Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.Abgehende Mitglieder erhalten keine Rückzahlung, worin ebenfalls eine Ein¬ Die Einrichtung der Knappschaftskassen ist in Bezug auf die zu leistenden Wollte man eine allen in Deutschland wohnenden Arbeitern zugängliche Abgehende Mitglieder erhalten keine Rückzahlung, worin ebenfalls eine Ein¬ Die Einrichtung der Knappschaftskassen ist in Bezug auf die zu leistenden Wollte man eine allen in Deutschland wohnenden Arbeitern zugängliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0314" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142269"/> <p xml:id="ID_928" prev="#ID_927"> Abgehende Mitglieder erhalten keine Rückzahlung, worin ebenfalls eine Ein¬<lb/> nahmequelle für die Kasse liegt. Alles in Allem kann der Beitrag bis zu<lb/> 9 Proz. des verdienten Lohnes steigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_929"> Die Einrichtung der Knappschaftskassen ist in Bezug auf die zu leistenden<lb/> Beiträge der Arbeiter offenbar irrationell. Bei richtiger Vertheilung der Lasten<lb/> müßten sich die Beiträge nach dem Eintritts alter der Mitglieder und des derzeitigen<lb/> Alters der Ehefrau, sowie der Kinder, endlich nach der Höhe des Lohnes rich¬<lb/> ten, sofern von diesem die Höhe der Kassenleistung abhängt, was meistens, aber<lb/> doch nicht allenthalben der Fall ist. Aber eine solche rationelle Skala der zu<lb/> leistenden Beiträge zu berechnen, ist, auch wenn man das Gesetz der Sterblich¬<lb/> keit und Invalidität genau kennt, mit außerordentlichen Schwierigkeiten ver¬<lb/> bunden. Nun ist aber über die Jnvaliditäts - Wahrscheinlichkeit der Bergleute<lb/> zur Zeit fast nichts bekannt, und dazu kommt, daß eine solche rationelle Ein¬<lb/> richtung der Knappschaftskassen, wie sie die Versicherungsanstalten haben und<lb/> haben müssen, die Verwaltung sehr kostspielig machen würde. Man darf also<lb/> über die bisweilen sehr hart beurtheilte irrationelle Einrichtung dieser Anstalten<lb/> nicht so ohne Weiteres den Stab brechen. Sie Hut insofern ihre große Be¬<lb/> rechtigung, als hier Personen desselben Berufes zur gegenseitigen Hilfeleistung<lb/> zusammentreten, und daher das sogenannte Prinzip der Kollegialität Platz<lb/> greifen darf, wonach der besser Gestellte für den Unbemittelteren, der Gesunde<lb/> für den Kranken, der Junge für den Alten einzustehen hat. Versicherungs¬<lb/> anstalten freilich, deren Versicherte nicht einen solchen Verband unter einander<lb/> haben können, dürfen auch dieses Prinzip nicht zur Anwendung bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_930" next="#ID_931"> Wollte man eine allen in Deutschland wohnenden Arbeitern zugängliche<lb/> Invalidenkasse errichten und zwar eine reine Invalidenkasse ohne Hinzuziehung<lb/> des Krankengeldes, der Wittwenpension u. s. w., so würde man rationell ver¬<lb/> fahren und die Beiträge nicht blos nach dem Alter und der Höhe der begehr¬<lb/> ten Rente, sondern auch nach der Gefährlichkeit der Arbeit regeln müssen.<lb/> Allein wenn man auch den ernsten Willen hätte, eine solche, Allen zugängliche<lb/> rationelle Invalidenkasse zu gründen — sicher ein erstrebenswerthes Ziel —,<lb/> so würden sich dem zur Zeit wenigstens noch sehr erhebliche, fast unbesiegbare<lb/> Schwierigkeiten entgegenstellen. Außer den Gesetzen der Sterblichkeit, die man<lb/> jetzt ziemlich genau kennt, müßte man auch die Gesetze des Jnvalidwerdens für<lb/> die einzelnen Lebensalter und Berufszweige kennen, um die zu leistenden Bei¬<lb/> trüge berechnen zu können. Solche Beitragsskalen würden in den jüngeren<lb/> Altersjahren kleine Beiträge zeigen, in den mittleren und noch mehr in den<lb/> späteren Lebensjahren aber so hohe, daß sie für ältere Arbeiter fast unerschwing¬<lb/> lich sein dürften. Man sieht also: wenn man jetzt eine rationelle Invaliden¬<lb/> kasse gründete, so würden gerade die älteren Arbeiter, die die Versicherung einer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0314]
