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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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geworden. Die Ueberfüllung des deutschen Marktes mit unverkäuflichen aus¬
ländischen Ueberschüssen ist das eigentliche Leiden unserer Landwirthschaft.
Nicht darauf kommt es an, die Preise des Getreides höher zu schrauben,
sondern darauf, für das inländische Produkt einen Abnehmer zu finden, welcher
wenigstens so viel zahlt, daß das Produziren überhaupt noch lohnt. Ist im
Inlande ein sicherer Absatzmarkt vorhanden, so wird es an inländischen Pro¬
dukten nicht fehlen, selbst wenn die Preise, absolut betrachtet, noch unter die
jetzigen geringen heruntergehen sollten. Die relative Preiserhöhung, welche
in der Erweiterung des gesicherten Absatzes liegt, wird immer die Hauptsache
bleiben.

Wir sind in der That gespannt, welche Antwort man auf diese Ausfüh¬
rung haben wird, nämlich, wenn die Antwort sich nicht schämen muß, vor die
Ohren denkender Menschen gebracht zu werden.

Aehnlich schlagend ist die Ausführung zu Gunsten der Holzzölle. Es
handelt sich ganz einfach um die Aufrechthaltung einer deutschen Forstwirth¬
schaft. Kann dieselbe nicht aufrecht erhalten werden durch die Erträge der
Forsten, so muß sie aufrecht erhalten werden durch Beiträge der Steuerzahler,
oder der deutsche Wald muß zu Grunde gehen. Das Letztere bedeutet die
Unbewohnbarkeit des deutschen Bodens für ein selbständiges Volk. Gegen die
gewaltige Sprache dieses Argumentes verschwindet fast das andere, daß die
große Masse der Bewohner des deutschen Waldgebietes von rund 2500 Quadrat-
Meilen, welche an das Gedeihen der Forstwirthschaft gekettet find, denn doch
eine größere Zahl repräsentirt als die sämmtlichen Interessenten am Handel
mit fremdem Holz.

Auch bei dem deutschen Viehbestand zeigt sich seit der Ermäßigung resp.
Aufhebung der Viehzölle ein wesentlicher Rückgang. Der Einwand, daß mit
den jetzt vorgeschlagenen Zöllen nothwendige Lebensmittel der ärmeren Klassen
besteuert würden, ist hinfällig, weil auf Kühe, Jungvieh und Schafe ein ganz
niedriger Satz beantragt wird, bei den Schweinen von einer nennenswerthen
Erhöhung der bisherigen Sätze abgesehen worden, und weil Ochsenfleisch nur
ausnahmsweise von den unbemittelten Volksklassen verzehrt wird. Auch bei
der Viehzucht arbeitet das konkurrirende Ausland unter so viel günstigeren
Boden-, Abgaben- und Arbeiterverhältnissen, daß eine ungehemmte Konkurrenz
den Fortbestand der deutschen Viehzucht ausschließt.

Wir verzichten auf die auszügliche Begründung der Sätze für die Industrie-
Artikel, desgleichen der Finanzzölle. Wenn die in den Motiven gegebene Be¬
gründung nicht bei jedem Artikel von demselben, den Widerspruch zermalmen¬
den Gewicht ist, wie bei den zumeist angefochtenen Getreide-, Holz- und Vieh¬
zöllen, so ist sie doch überall beachtenswert!) und von hohem Interesse.


geworden. Die Ueberfüllung des deutschen Marktes mit unverkäuflichen aus¬
ländischen Ueberschüssen ist das eigentliche Leiden unserer Landwirthschaft.
Nicht darauf kommt es an, die Preise des Getreides höher zu schrauben,
sondern darauf, für das inländische Produkt einen Abnehmer zu finden, welcher
wenigstens so viel zahlt, daß das Produziren überhaupt noch lohnt. Ist im
Inlande ein sicherer Absatzmarkt vorhanden, so wird es an inländischen Pro¬
dukten nicht fehlen, selbst wenn die Preise, absolut betrachtet, noch unter die
jetzigen geringen heruntergehen sollten. Die relative Preiserhöhung, welche
in der Erweiterung des gesicherten Absatzes liegt, wird immer die Hauptsache
bleiben.

