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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Dieser Gelehrte war Gottsched, damals 57jährig, der am 31. Oktober
1757 zum König befohlen war. Die Unterhaltung hatte übrigens vier Stunden
gewährt und war in der größten Hitze geführt wurden; sie hatten sich auch
gegenfeitig angesungen. Gottsched hatte bemerkt, die deutschen Dichter fänden
zu wenig Aufmunterung, weil der Adel und die Höfe zu viel Französisch
und zu wenig Deutsch verständen; darauf erwiederte Friedrich: "Das ist
wahr, denn ich habe von Jngend auf kein deutsch Buch gelesen, se ^s xarls
somnus no, soodsr; jetzt aber bin ich ein alter Kerl von 46 Jahren und habe
keine Zeit mehr dazu." -- "Weil er," berichtet Gottsched, "mir nun soviel
Regeln der Poesie gegeben hatte, die größtentheils vollkommen richtig waren,
so sagte ich beim Abschied: ,,^is ins og-ntsrai g. 1'g,vsuir 6'g,voir Äpxris Iss
loix Ah 1s, posZls an, 1sAi3ig,tsur as taut Ah psuxlss!" -- Im Allgemeinen
war es den Gelehrten, die der französischen Sprache mächtig waren, angenehmer,
sich in ihr mit den Fürsten zu unterhalten, denn es gab darin kein "Er".

"Gottsched," schreibt Lessing sehr ergrimmt an Kleist, "wird mit dem
Gesalbten unsers Gleim immer vertrauter. Es hat wieder französische Verse
gesetzt, nebst einer goldenen Tabatiere und einem Ring. Er hat die ganze
Unterredung mit dem König abdrucken lassen. Gott wolle nicht, daß Gottsched
unserm Gleim durch diese Bekanntschaft respektabler wird! Jetzt ist vielmehr
die rechte Zeit, neue und blutigere Satiren wider ihn zu machen als je."

Am 5. November schlug Friedrich die Franzosen bei Roßbach. Nichts
hat so stark dazu beigetragen, seinen Namen populär zu machen. Ganz Deutsch¬
land jubelte auf, als die preußischen Husaren mit den Putzsachen der zierlichen
Marquis das bekannte Possenspiel trieben. Der Zopf hatte über das Rokoko
gesiegt. Der Haß gegen die Franzosen war mehr und mehr gewachsen. In
der Berliner Akademie hielt Premontval eine Vorlesung über die Gallomanie
und nannte die Deutschen "un palpis <mi kalt oas An, msrits clss edosss se
ass Stoffs soliäss". Friedrich selbst machte ein Spottgedicht auf den Prinzen
Soubise. Am derbsten sprach sich Winckelmann in Rom aus: "Alle Fran¬
zosen hier," schreibt er an einen Freund, "sind lächerlich, und ich kann mich rühmen,
daß ich mit keinem von der verachtungswürdigsten Art zweibeiniger Kreaturen
Gemeinschaft habe. Solltest Du nach Paris gehn, so schreibe ich keine Zeile
an Dich .. Ich muß aber gestehn, daß fast alle Deutsche, die Hieher kommen,
französische Meerkätzchen sein wollen, und es gelingt ihnen nicht einmal, denn
man muß von Mutterleibe ein Narr sein. Ein Franzose ist ungeschickt, ein
großer Künstler, ein gründlicher Gelehrter zu werden, eine fremde Sprache zu
lernen, ein ehrlicher Mann zu sein."

Ein neuer Sieg des Königs, bei Leuthen, über die Oesterreicher, am
8. Dezember 1757, schien seine Stellung völlig zu sichern; freilich rückten die


Dieser Gelehrte war Gottsched, damals 57jährig, der am 31. Oktober
1757 zum König befohlen war. Die Unterhaltung hatte übrigens vier Stunden
gewährt und war in der größten Hitze geführt wurden; sie hatten sich auch
gegenfeitig angesungen. Gottsched hatte bemerkt, die deutschen Dichter fänden
zu wenig Aufmunterung, weil der Adel und die Höfe zu viel Französisch
und zu wenig Deutsch verständen; darauf erwiederte Friedrich: „Das ist
wahr, denn ich habe von Jngend auf kein deutsch Buch gelesen, se ^s xarls
somnus no, soodsr; jetzt aber bin ich ein alter Kerl von 46 Jahren und habe
keine Zeit mehr dazu." — „Weil er," berichtet Gottsched, „mir nun soviel
Regeln der Poesie gegeben hatte, die größtentheils vollkommen richtig waren,
so sagte ich beim Abschied: ,,^is ins og-ntsrai g. 1'g,vsuir 6'g,voir Äpxris Iss
loix Ah 1s, posZls an, 1sAi3ig,tsur as taut Ah psuxlss!" — Im Allgemeinen
war es den Gelehrten, die der französischen Sprache mächtig waren, angenehmer,
sich in ihr mit den Fürsten zu unterhalten, denn es gab darin kein „Er".

„Gottsched," schreibt Lessing sehr ergrimmt an Kleist, „wird mit dem
Gesalbten unsers Gleim immer vertrauter. Es hat wieder französische Verse
gesetzt, nebst einer goldenen Tabatiere und einem Ring. Er hat die ganze
Unterredung mit dem König abdrucken lassen. Gott wolle nicht, daß Gottsched
unserm Gleim durch diese Bekanntschaft respektabler wird! Jetzt ist vielmehr
die rechte Zeit, neue und blutigere Satiren wider ihn zu machen als je."

Am 5. November schlug Friedrich die Franzosen bei Roßbach. Nichts
hat so stark dazu beigetragen, seinen Namen populär zu machen. Ganz Deutsch¬
land jubelte auf, als die preußischen Husaren mit den Putzsachen der zierlichen
Marquis das bekannte Possenspiel trieben. Der Zopf hatte über das Rokoko
gesiegt. Der Haß gegen die Franzosen war mehr und mehr gewachsen. In
der Berliner Akademie hielt Premontval eine Vorlesung über die Gallomanie
und nannte die Deutschen „un palpis <mi kalt oas An, msrits clss edosss se
ass Stoffs soliäss". Friedrich selbst machte ein Spottgedicht auf den Prinzen
Soubise. Am derbsten sprach sich Winckelmann in Rom aus: „Alle Fran¬
zosen hier," schreibt er an einen Freund, „sind lächerlich, und ich kann mich rühmen,
daß ich mit keinem von der verachtungswürdigsten Art zweibeiniger Kreaturen
Gemeinschaft habe. Solltest Du nach Paris gehn, so schreibe ich keine Zeile
an Dich .. Ich muß aber gestehn, daß fast alle Deutsche, die Hieher kommen,
französische Meerkätzchen sein wollen, und es gelingt ihnen nicht einmal, denn
man muß von Mutterleibe ein Narr sein. Ein Franzose ist ungeschickt, ein
großer Künstler, ein gründlicher Gelehrter zu werden, eine fremde Sprache zu
lernen, ein ehrlicher Mann zu sein."

Ein neuer Sieg des Königs, bei Leuthen, über die Oesterreicher, am
8. Dezember 1757, schien seine Stellung völlig zu sichern; freilich rückten die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/260>, abgerufen am 27.09.2024.