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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Im Jahre 1479 trennten sich beide Genossen, wahrscheinlich weil sie neben
dem mehr und mehr aufblühenden berühmten Druck- und Verlagsgeschäfte der
Koberger nicht recht bestehen konnten, und verließen Nürnberg. Sensenschmidt
zog nach Bamberg und trat dort in eine andere Druckerei ein, Frisner aber
kehrte nach Leipzig zurück, wo seit dem Jahre zuvor, seit 1478, ein junger
Verwandter, wahrscheinlich ein Neffe von ihm, Erasmus Frisner, und Sensen-
schmidt's Sohn Lorenz studirten, wurde hier -- Professor der Theologie und
erhielt 1482 das Rektorat der Universität. Im Jahre 1491 ging er nach Rom,
wo ihn Papst Alexander VI. zum Primarius ordinarius des apostolischen
Stuhles ernannte, und wo er 1504 starb.

Woher stammt nun die Kunde, daß dieser gelehrte Theolog, der Rektor
der Leipziger Universität, Leipzig's erster Drucker gewesen? -- Frisner hinter¬
ließ 1504 in Rom ein Testament, worin er, außer anderen zahlreichen Legaten
an Geld, Büchern, Kleidern und Geräthschaften, auch seiner Vaterstadt ein
Kapital vermachte, dessen Zinsen denjenigen Nachkommen der Frisner'schen und
der mit ihr verschwägerten Pachelbel'schen Familie gereicht werden sollten,
welche studiren würden, außerdem einen großen Theil seiner Bücher, mit denen
er den Grund zu der im vorigen Jahrhundert durch eine Feuersbrunst zer¬
störten Stadtbibliothek von Wunsiedel legte. Seine Presse aber mit dem ge-
sammten Druckerzeug und zwanzig rheinischen Gulden bestimmte er dem
Dominikanerkloster in Leipzig, wofür ihm die Konventualen alljährlich Seelen¬
messen lesen sollten. In diesem Kloster war 1497 der oben erwähnte Ver¬
wandte von ihm, Erasmus Frisner, als Magister im Alter von 27 Jahren
gestorben. Das ist alles, was wir wissen.

Frisner's Testament, dessen Original lange Zeit in der Familie Pachelbel
aufbewahrt wurde, ist bereits 1677 in einer lateinisch geschriebenen Chronik
des Vogtlandes und speziell Wunsiedel's seinem ganzen Wortlaute nach ver¬
öffentlicht worden. Außer ihm gibt es über Frisner's Presse nirgends eine Nach¬
richt, und alles, was über seine Druckerei berichtet wird, kann nur auf dieses
Testament zurückgehen. Nun ist nirgends darin gesagt, daß Frisner die
Presse, von der er redet, bereits in Leipzig besessen habe, nirgends, daß er
1479, als er von Nürnberg nach Leipzig kam, sie mit dahin gebracht habe.
Diese Annahme ist nichts als eine Vermuthung, für die es an jedem Zeugniß
fehlt. Aber zugegeben, daß diese Vermuthung viel Wahrscheinliches hat, daß
es sehr nahe liegt, anzunehmen, daß Frisner bei der Auflösung des Sensen-
schmidt'schen Geschäftes in Nürnberg eine der vorhandenen Pressen übernommen
und mit nach Leipzig gebracht habe, daß er sie vielleicht sogar 1491, als er nach
Rom ging, oder auch früher schon den Leipziger Dominikanern leihweise über¬
lassen und eben deshalb später testamentarisch vermacht habe -- ans der


Im Jahre 1479 trennten sich beide Genossen, wahrscheinlich weil sie neben
dem mehr und mehr aufblühenden berühmten Druck- und Verlagsgeschäfte der
Koberger nicht recht bestehen konnten, und verließen Nürnberg. Sensenschmidt
zog nach Bamberg und trat dort in eine andere Druckerei ein, Frisner aber
kehrte nach Leipzig zurück, wo seit dem Jahre zuvor, seit 1478, ein junger
Verwandter, wahrscheinlich ein Neffe von ihm, Erasmus Frisner, und Sensen-
schmidt's Sohn Lorenz studirten, wurde hier — Professor der Theologie und
erhielt 1482 das Rektorat der Universität. Im Jahre 1491 ging er nach Rom,
wo ihn Papst Alexander VI. zum Primarius ordinarius des apostolischen
Stuhles ernannte, und wo er 1504 starb.

Woher stammt nun die Kunde, daß dieser gelehrte Theolog, der Rektor
der Leipziger Universität, Leipzig's erster Drucker gewesen? — Frisner hinter¬
ließ 1504 in Rom ein Testament, worin er, außer anderen zahlreichen Legaten
an Geld, Büchern, Kleidern und Geräthschaften, auch seiner Vaterstadt ein
Kapital vermachte, dessen Zinsen denjenigen Nachkommen der Frisner'schen und
der mit ihr verschwägerten Pachelbel'schen Familie gereicht werden sollten,
welche studiren würden, außerdem einen großen Theil seiner Bücher, mit denen
er den Grund zu der im vorigen Jahrhundert durch eine Feuersbrunst zer¬
störten Stadtbibliothek von Wunsiedel legte. Seine Presse aber mit dem ge-
sammten Druckerzeug und zwanzig rheinischen Gulden bestimmte er dem
Dominikanerkloster in Leipzig, wofür ihm die Konventualen alljährlich Seelen¬
messen lesen sollten. In diesem Kloster war 1497 der oben erwähnte Ver¬
wandte von ihm, Erasmus Frisner, als Magister im Alter von 27 Jahren
gestorben. Das ist alles, was wir wissen.

Frisner's Testament, dessen Original lange Zeit in der Familie Pachelbel
aufbewahrt wurde, ist bereits 1677 in einer lateinisch geschriebenen Chronik
des Vogtlandes und speziell Wunsiedel's seinem ganzen Wortlaute nach ver¬
öffentlicht worden. Außer ihm gibt es über Frisner's Presse nirgends eine Nach¬
richt, und alles, was über seine Druckerei berichtet wird, kann nur auf dieses
Testament zurückgehen. Nun ist nirgends darin gesagt, daß Frisner die
Presse, von der er redet, bereits in Leipzig besessen habe, nirgends, daß er
1479, als er von Nürnberg nach Leipzig kam, sie mit dahin gebracht habe.
Diese Annahme ist nichts als eine Vermuthung, für die es an jedem Zeugniß
fehlt. Aber zugegeben, daß diese Vermuthung viel Wahrscheinliches hat, daß
es sehr nahe liegt, anzunehmen, daß Frisner bei der Auflösung des Sensen-
schmidt'schen Geschäftes in Nürnberg eine der vorhandenen Pressen übernommen
und mit nach Leipzig gebracht habe, daß er sie vielleicht sogar 1491, als er nach
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lassen und eben deshalb später testamentarisch vermacht habe — ans der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/251>, abgerufen am 27.09.2024.