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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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der Anstalt, wie es schließlich jeder Kaufmann thut, wenn er den Stand
seines Vermögens, insbesondere seinen Gewinn ermitteln will. Nur ist dies bei
Versicherungsanstalten eine viel zeitraubendere Arbeit und erfordert mehr
Kenntnisse, als Uebung in den vier Spezies. Die Aktiven bestehen aus dem
wirklichen Vermögen der Anstalt, was kaufmännisch zu ermitteln ist, und den
Werthen der von den Mitgliedern noch zu leistenden Beiträge, was nach den
Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung bestimmt werden muß, weil die Zeitlänge,
auf welche hin Beiträge noch zu zahlen find, vom Leben und Sterben der
Mitglieder abhängt. Die Passiver der Anstalt bestehen aus den Werthen der
Leistungen, welche die Anstalt den Mitgliedern auf weite Zukunft hinaus
schuldig ist. Diese Werthe können aus demselben Grunde wie bei den Aktiven
nur durch Wahrscheinlichkeitsrechnung ermittelt werden.

Diese Rechnungen können, wie beispielsweise bei den oben erwähnten Knapp¬
schaftskassen, sehr komplizirt und schwierig sein. Gerade hierüber wollen wir
noch einige kurze Andeutungen geben.

Bei den Knappschaftskassen sind die Aktiven nur aus den beiden oben
bemerkten Posten zusammengesetzt, die Passiver dagegen bestehen aus den wahr¬
scheinlichen Werthen der noch in Anwartschaft stehenden Invaliden-, Wittwen-
und Waisen-Pensionen, serner der Begräbniß- und Krankengelder, endlich aus
den wahrscheinlichen Werthen der bereits fälligen Invaliden-, Wittwen- und
Waisenpensionen, also zusammen aus acht Posten, die sämmtlich durch überaus
mühsame Rechnungen nur nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu
bestimmen sind.

Welche Werthe diese einzelnen Posten haben, wird am besten durch ein
Beispiel klar werden. Im erzgebirgischen Steinkohlengebiete gibt es eine
Kuappschaftskasse, bei welcher der Beitrag jedes Mitgliedes einschließlich des
Beitrags der Werkbesitzer eine Mark wöchentlich beträgt. Dafür gewahrt die
Kasse an Krankengeld wöchentlich 4 bis 5 Mark nebst freier Kur und Medizin,
an Invalidenrente je nach der Länge der Mitgliedschaft von 1 bis 9 Mark
wöchentlich, und zwar die höchste Rente nach dreißigjähriger Mitgliedschaft oder
auch sofort bei Verunglückung in der Grube. Die Wittwenpension beträgt den
dritten Theil derjenigen Invalidenrente, welche der Ehemann bezogen hat oder
bezogen haben würde, falls er zur Zeit seines Todes hätte pensionirt werden
müssen. Jede Waise erhält wöchentlich 80 Pfennige bis zum 14. Lebensjahre.
Das Begräbnißgeld endlich beträgt für ein Mitglied 36 Mark, für eine Ehefrau
16 Mark, für ein Kind 9 Mark. Das Vermögen der Kasse war zur Zeit der
technischen Bilanz 503000 Mark.


der Anstalt, wie es schließlich jeder Kaufmann thut, wenn er den Stand
seines Vermögens, insbesondere seinen Gewinn ermitteln will. Nur ist dies bei
Versicherungsanstalten eine viel zeitraubendere Arbeit und erfordert mehr
Kenntnisse, als Uebung in den vier Spezies. Die Aktiven bestehen aus dem
wirklichen Vermögen der Anstalt, was kaufmännisch zu ermitteln ist, und den
Werthen der von den Mitgliedern noch zu leistenden Beiträge, was nach den
Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung bestimmt werden muß, weil die Zeitlänge,
auf welche hin Beiträge noch zu zahlen find, vom Leben und Sterben der
Mitglieder abhängt. Die Passiver der Anstalt bestehen aus den Werthen der
Leistungen, welche die Anstalt den Mitgliedern auf weite Zukunft hinaus
schuldig ist. Diese Werthe können aus demselben Grunde wie bei den Aktiven
nur durch Wahrscheinlichkeitsrechnung ermittelt werden.

Diese Rechnungen können, wie beispielsweise bei den oben erwähnten Knapp¬
schaftskassen, sehr komplizirt und schwierig sein. Gerade hierüber wollen wir
noch einige kurze Andeutungen geben.

