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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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es bedürfte einer gewissen Energie und vollen Ernstes, um in diese Werke sich
hineinzuarbeiten. Erst nachdem die Aelteren, welche in diese neue, epoche¬
machende Lehre sich nicht mehr finden konnten, meist dahingegangen sind, und
eine jüngere Generation zur Herrschaft gelaugt ist, sind diese Werke zu den
verdienten Ehren gekommen. Heutzutage sind die von Bötticher und Semper
zuerst vorgetragenen, grundlegenden Lehrsätze, durch viele andere gelehrte Hände
bearbeitet und einem größeren Publikum mundgerecht gemacht, durch verständige
Künstler praktisch in die Kunst eingeführt, zum Gemeingut aller Gebildeten
unserer Nation geworden. Trotzdem kann Niemand, der auf den Gebieten der
Kunst und Kunst-Industrie das Recht haben will mitzusprechen, des Studiums
der Originalwerke entbehren. Bötticher's nur die ewig mustergiltige Baukunst
der alten Griechen behandelndes Werk ist schon vor Jahren in zweiter Auf¬
lage erschienen. Semper's ganz allgemein gehaltenes, die Grundzüge aller
Kunstbildung in allen Einzelheiten darlegendes Werk war, obgleich noch
nicht vollendet, seit einiger Zeit im Buchhandel vergriffen. Der hochbetagte
Verfasser, durch mehrere größere Bauansführungen beschäftigt, war leider ver¬
hindert, den dritten Band abzuschließen und zu publiziren. Da er jedoch
seine Grundsätze nicht geändert hat, hat die Verlagsbuchhandlung, dem vor¬
handenen Bedürfnisse entsprechend, sich entschlossen, die ersten beiden Bände
des Werkes, welche ja in sich ein abgeschlossenes Ganzes bilden, allein in zweiter
verbesserter Auflage herauszugeben. Der Sohn des Verfassers, Dr. Hans
Semper, Dozent der Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck, hat es über¬
nommen, diese neue Auflage zu redigiren, d. h. den Text mit Rücksicht auf
einige neuere Resultate der kunstgeschichtlichen Forschung zu berichtigen.*) Sie
erscheint in einzelnen Heften von trefflichster Druckausstattuug (Druck von
Kröner in Stuttgart), mit vielen erläuternden Holzschnitten und Farbendrucken
ausgestattet und ist bereits bis zum zweiten Bande vorgeschritten. Hoffentlich
ist die Aussicht auf den sehnlichst erwarteten dritten Band nicht ganz abge¬
R. B. schnitten.


Wegweiser für Reisende von Th. Trautwein. Südbciiern, Tirol und Salz¬
burg und die angrenzenden Theile von Ober - Oesterreich, Steiermark, Kärnten und
Ober-Italien. 6. vermehrte Auslage. München, Liudcmer, 1879.

Der Winter liegt wieder einmal hinter uns, und sein Kunst- und künst¬
liches Leben ebbt zurück. Die Musikanten haben nach dem letzten Kouzert ihre
Geigen und Flöten eingepackt; im Theater will es uns schwül werden, und



*) Doch ist dieses nicht durchgreifend geschehen. So hat Referent z. B, das Bd. I,
Seite S92 als "protodorisches" Säulenkapitäl bezeichnete ägyptische Bauglied schon vor
sechzehn Jahren (in Gerhard's Archäologischem Anzeiger 1363, Seite 115) als Basis einer
ägyptischen Säule nachgewiesen.

es bedürfte einer gewissen Energie und vollen Ernstes, um in diese Werke sich
hineinzuarbeiten. Erst nachdem die Aelteren, welche in diese neue, epoche¬
machende Lehre sich nicht mehr finden konnten, meist dahingegangen sind, und
eine jüngere Generation zur Herrschaft gelaugt ist, sind diese Werke zu den
verdienten Ehren gekommen. Heutzutage sind die von Bötticher und Semper
zuerst vorgetragenen, grundlegenden Lehrsätze, durch viele andere gelehrte Hände
bearbeitet und einem größeren Publikum mundgerecht gemacht, durch verständige
Künstler praktisch in die Kunst eingeführt, zum Gemeingut aller Gebildeten
unserer Nation geworden. Trotzdem kann Niemand, der auf den Gebieten der
Kunst und Kunst-Industrie das Recht haben will mitzusprechen, des Studiums
der Originalwerke entbehren. Bötticher's nur die ewig mustergiltige Baukunst
der alten Griechen behandelndes Werk ist schon vor Jahren in zweiter Auf¬
lage erschienen. Semper's ganz allgemein gehaltenes, die Grundzüge aller
Kunstbildung in allen Einzelheiten darlegendes Werk war, obgleich noch
nicht vollendet, seit einiger Zeit im Buchhandel vergriffen. Der hochbetagte
Verfasser, durch mehrere größere Bauansführungen beschäftigt, war leider ver¬
hindert, den dritten Band abzuschließen und zu publiziren. Da er jedoch
seine Grundsätze nicht geändert hat, hat die Verlagsbuchhandlung, dem vor¬
handenen Bedürfnisse entsprechend, sich entschlossen, die ersten beiden Bände
des Werkes, welche ja in sich ein abgeschlossenes Ganzes bilden, allein in zweiter
verbesserter Auflage herauszugeben. Der Sohn des Verfassers, Dr. Hans
Semper, Dozent der Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck, hat es über¬
nommen, diese neue Auflage zu redigiren, d. h. den Text mit Rücksicht auf
einige neuere Resultate der kunstgeschichtlichen Forschung zu berichtigen.*) Sie
erscheint in einzelnen Heften von trefflichster Druckausstattuug (Druck von
Kröner in Stuttgart), mit vielen erläuternden Holzschnitten und Farbendrucken
ausgestattet und ist bereits bis zum zweiten Bande vorgeschritten. Hoffentlich
ist die Aussicht auf den sehnlichst erwarteten dritten Band nicht ganz abge¬
R. B. schnitten.


