalb der sechste Abschnitt der in
Rede stehenden Bill, welcher die Aufhebung der zu Recht bestehenden nationalen
Wahlgesetze bezweckt, nicht zu billigen sei; alsdann aber macht er auf die
Konsequenzen aufmerksam, die daraus folgen würden, wenn die gesetzgebende
Gewalt, namentlich das Repräsentantenhaus, aus Parteirücksichten die exekutive
Gewalt zu Maßregeln zwänge, die ihrer besseren Einsicht widersprächen und
nicht im Interesse des Gemeinwohles lägen.

Präsident Hayes erklärt im Anfang seiner Veto-Botschaft, daß er die vom
Kongreß angenommene Armeebill, welche alle für die Erhaltung der Bundes¬
truppen von der Regierung verlangten Geldmittel für das mit dem 30. Juni
1880 endende Fiskaljahr bewilligt, gern unterzeichnet haben würde, wenn nicht
durch den beigefügten sechsten Abschnitt jener Bill die bestehenden nationalen
Wahlgesetze wesentlich abgeändert würden. Er zitirt alsdann das hierauf be¬
zügliche, am 25. Februar 1865 von beiden Kongreßhäusern angenommene und
vom Präsidenten Lincoln unterzeichnete Wahlgesetz, welches auch im Jahre
1874 in die „Revidirten Statuten" der Vereinigten Staaten (Sektion 2002 und
5528) aufgenommen wurde und folgendermaßen lautet:

„Sektion 2002. Kein Land- oder Seeoffizier und keine andere im Zivil¬
oder Militärdienste der Vereinigten Staaten stehende Person darf an einem
Platze, wo in einem Unionsstaate eine allgemeine oder eine besondere Wahl
(a, or «xecial slkotion) vorgenommen wird, Soldaten oder bewaffnete
Leute bringen und sie dort unter Befehl behalten, außer so weit dies nöthig
ist, um bewaffneten Feinden der Vereinigten Staaten entgegenzutreten oder
Ruhe und Ordnung an den Stimmplätzen aufrecht zu erhalten." Die Sektion
5528 belegt ein Zuwiderhandeln gegen diese gesetzliche Bestimmung mit einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/370>, abgerufen am 27.09.2024.