Abgehende Mitglieder erhalten keine Rückzahlung, worin ebenfalls eine Ein¬
nahmequelle für die Kasse liegt. Alles in Allem kann der Beitrag bis zu
9 Proz. des verdienten Lohnes steigen.
Die Einrichtung der Knappschaftskassen ist in Bezug auf die zu leistenden
Beiträge der Arbeiter offenbar irrationell. Bei richtiger Vertheilung der Lasten
müßten sich die Beiträge nach dem Eintritts alter der Mitglieder und des derzeitigen
Alters der Ehefrau, sowie der Kinder, endlich nach der Höhe des Lohnes rich¬
ten, sofern von diesem die Höhe der Kassenleistung abhängt, was meistens, aber
doch nicht allenthalben der Fall ist. Aber eine solche rationelle Skala der zu
leistenden Beiträge zu berechnen, ist, auch wenn man das Gesetz der Sterblich¬
keit und Invalidität genau kennt, mit außerordentlichen Schwierigkeiten ver¬
bunden. Nun ist aber über die Jnvaliditäts - Wahrscheinlichkeit der Bergleute
zur Zeit fast nichts bekannt, und dazu kommt, daß eine solche rationelle Ein¬
richtung der Knappschaftskassen, wie sie die Versicherungsanstalten haben und
haben müssen, die Verwaltung sehr kostspielig machen würde. Man darf also
über die bisweilen sehr hart beurtheilte irrationelle Einrichtung dieser Anstalten
nicht so ohne Weiteres den Stab brechen. Sie Hut insofern ihre große Be¬
rechtigung, als hier Personen desselben Berufes zur gegenseitigen Hilfeleistung
zusammentreten, und daher das sogenannte Prinzip der Kollegialität Platz
greifen darf, wonach der besser Gestellte für den Unbemittelteren, der Gesunde
für den Kranken, der Junge für den Alten einzustehen hat. Versicherungs¬
anstalten freilich, deren Versicherte nicht einen solchen Verband unter einander
haben können, dürfen auch dieses Prinzip nicht zur Anwendung bringen.
Wollte man eine allen in Deutschland wohnenden Arbeitern zugängliche
Invalidenkasse errichten und zwar eine reine Invalidenkasse ohne Hinzuziehung
des Krankengeldes, der Wittwenpension u. s. w., so würde man rationell ver¬
fahren und die Beiträge nicht blos nach dem Alter und der Höhe der begehr¬
ten Rente, sondern auch nach der Gefährlichkeit der Arbeit regeln müssen.
Allein wenn man auch den ernsten Willen hätte, eine solche, Allen zugängliche
rationelle Invalidenkasse zu gründen — sicher ein erstrebenswerthes Ziel —,
so würden sich dem zur Zeit wenigstens noch sehr erhebliche, fast unbesiegbare
Schwierigkeiten entgegenstellen. Außer den Gesetzen der Sterblichkeit, die man
jetzt ziemlich genau kennt, müßte man auch die Gesetze des Jnvalidwerdens für
die einzelnen Lebensalter und Berufszweige kennen, um die zu leistenden Bei¬
trüge berechnen zu können. Solche Beitragsskalen würden in den jüngeren
Altersjahren kleine Beiträge zeigen, in den mittleren und noch mehr in den
späteren Lebensjahren aber so hohe, daß sie für ältere Arbeiter fast unerschwing¬
lich sein dürften. Man sieht also: wenn man jetzt eine rationelle Invaliden¬
kasse gründete, so würden gerade die älteren Arbeiter, die die Versicherung einer
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