Wegweiser für Reisende von Th. Trautwein. Südbciiern, Tirol und Salz¬
burg und die angrenzenden Theile von Ober - Oesterreich, Steiermark, Kärnten und
Ober-Italien. 6. vermehrte Auslage. München, Liudcmer, 1879.

Der Winter liegt wieder einmal hinter uns, und sein Kunst- und künst¬
liches Leben ebbt zurück. Die Musikanten haben nach dem letzten Kouzert ihre
Geigen und Flöten eingepackt; im Theater will es uns schwül werden, und



*) Doch ist dieses nicht durchgreifend geschehen. So hat Referent z. B, das Bd. I,
Seite S92 als „protodorisches" Säulenkapitäl bezeichnete ägyptische Bauglied schon vor
sechzehn Jahren (in Gerhard's Archäologischem Anzeiger 1363, Seite 115) als Basis einer
ägyptischen Säule nachgewiesen.
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[0206] es bedürfte einer gewissen Energie und vollen Ernstes, um in diese Werke sich hineinzuarbeiten. Erst nachdem die Aelteren, welche in diese neue, epoche¬ machende Lehre sich nicht mehr finden konnten, meist dahingegangen sind, und eine jüngere Generation zur Herrschaft gelaugt ist, sind diese Werke zu den verdienten Ehren gekommen. Heutzutage sind die von Bötticher und Semper zuerst vorgetragenen, grundlegenden Lehrsätze, durch viele andere gelehrte Hände bearbeitet und einem größeren Publikum mundgerecht gemacht, durch verständige Künstler praktisch in die Kunst eingeführt, zum Gemeingut aller Gebildeten unserer Nation geworden. Trotzdem kann Niemand, der auf den Gebieten der Kunst und Kunst-Industrie das Recht haben will mitzusprechen, des Studiums der Originalwerke entbehren. Bötticher's nur die ewig mustergiltige Baukunst der alten Griechen behandelndes Werk ist schon vor Jahren in zweiter Auf¬ lage erschienen. Semper's ganz allgemein gehaltenes, die Grundzüge aller Kunstbildung in allen Einzelheiten darlegendes Werk war, obgleich noch nicht vollendet, seit einiger Zeit im Buchhandel vergriffen. Der hochbetagte Verfasser, durch mehrere größere Bauansführungen beschäftigt, war leider ver¬ hindert, den dritten Band abzuschließen und zu publiziren. Da er jedoch seine Grundsätze nicht geändert hat, hat die Verlagsbuchhandlung, dem vor¬ handenen Bedürfnisse entsprechend, sich entschlossen, die ersten beiden Bände des Werkes, welche ja in sich ein abgeschlossenes Ganzes bilden, allein in zweiter verbesserter Auflage herauszugeben. Der Sohn des Verfassers, Dr. Hans Semper, Dozent der Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck, hat es über¬ nommen, diese neue Auflage zu redigiren, d. h. den Text mit Rücksicht auf einige neuere Resultate der kunstgeschichtlichen Forschung zu berichtigen.*) Sie erscheint in einzelnen Heften von trefflichster Druckausstattuug (Druck von Kröner in Stuttgart), mit vielen erläuternden Holzschnitten und Farbendrucken ausgestattet und ist bereits bis zum zweiten Bande vorgeschritten. Hoffentlich ist die Aussicht auf den sehnlichst erwarteten dritten Band nicht ganz abge¬ R. B. schnitten. Wegweiser für Reisende von Th. Trautwein. Südbciiern, Tirol und Salz¬ burg und die angrenzenden Theile von Ober - Oesterreich, Steiermark, Kärnten und Ober-Italien. 6. vermehrte Auslage. München, Liudcmer, 1879. Der Winter liegt wieder einmal hinter uns, und sein Kunst- und künst¬ liches Leben ebbt zurück. Die Musikanten haben nach dem letzten Kouzert ihre Geigen und Flöten eingepackt; im Theater will es uns schwül werden, und *) Doch ist dieses nicht durchgreifend geschehen. So hat Referent z. B, das Bd. I, Seite S92 als „protodorisches" Säulenkapitäl bezeichnete ägyptische Bauglied schon vor sechzehn Jahren (in Gerhard's Archäologischem Anzeiger 1363, Seite 115) als Basis einer ägyptischen Säule nachgewiesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/206>, abgerufen am 27.12.2024.