Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

der entschiedenste Anhänger des österreichischen Bündnisses, nach Wien (4. Jan.).
Er sollte zunächst den Beitritt Preußen's zur österreichischen Friedensvermitte¬
lung ankündigen, für den Fall, daß sie mißlinge, den engen Anschluß beider
Mächte vorschlagen, war ein solcher für jetzt nicht durchzusetzen, die positive
Erklärung fordern, welche Haltung Oesterreich einem -- vielleicht bald nöthi¬
gen -- Bündnisse Preußen's mit Rußland gegenüber zu beobachten gedenke.
Als Ziele des Krieges hatte er die Erlangung der Rheingrenze, die Auflösung
des Rheinbundes, die militärische Hoheit Preußen's über den Norden, die
Oesterreich's über den Süden Deutschland's zu bezeichnen. Von der territo¬
rialen Neugestaltung Preußen's war keine Rede, eine Unklarheit, die auch durch
die späteren Verhandlungen hindurchgeht und sich bitter gerächt hat.

Hatte man in Berlin wirklich ein Recht, so unbedingt auf Oesterreich zu
zählen, wie Knesebeck es für rathsam hielt? Man schien fast vergessen zu haben,
daß in der Hofburg der alte Groll gegen den nordischen Nebenbuhler noch
keineswegs verschwunden war, daß Metternich zwar ein lebensfähiges, keines¬
wegs aber ein ebenbürtiges Preußen wünschte. Meisterhaft war Metternich's
Spiel; aber diejenigen irrten, die etwas anderes darin sahen, als eine spezifisch
österreichische Politik. Schon am 9. Dezember hatte er seinen Gesandten Floret
in Wilna angewiesen, bei dem Herzoge v. Bassano die Vermittelung Oester¬
reich's zur Herstellung des allgemeinen Friedens anzubieten, und General Bubna,
der dann die kaiserliche Antwort auf den Dresdener Brief Napoleon's nach
Paris überbrachte, hatte denselben Auftrag erhalten. Kein Zweifel, daß es
Metternich mit dieser Vermittelung zunächst Ernst war. Seine ganze Natur
war nichts weniger als kriegerisch, stets vermittelnd, "kalmirend"; und ihm wie
Kaiser Franz I. galt jede Erregung der Völker als "jakobinisch". Aber er
sicherte durch sein Auftreten seinem Staate auf jeden Fall eine hervorragende
Geltung. Denn so gewiß er für jetzt die diplomatische Leitung in die Hand
nahm, so gewiß mußte seinem Oesterreich auch die Oberleitung des Krieges,
wenn er doch ausbrach, zufallen. Trat es im rechten Augenblicke gerüstet
zwischen die Streitenden, so entschied sein Beitritt zu der einen oder andern
der kümpfenden Parteien den Krieg, und jede mußte deshalb bereit sein, ihn
durch die Unterwerfung unter Oesterreich's Leitung zu erkaufen. So hat Met¬
ternich die entscheidende Rolle vorbereitet, die Oesterreich seit dem Juni 1813
gespielt hat. Daß die Schlacht bei Leipzig ein österreichischer Feldherr kom-
mandirte, daß der Kongreß, der Europa neu gestaltete, in Wien sich versam¬
melte, war sein Werk. Und was er aus Paris erfuhr, das mußte ihm aller¬
dings beweisen, daß der Weltkrieg, nicht der Weltfrieden komme. Denn von
ungeheuren Rüstungen hatte Napoleon zu Bubna gesprochen (31. Dezember);
nicht ein Dorf wollte er abtreten, weder vom Empire noch vom Herzogthum


Grenzboten II. 1879. 28

der entschiedenste Anhänger des österreichischen Bündnisses, nach Wien (4. Jan.).
Er sollte zunächst den Beitritt Preußen's zur österreichischen Friedensvermitte¬
lung ankündigen, für den Fall, daß sie mißlinge, den engen Anschluß beider
Mächte vorschlagen, war ein solcher für jetzt nicht durchzusetzen, die positive
Erklärung fordern, welche Haltung Oesterreich einem — vielleicht bald nöthi¬
gen — Bündnisse Preußen's mit Rußland gegenüber zu beobachten gedenke.
Als Ziele des Krieges hatte er die Erlangung der Rheingrenze, die Auflösung
des Rheinbundes, die militärische Hoheit Preußen's über den Norden, die
Oesterreich's über den Süden Deutschland's zu bezeichnen. Von der territo¬
rialen Neugestaltung Preußen's war keine Rede, eine Unklarheit, die auch durch
die späteren Verhandlungen hindurchgeht und sich bitter gerächt hat.