Bei den Knappschaftskassen sind die Aktiven nur aus den beiden oben
bemerkten Posten zusammengesetzt, die Passiver dagegen bestehen aus den wahr¬
scheinlichen Werthen der noch in Anwartschaft stehenden Invaliden-, Wittwen-
und Waisen-Pensionen, serner der Begräbniß- und Krankengelder, endlich aus
den wahrscheinlichen Werthen der bereits fälligen Invaliden-, Wittwen- und
Waisenpensionen, also zusammen aus acht Posten, die sämmtlich durch überaus
mühsame Rechnungen nur nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu
bestimmen sind.

Welche Werthe diese einzelnen Posten haben, wird am besten durch ein
Beispiel klar werden. Im erzgebirgischen Steinkohlengebiete gibt es eine
Kuappschaftskasse, bei welcher der Beitrag jedes Mitgliedes einschließlich des
Beitrags der Werkbesitzer eine Mark wöchentlich beträgt. Dafür gewahrt die
Kasse an Krankengeld wöchentlich 4 bis 5 Mark nebst freier Kur und Medizin,
an Invalidenrente je nach der Länge der Mitgliedschaft von 1 bis 9 Mark
wöchentlich, und zwar die höchste Rente nach dreißigjähriger Mitgliedschaft oder
auch sofort bei Verunglückung in der Grube. Die Wittwenpension beträgt den
dritten Theil derjenigen Invalidenrente, welche der Ehemann bezogen hat oder
bezogen haben würde, falls er zur Zeit seines Todes hätte pensionirt werden
müssen. Jede Waise erhält wöchentlich 80 Pfennige bis zum 14. Lebensjahre.
Das Begräbnißgeld endlich beträgt für ein Mitglied 36 Mark, für eine Ehefrau
16 Mark, für ein Kind 9 Mark. Das Vermögen der Kasse war zur Zeit der
technischen Bilanz 503000 Mark.


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[0320] der Anstalt, wie es schließlich jeder Kaufmann thut, wenn er den Stand seines Vermögens, insbesondere seinen Gewinn ermitteln will. Nur ist dies bei Versicherungsanstalten eine viel zeitraubendere Arbeit und erfordert mehr Kenntnisse, als Uebung in den vier Spezies. Die Aktiven bestehen aus dem wirklichen Vermögen der Anstalt, was kaufmännisch zu ermitteln ist, und den Werthen der von den Mitgliedern noch zu leistenden Beiträge, was nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung bestimmt werden muß, weil die Zeitlänge, auf welche hin Beiträge noch zu zahlen find, vom Leben und Sterben der Mitglieder abhängt. Die Passiver der Anstalt bestehen aus den Werthen der Leistungen, welche die Anstalt den Mitgliedern auf weite Zukunft hinaus schuldig ist. Diese Werthe können aus demselben Grunde wie bei den Aktiven nur durch Wahrscheinlichkeitsrechnung ermittelt werden. Diese Rechnungen können, wie beispielsweise bei den oben erwähnten Knapp¬ schaftskassen, sehr komplizirt und schwierig sein. Gerade hierüber wollen wir noch einige kurze Andeutungen geben. Bei den Knappschaftskassen sind die Aktiven nur aus den beiden oben bemerkten Posten zusammengesetzt, die Passiver dagegen bestehen aus den wahr¬ scheinlichen Werthen der noch in Anwartschaft stehenden Invaliden-, Wittwen- und Waisen-Pensionen, serner der Begräbniß- und Krankengelder, endlich aus den wahrscheinlichen Werthen der bereits fälligen Invaliden-, Wittwen- und Waisenpensionen, also zusammen aus acht Posten, die sämmtlich durch überaus mühsame Rechnungen nur nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu bestimmen sind. Welche Werthe diese einzelnen Posten haben, wird am besten durch ein Beispiel klar werden. Im erzgebirgischen Steinkohlengebiete gibt es eine Kuappschaftskasse, bei welcher der Beitrag jedes Mitgliedes einschließlich des Beitrags der Werkbesitzer eine Mark wöchentlich beträgt. Dafür gewahrt die Kasse an Krankengeld wöchentlich 4 bis 5 Mark nebst freier Kur und Medizin, an Invalidenrente je nach der Länge der Mitgliedschaft von 1 bis 9 Mark wöchentlich, und zwar die höchste Rente nach dreißigjähriger Mitgliedschaft oder auch sofort bei Verunglückung in der Grube. Die Wittwenpension beträgt den dritten Theil derjenigen Invalidenrente, welche der Ehemann bezogen hat oder bezogen haben würde, falls er zur Zeit seines Todes hätte pensionirt werden müssen. Jede Waise erhält wöchentlich 80 Pfennige bis zum 14. Lebensjahre. Das Begräbnißgeld endlich beträgt für ein Mitglied 36 Mark, für eine Ehefrau 16 Mark, für ein Kind 9 Mark. Das Vermögen der Kasse war zur Zeit der technischen Bilanz 503000 Mark.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/320>, abgerufen am 27.09.2024.