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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Krone der Krsusa*) -- jenes Gewittergewölk mit Donner und Blitz, das bei
den Mysterien der Isis wie bei denen von Delphi und Eleusis vor der Maje¬
stät der nahen Gottheit zittern ließ -- alles das sind offenbar Anwendungen
der Pyrotechnik im Dienste des Kultus und der Priesterschaft.

Dieser ursprünglich sakralen Bestimmung der Feuerwerkerei, deren Rezepte
in der Cella des Tempels verborgen wurden, entspricht es vollkommen, daß
gerade in den theokratischen Despotieen, also unzweifelhaft unter Leitung der
Priester, zuerst die Pyrotechnik im Dienste der Kriegspolitik benutzt worden ist.
Darauf deuten uralte Mythen hin. Denn wenn erzählt wird, daß Bakchos
und Herakles an den Grenzen Indien's mit furchtbaren Donnerschlägen empfangen
und zur Umkehr veranlaßt worden seien, weil sie meinten, von einem Gotte be¬
kämpft zu werden, der stärker wäre als Zeus, so stellt sich dieser Zug der Mythe
dem Wesen nach gewiß als dasselbe dar, wie die Mittheilung des Apollonios von
Tyana, daß die Brahmanen Blitz und Donner gegen ihre Feinde geschleudert
hätten, oder wie jener Bericht des Curtius, daß der Jnderkönig Porus das Heer
des großen Alexander mit Flammengeschossen bekämpft habe, oder endlich wie
die Angabe Plutarch's, daß die Bewohner von Samosata, einer Euphratstadt, sich
gegen Lucullus vertheidigte", indem sie brennendes Erdpech auf die stürmenden
gössen. Abgesehen von Indien scheint China in militärischer Verwerthung der
Feuerwerkerei vorangegangen zu sein. Die Annalen des himmlischen Reiches
sollen beweisen, daß man dort schon 1000 Jahre vor Beginn unserer Zeit¬
rechnung explosive Mischungen, bei denen Salpeter die Hauptrolle spielte, im
Kriege anwandte, und daß damals die chinesischen Heere bereits von "Blitz¬
wagen" begleitet waren -- sicherlich fahrbaren Wurfmaschinen, welche Feuer¬
bälle und Feuertöpfe schleuderten, wie denn ähnliche Dinge auch mit dem Bogen
oder der Handschleuder bewegt werden konnten. Vom Osten schritt die Kriegs-
feuerwerkerei nach Westen fort. Schon zur Zeit der Republik wenden die Römer
nicht selten Kriegsfeuer an; sie schleudern brennende Substanzen in die bela¬
gerten Städte, um auf diese Weise Feuersbrünste zu entzünden.

Seit die thaumaturgischen Tendenzen der Priester sich mit den praktischen
Absichten der Krieger verschwistert hatten, und die Pyrotechnik somit aus einem
Tempelgeheimnisse zu einem Staatsgeheimnisse geworden war, wendete man
der weiteren Ausbildung dieser schwarzen Kunst gesteigerte Aufmerksamkeit zu
und ist vermuthlich schon früh dahin gekommen, sogar einige pyrophore Mischun¬
gen herzustellen, welche sich "von selbst", d. h. bei der Berührung mit der



*) Nach Plinius soll die Krone, welche die von Jason verstoßene Medea ihrer Neben¬
buhlerin Krvusa schenkte, mit Naphtha getränkt gewesen sein, sodas; sie sich an der Flamme
des Altars entzündete und dadurch den Tod der Krvusa herbeiführte.

Krone der Krsusa*) — jenes Gewittergewölk mit Donner und Blitz, das bei
den Mysterien der Isis wie bei denen von Delphi und Eleusis vor der Maje¬
stät der nahen Gottheit zittern ließ — alles das sind offenbar Anwendungen
der Pyrotechnik im Dienste des Kultus und der Priesterschaft.

Dieser ursprünglich sakralen Bestimmung der Feuerwerkerei, deren Rezepte
in der Cella des Tempels verborgen wurden, entspricht es vollkommen, daß
gerade in den theokratischen Despotieen, also unzweifelhaft unter Leitung der
Priester, zuerst die Pyrotechnik im Dienste der Kriegspolitik benutzt worden ist.
Darauf deuten uralte Mythen hin. Denn wenn erzählt wird, daß Bakchos
und Herakles an den Grenzen Indien's mit furchtbaren Donnerschlägen empfangen
und zur Umkehr veranlaßt worden seien, weil sie meinten, von einem Gotte be¬
kämpft zu werden, der stärker wäre als Zeus, so stellt sich dieser Zug der Mythe
dem Wesen nach gewiß als dasselbe dar, wie die Mittheilung des Apollonios von
Tyana, daß die Brahmanen Blitz und Donner gegen ihre Feinde geschleudert
hätten, oder wie jener Bericht des Curtius, daß der Jnderkönig Porus das Heer
des großen Alexander mit Flammengeschossen bekämpft habe, oder endlich wie
die Angabe Plutarch's, daß die Bewohner von Samosata, einer Euphratstadt, sich
gegen Lucullus vertheidigte», indem sie brennendes Erdpech auf die stürmenden
gössen. Abgesehen von Indien scheint China in militärischer Verwerthung der
Feuerwerkerei vorangegangen zu sein. Die Annalen des himmlischen Reiches
sollen beweisen, daß man dort schon 1000 Jahre vor Beginn unserer Zeit¬
rechnung explosive Mischungen, bei denen Salpeter die Hauptrolle spielte, im
Kriege anwandte, und daß damals die chinesischen Heere bereits von „Blitz¬
wagen" begleitet waren — sicherlich fahrbaren Wurfmaschinen, welche Feuer¬
bälle und Feuertöpfe schleuderten, wie denn ähnliche Dinge auch mit dem Bogen
oder der Handschleuder bewegt werden konnten. Vom Osten schritt die Kriegs-
feuerwerkerei nach Westen fort. Schon zur Zeit der Republik wenden die Römer
nicht selten Kriegsfeuer an; sie schleudern brennende Substanzen in die bela¬
gerten Städte, um auf diese Weise Feuersbrünste zu entzünden.