Hatte man in Berlin wirklich ein Recht, so unbedingt auf Oesterreich zu
zählen, wie Knesebeck es für rathsam hielt? Man schien fast vergessen zu haben,
daß in der Hofburg der alte Groll gegen den nordischen Nebenbuhler noch
keineswegs verschwunden war, daß Metternich zwar ein lebensfähiges, keines¬
wegs aber ein ebenbürtiges Preußen wünschte. Meisterhaft war Metternich's
Spiel; aber diejenigen irrten, die etwas anderes darin sahen, als eine spezifisch
österreichische Politik. Schon am 9. Dezember hatte er seinen Gesandten Floret
in Wilna angewiesen, bei dem Herzoge v. Bassano die Vermittelung Oester¬
reich's zur Herstellung des allgemeinen Friedens anzubieten, und General Bubna,
der dann die kaiserliche Antwort auf den Dresdener Brief Napoleon's nach
Paris überbrachte, hatte denselben Auftrag erhalten. Kein Zweifel, daß es
Metternich mit dieser Vermittelung zunächst Ernst war. Seine ganze Natur
war nichts weniger als kriegerisch, stets vermittelnd, „kalmirend"; und ihm wie
Kaiser Franz I. galt jede Erregung der Völker als „jakobinisch". Aber er
sicherte durch sein Auftreten seinem Staate auf jeden Fall eine hervorragende
Geltung. Denn so gewiß er für jetzt die diplomatische Leitung in die Hand
nahm, so gewiß mußte seinem Oesterreich auch die Oberleitung des Krieges,
wenn er doch ausbrach, zufallen. Trat es im rechten Augenblicke gerüstet
zwischen die Streitenden, so entschied sein Beitritt zu der einen oder andern
der kümpfenden Parteien den Krieg, und jede mußte deshalb bereit sein, ihn
durch die Unterwerfung unter Oesterreich's Leitung zu erkaufen. So hat Met¬
ternich die entscheidende Rolle vorbereitet, die Oesterreich seit dem Juni 1813
gespielt hat. Daß die Schlacht bei Leipzig ein österreichischer Feldherr kom-
mandirte, daß der Kongreß, der Europa neu gestaltete, in Wien sich versam¬
melte, war sein Werk. Und was er aus Paris erfuhr, das mußte ihm aller¬
dings beweisen, daß der Weltkrieg, nicht der Weltfrieden komme. Denn von
ungeheuren Rüstungen hatte Napoleon zu Bubna gesprochen (31. Dezember);
nicht ein Dorf wollte er abtreten, weder vom Empire noch vom Herzogthum


