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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Luft oder dem Wasser, entzündeten.") Minder gefährliche Gemenge waren
bald in allgemeinem Gebrauche. Man hat in den Schweizer Pfahlbauten
Brandkugeln gefunden, deren Zusammensetzung derjenigen des Schießpulvers
verwandt sein soll.**) Aeneas, der zur Zeit Philipp's von Makedonien lebte,
gibt die Zusammensetzung eines Brandsatzes. Er sagt:


"Um einen Brandsatz herzustellen, der sich durch nichts löschen läßt, nehme man
Pech, Schwefel, Werg, Weihrauchkörner und Abfälle jenes harzigen Holzes, mit
denen Fackeln präparirt werden; man mache Bälle daraus, zünde sie an und schleu¬
dere sie gegen diejenigen Gegenstände, die man einäschern will."

Diese Mischung ist eine der ältesten und harmlosesten derjenigen Kompo¬
sitionen, welche in der Folge unter dem Namen des Griechischen Feuers
so berühmt geworden sind und so großen Schrecken verbreitet haben.***)
Ein Brief des Kaisers Konstantin Porphyrogenetos läßt vermuthen, daß im
4. Jahrhundert v. Chr. das eigentliche griechische Feuer bereits bekannt war.
In diesem, aus dem Jahre 949 stammenden Briefe schreibt der Kaiser nämlich
seinem Sohne Romanus:


"Man muß des griechischen Feuers wegen eifrig Sorge tragen und alle die¬
jenigen zurückweisen, welche das Geheimniß seiner Zusammensetzung kennen lernen
wollen; denn es ist von einem Engel dem ersten Könige der Christen, Konstantin
(323--337), anvertraut, mit dem ausdrücklichen Befehle, es nirgends anders als in
der Stadt der Christen (d. h. in Konstantinopel) zu verfertigen. Der große König
schwur auf dem Altare der Kirche Gottes: Derjenige, welcher es wagen würde, das
Geheimniß der Zusammensetzung und Bereitung des griechischen Feuers einem Fremden
mitzutheilen, gleichviel ob König, Erzbischof oder sonst welchen Standes, solle den
Namen eines Christen verlieren, unwürdig und unfähig sein, im Staate irgend ein
Amt zu bekleiden, auf ewig verflucht und aus der Gemeinschaft aller Bürger aus¬
gestoßen werden."

Angesichts dieser anscheinend echten Briefstelle wie der vorhin gemachten
Angaben, wird die gewöhnliche Annahme, daß das griechische Feuer um das
Jahr 668 von Kallinikos, einem Architekten aus Heliopolis, erfunden oder von
den Arabern übernommen worden sei, unwahrscheinlich, f) Sicherlich handelte






*) Die Wirkung von dergleichen Materien mochte auf den Eigenschaften des ungelöschten
Kalkes oder denen des Schwefelkaliums beruhen, das man durch Verkalkung einer Mischung
von Alaun und Schwefelmchl oder durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Terpentinöl
gewann.
**) Clauß, Die Kgl. Gcwehrgalerie zu Dresden. Dresden, 1873.
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***) Der Name "Griechisches Feuer (ixniL xine-ins, ten NöLois) ist abendländisch und
stammt aus der Zeit der Kreuzzüge. Die Griechen selbst nannten es oder
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f) Wie weit pyrotechnische Kenntnisse bereits im 6. Jahrhundert selbst in private
Kreise eingedrungen waren, zeigt die Erzählung des Agathias, daß ein gewisser Anthemios

Luft oder dem Wasser, entzündeten.") Minder gefährliche Gemenge waren
bald in allgemeinem Gebrauche. Man hat in den Schweizer Pfahlbauten
Brandkugeln gefunden, deren Zusammensetzung derjenigen des Schießpulvers
verwandt sein soll.**) Aeneas, der zur Zeit Philipp's von Makedonien lebte,
gibt die Zusammensetzung eines Brandsatzes. Er sagt:


„Um einen Brandsatz herzustellen, der sich durch nichts löschen läßt, nehme man
Pech, Schwefel, Werg, Weihrauchkörner und Abfälle jenes harzigen Holzes, mit
denen Fackeln präparirt werden; man mache Bälle daraus, zünde sie an und schleu¬
dere sie gegen diejenigen Gegenstände, die man einäschern will."

Diese Mischung ist eine der ältesten und harmlosesten derjenigen Kompo¬
sitionen, welche in der Folge unter dem Namen des Griechischen Feuers
so berühmt geworden sind und so großen Schrecken verbreitet haben.***)
Ein Brief des Kaisers Konstantin Porphyrogenetos läßt vermuthen, daß im
4. Jahrhundert v. Chr. das eigentliche griechische Feuer bereits bekannt war.
In diesem, aus dem Jahre 949 stammenden Briefe schreibt der Kaiser nämlich
seinem Sohne Romanus:


„Man muß des griechischen Feuers wegen eifrig Sorge tragen und alle die¬
jenigen zurückweisen, welche das Geheimniß seiner Zusammensetzung kennen lernen
wollen; denn es ist von einem Engel dem ersten Könige der Christen, Konstantin
(323—337), anvertraut, mit dem ausdrücklichen Befehle, es nirgends anders als in
der Stadt der Christen (d. h. in Konstantinopel) zu verfertigen. Der große König
schwur auf dem Altare der Kirche Gottes: Derjenige, welcher es wagen würde, das
Geheimniß der Zusammensetzung und Bereitung des griechischen Feuers einem Fremden
mitzutheilen, gleichviel ob König, Erzbischof oder sonst welchen Standes, solle den
Namen eines Christen verlieren, unwürdig und unfähig sein, im Staate irgend ein
Amt zu bekleiden, auf ewig verflucht und aus der Gemeinschaft aller Bürger aus¬
gestoßen werden."