Seit die thaumaturgischen Tendenzen der Priester sich mit den praktischen
Absichten der Krieger verschwistert hatten, und die Pyrotechnik somit aus einem
Tempelgeheimnisse zu einem Staatsgeheimnisse geworden war, wendete man
der weiteren Ausbildung dieser schwarzen Kunst gesteigerte Aufmerksamkeit zu
und ist vermuthlich schon früh dahin gekommen, sogar einige pyrophore Mischun¬
gen herzustellen, welche sich „von selbst", d. h. bei der Berührung mit der



*) Nach Plinius soll die Krone, welche die von Jason verstoßene Medea ihrer Neben¬
buhlerin Krvusa schenkte, mit Naphtha getränkt gewesen sein, sodas; sie sich an der Flamme
des Altars entzündete und dadurch den Tod der Krvusa herbeiführte.
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[0346] Krone der Krsusa*) — jenes Gewittergewölk mit Donner und Blitz, das bei den Mysterien der Isis wie bei denen von Delphi und Eleusis vor der Maje¬ stät der nahen Gottheit zittern ließ — alles das sind offenbar Anwendungen der Pyrotechnik im Dienste des Kultus und der Priesterschaft. Dieser ursprünglich sakralen Bestimmung der Feuerwerkerei, deren Rezepte in der Cella des Tempels verborgen wurden, entspricht es vollkommen, daß gerade in den theokratischen Despotieen, also unzweifelhaft unter Leitung der Priester, zuerst die Pyrotechnik im Dienste der Kriegspolitik benutzt worden ist. Darauf deuten uralte Mythen hin. Denn wenn erzählt wird, daß Bakchos und Herakles an den Grenzen Indien's mit furchtbaren Donnerschlägen empfangen und zur Umkehr veranlaßt worden seien, weil sie meinten, von einem Gotte be¬ kämpft zu werden, der stärker wäre als Zeus, so stellt sich dieser Zug der Mythe dem Wesen nach gewiß als dasselbe dar, wie die Mittheilung des Apollonios von Tyana, daß die Brahmanen Blitz und Donner gegen ihre Feinde geschleudert hätten, oder wie jener Bericht des Curtius, daß der Jnderkönig Porus das Heer des großen Alexander mit Flammengeschossen bekämpft habe, oder endlich wie die Angabe Plutarch's, daß die Bewohner von Samosata, einer Euphratstadt, sich gegen Lucullus vertheidigte», indem sie brennendes Erdpech auf die stürmenden gössen. Abgesehen von Indien scheint China in militärischer Verwerthung der Feuerwerkerei vorangegangen zu sein. Die Annalen des himmlischen Reiches sollen beweisen, daß man dort schon 1000 Jahre vor Beginn unserer Zeit¬ rechnung explosive Mischungen, bei denen Salpeter die Hauptrolle spielte, im Kriege anwandte, und daß damals die chinesischen Heere bereits von „Blitz¬ wagen" begleitet waren — sicherlich fahrbaren Wurfmaschinen, welche Feuer¬ bälle und Feuertöpfe schleuderten, wie denn ähnliche Dinge auch mit dem Bogen oder der Handschleuder bewegt werden konnten. Vom Osten schritt die Kriegs- feuerwerkerei nach Westen fort. Schon zur Zeit der Republik wenden die Römer nicht selten Kriegsfeuer an; sie schleudern brennende Substanzen in die bela¬ gerten Städte, um auf diese Weise Feuersbrünste zu entzünden. Seit die thaumaturgischen Tendenzen der Priester sich mit den praktischen Absichten der Krieger verschwistert hatten, und die Pyrotechnik somit aus einem Tempelgeheimnisse zu einem Staatsgeheimnisse geworden war, wendete man der weiteren Ausbildung dieser schwarzen Kunst gesteigerte Aufmerksamkeit zu und ist vermuthlich schon früh dahin gekommen, sogar einige pyrophore Mischun¬ gen herzustellen, welche sich „von selbst", d. h. bei der Berührung mit der *) Nach Plinius soll die Krone, welche die von Jason verstoßene Medea ihrer Neben¬ buhlerin Krvusa schenkte, mit Naphtha getränkt gewesen sein, sodas; sie sich an der Flamme des Altars entzündete und dadurch den Tod der Krvusa herbeiführte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/346>, abgerufen am 28.12.2024.