Grenzboten II. 1879. 28
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142172"/>
          <p xml:id="ID_606" prev="#ID_605"> der entschiedenste Anhänger des österreichischen Bündnisses, nach Wien (4. Jan.).<lb/>
Er sollte zunächst den Beitritt Preußen's zur österreichischen Friedensvermitte¬<lb/>
lung ankündigen, für den Fall, daß sie mißlinge, den engen Anschluß beider<lb/>
Mächte vorschlagen, war ein solcher für jetzt nicht durchzusetzen, die positive<lb/>
Erklärung fordern, welche Haltung Oesterreich einem &#x2014; vielleicht bald nöthi¬<lb/>
gen &#x2014; Bündnisse Preußen's mit Rußland gegenüber zu beobachten gedenke.<lb/>
Als Ziele des Krieges hatte er die Erlangung der Rheingrenze, die Auflösung<lb/>
des Rheinbundes, die militärische Hoheit Preußen's über den Norden, die<lb/>
Oesterreich's über den Süden Deutschland's zu bezeichnen. Von der territo¬<lb/>
rialen Neugestaltung Preußen's war keine Rede, eine Unklarheit, die auch durch<lb/>
die späteren Verhandlungen hindurchgeht und sich bitter gerächt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_607" next="#ID_608"> Hatte man in Berlin wirklich ein Recht, so unbedingt auf Oesterreich zu<lb/>
zählen, wie Knesebeck es für rathsam hielt? Man schien fast vergessen zu haben,<lb/>
daß in der Hofburg der alte Groll gegen den nordischen Nebenbuhler noch<lb/>
keineswegs verschwunden war, daß Metternich zwar ein lebensfähiges, keines¬<lb/>
wegs aber ein ebenbürtiges Preußen wünschte. Meisterhaft war Metternich's<lb/>
Spiel; aber diejenigen irrten, die etwas anderes darin sahen, als eine spezifisch<lb/>
österreichische Politik. Schon am 9. Dezember hatte er seinen Gesandten Floret<lb/>
in Wilna angewiesen, bei dem Herzoge v. Bassano die Vermittelung Oester¬<lb/>
reich's zur Herstellung des allgemeinen Friedens anzubieten, und General Bubna,<lb/>
der dann die kaiserliche Antwort auf den Dresdener Brief Napoleon's nach<lb/>
Paris überbrachte, hatte denselben Auftrag erhalten. Kein Zweifel, daß es<lb/>
Metternich mit dieser Vermittelung zunächst Ernst war. Seine ganze Natur<lb/>
war nichts weniger als kriegerisch, stets vermittelnd, &#x201E;kalmirend"; und ihm wie<lb/>
Kaiser Franz I. galt jede Erregung der Völker als &#x201E;jakobinisch". Aber er<lb/>
sicherte durch sein Auftreten seinem Staate auf jeden Fall eine hervorragende<lb/>
Geltung. Denn so gewiß er für jetzt die diplomatische Leitung in die Hand<lb/>
nahm, so gewiß mußte seinem Oesterreich auch die Oberleitung des Krieges,<lb/>
wenn er doch ausbrach, zufallen. Trat es im rechten Augenblicke gerüstet<lb/>
zwischen die Streitenden, so entschied sein Beitritt zu der einen oder andern<lb/>
der kümpfenden Parteien den Krieg, und jede mußte deshalb bereit sein, ihn<lb/>
durch die Unterwerfung unter Oesterreich's Leitung zu erkaufen. So hat Met¬<lb/>
ternich die entscheidende Rolle vorbereitet, die Oesterreich seit dem Juni 1813<lb/>
gespielt hat. Daß die Schlacht bei Leipzig ein österreichischer Feldherr kom-<lb/>
mandirte, daß der Kongreß, der Europa neu gestaltete, in Wien sich versam¬<lb/>
melte, war sein Werk. Und was er aus Paris erfuhr, das mußte ihm aller¬<lb/>
dings beweisen, daß der Weltkrieg, nicht der Weltfrieden komme. Denn von<lb/>
ungeheuren Rüstungen hatte Napoleon zu Bubna gesprochen (31. Dezember);<lb/>
nicht ein Dorf wollte er abtreten, weder vom Empire noch vom Herzogthum</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1879. 28</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217] der entschiedenste Anhänger des österreichischen Bündnisses, nach Wien (4. Jan.). Er sollte zunächst den Beitritt Preußen's zur österreichischen Friedensvermitte¬ lung ankündigen, für den Fall, daß sie mißlinge, den engen Anschluß beider Mächte vorschlagen, war ein solcher für jetzt nicht durchzusetzen, die positive Erklärung fordern, welche Haltung Oesterreich einem — vielleicht bald nöthi¬ gen — Bündnisse Preußen's mit Rußland gegenüber zu beobachten gedenke. Als Ziele des Krieges hatte er die Erlangung der Rheingrenze, die Auflösung des Rheinbundes, die militärische Hoheit Preußen's über den Norden, die Oesterreich's über den Süden Deutschland's zu bezeichnen. Von der territo¬ rialen Neugestaltung Preußen's war keine Rede, eine Unklarheit, die auch durch die späteren Verhandlungen hindurchgeht und sich bitter gerächt hat. Hatte man in Berlin wirklich ein Recht, so unbedingt auf Oesterreich zu zählen, wie Knesebeck es für rathsam hielt? Man schien fast vergessen zu haben, daß in der Hofburg der alte Groll gegen den nordischen Nebenbuhler noch keineswegs verschwunden war, daß Metternich zwar ein lebensfähiges, keines¬ wegs aber ein ebenbürtiges Preußen wünschte. Meisterhaft war Metternich's Spiel; aber diejenigen irrten, die etwas anderes darin sahen, als eine spezifisch österreichische Politik. Schon am 9. Dezember hatte er seinen Gesandten Floret in Wilna angewiesen, bei dem Herzoge v. Bassano die Vermittelung Oester¬ reich's zur Herstellung des allgemeinen Friedens anzubieten, und General Bubna, der dann die kaiserliche Antwort auf den Dresdener Brief Napoleon's nach Paris überbrachte, hatte denselben Auftrag erhalten. Kein Zweifel, daß es Metternich mit dieser Vermittelung zunächst Ernst war. Seine ganze Natur war nichts weniger als kriegerisch, stets vermittelnd, „kalmirend"; und ihm wie Kaiser Franz I. galt jede Erregung der Völker als „jakobinisch". Aber er sicherte durch sein Auftreten seinem Staate auf jeden Fall eine hervorragende Geltung. Denn so gewiß er für jetzt die diplomatische Leitung in die Hand nahm, so gewiß mußte seinem Oesterreich auch die Oberleitung des Krieges, wenn er doch ausbrach, zufallen. Trat es im rechten Augenblicke gerüstet zwischen die Streitenden, so entschied sein Beitritt zu der einen oder andern der kümpfenden Parteien den Krieg, und jede mußte deshalb bereit sein, ihn durch die Unterwerfung unter Oesterreich's Leitung zu erkaufen. So hat Met¬ ternich die entscheidende Rolle vorbereitet, die Oesterreich seit dem Juni 1813 gespielt hat. Daß die Schlacht bei Leipzig ein österreichischer Feldherr kom- mandirte, daß der Kongreß, der Europa neu gestaltete, in Wien sich versam¬ melte, war sein Werk. Und was er aus Paris erfuhr, das mußte ihm aller¬ dings beweisen, daß der Weltkrieg, nicht der Weltfrieden komme. Denn von ungeheuren Rüstungen hatte Napoleon zu Bubna gesprochen (31. Dezember); nicht ein Dorf wollte er abtreten, weder vom Empire noch vom Herzogthum Grenzboten II. 1879. 28

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/217
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/217>, abgerufen am 28.09.2024.