Angesichts dieser anscheinend echten Briefstelle wie der vorhin gemachten
Angaben, wird die gewöhnliche Annahme, daß das griechische Feuer um das
Jahr 668 von Kallinikos, einem Architekten aus Heliopolis, erfunden oder von
den Arabern übernommen worden sei, unwahrscheinlich, f) Sicherlich handelte






*) Die Wirkung von dergleichen Materien mochte auf den Eigenschaften des ungelöschten
Kalkes oder denen des Schwefelkaliums beruhen, das man durch Verkalkung einer Mischung
von Alaun und Schwefelmchl oder durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Terpentinöl
gewann.
**) Clauß, Die Kgl. Gcwehrgalerie zu Dresden. Dresden, 1873.
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***) Der Name „Griechisches Feuer (ixniL xine-ins, ten NöLois) ist abendländisch und
stammt aus der Zeit der Kreuzzüge. Die Griechen selbst nannten es oder
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[0347] Luft oder dem Wasser, entzündeten.") Minder gefährliche Gemenge waren bald in allgemeinem Gebrauche. Man hat in den Schweizer Pfahlbauten Brandkugeln gefunden, deren Zusammensetzung derjenigen des Schießpulvers verwandt sein soll.**) Aeneas, der zur Zeit Philipp's von Makedonien lebte, gibt die Zusammensetzung eines Brandsatzes. Er sagt: „Um einen Brandsatz herzustellen, der sich durch nichts löschen läßt, nehme man Pech, Schwefel, Werg, Weihrauchkörner und Abfälle jenes harzigen Holzes, mit denen Fackeln präparirt werden; man mache Bälle daraus, zünde sie an und schleu¬ dere sie gegen diejenigen Gegenstände, die man einäschern will." Diese Mischung ist eine der ältesten und harmlosesten derjenigen Kompo¬ sitionen, welche in der Folge unter dem Namen des Griechischen Feuers so berühmt geworden sind und so großen Schrecken verbreitet haben.***) Ein Brief des Kaisers Konstantin Porphyrogenetos läßt vermuthen, daß im 4. Jahrhundert v. Chr. das eigentliche griechische Feuer bereits bekannt war. In diesem, aus dem Jahre 949 stammenden Briefe schreibt der Kaiser nämlich seinem Sohne Romanus: „Man muß des griechischen Feuers wegen eifrig Sorge tragen und alle die¬ jenigen zurückweisen, welche das Geheimniß seiner Zusammensetzung kennen lernen wollen; denn es ist von einem Engel dem ersten Könige der Christen, Konstantin (323—337), anvertraut, mit dem ausdrücklichen Befehle, es nirgends anders als in der Stadt der Christen (d. h. in Konstantinopel) zu verfertigen. Der große König schwur auf dem Altare der Kirche Gottes: Derjenige, welcher es wagen würde, das Geheimniß der Zusammensetzung und Bereitung des griechischen Feuers einem Fremden mitzutheilen, gleichviel ob König, Erzbischof oder sonst welchen Standes, solle den Namen eines Christen verlieren, unwürdig und unfähig sein, im Staate irgend ein Amt zu bekleiden, auf ewig verflucht und aus der Gemeinschaft aller Bürger aus¬ gestoßen werden." Angesichts dieser anscheinend echten Briefstelle wie der vorhin gemachten Angaben, wird die gewöhnliche Annahme, daß das griechische Feuer um das Jahr 668 von Kallinikos, einem Architekten aus Heliopolis, erfunden oder von den Arabern übernommen worden sei, unwahrscheinlich, f) Sicherlich handelte *) Die Wirkung von dergleichen Materien mochte auf den Eigenschaften des ungelöschten Kalkes oder denen des Schwefelkaliums beruhen, das man durch Verkalkung einer Mischung von Alaun und Schwefelmchl oder durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Terpentinöl gewann. **) Clauß, Die Kgl. Gcwehrgalerie zu Dresden. Dresden, 1873. "' ***) Der Name „Griechisches Feuer (ixniL xine-ins, ten NöLois) ist abendländisch und stammt aus der Zeit der Kreuzzüge. Die Griechen selbst nannten es oder ^^>L> <?"«^«?<7too, auch ^^>vo. f) Wie weit pyrotechnische Kenntnisse bereits im 6. Jahrhundert selbst in private Kreise eingedrungen waren, zeigt die Erzählung des Agathias, daß ein gewisser Anthemios

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/347>, abgerufen am 27.09.2024.