Wir sind in der That gespannt, welche Antwort man auf diese Ausfüh¬
rung haben wird, nämlich, wenn die Antwort sich nicht schämen muß, vor die
Ohren denkender Menschen gebracht zu werden.

Aehnlich schlagend ist die Ausführung zu Gunsten der Holzzölle. Es
handelt sich ganz einfach um die Aufrechthaltung einer deutschen Forstwirth¬
schaft. Kann dieselbe nicht aufrecht erhalten werden durch die Erträge der
Forsten, so muß sie aufrecht erhalten werden durch Beiträge der Steuerzahler,
oder der deutsche Wald muß zu Grunde gehen. Das Letztere bedeutet die
Unbewohnbarkeit des deutschen Bodens für ein selbständiges Volk. Gegen die
gewaltige Sprache dieses Argumentes verschwindet fast das andere, daß die
große Masse der Bewohner des deutschen Waldgebietes von rund 2500 Quadrat-
Meilen, welche an das Gedeihen der Forstwirthschaft gekettet find, denn doch
eine größere Zahl repräsentirt als die sämmtlichen Interessenten am Handel
mit fremdem Holz.

Auch bei dem deutschen Viehbestand zeigt sich seit der Ermäßigung resp.
Aufhebung der Viehzölle ein wesentlicher Rückgang. Der Einwand, daß mit
den jetzt vorgeschlagenen Zöllen nothwendige Lebensmittel der ärmeren Klassen
besteuert würden, ist hinfällig, weil auf Kühe, Jungvieh und Schafe ein ganz
niedriger Satz beantragt wird, bei den Schweinen von einer nennenswerthen
Erhöhung der bisherigen Sätze abgesehen worden, und weil Ochsenfleisch nur
ausnahmsweise von den unbemittelten Volksklassen verzehrt wird. Auch bei
der Viehzucht arbeitet das konkurrirende Ausland unter so viel günstigeren
Boden-, Abgaben- und Arbeiterverhältnissen, daß eine ungehemmte Konkurrenz
den Fortbestand der deutschen Viehzucht ausschließt.

Wir verzichten auf die auszügliche Begründung der Sätze für die Industrie-
Artikel, desgleichen der Finanzzölle. Wenn die in den Motiven gegebene Be¬
gründung nicht bei jedem Artikel von demselben, den Widerspruch zermalmen¬
den Gewicht ist, wie bei den zumeist angefochtenen Getreide-, Holz- und Vieh¬
zöllen, so ist sie doch überall beachtenswert!) und von hohem Interesse.


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[0167] geworden. Die Ueberfüllung des deutschen Marktes mit unverkäuflichen aus¬ ländischen Ueberschüssen ist das eigentliche Leiden unserer Landwirthschaft. Nicht darauf kommt es an, die Preise des Getreides höher zu schrauben, sondern darauf, für das inländische Produkt einen Abnehmer zu finden, welcher wenigstens so viel zahlt, daß das Produziren überhaupt noch lohnt. Ist im Inlande ein sicherer Absatzmarkt vorhanden, so wird es an inländischen Pro¬ dukten nicht fehlen, selbst wenn die Preise, absolut betrachtet, noch unter die jetzigen geringen heruntergehen sollten. Die relative Preiserhöhung, welche in der Erweiterung des gesicherten Absatzes liegt, wird immer die Hauptsache bleiben. Wir sind in der That gespannt, welche Antwort man auf diese Ausfüh¬ rung haben wird, nämlich, wenn die Antwort sich nicht schämen muß, vor die Ohren denkender Menschen gebracht zu werden. Aehnlich schlagend ist die Ausführung zu Gunsten der Holzzölle. Es handelt sich ganz einfach um die Aufrechthaltung einer deutschen Forstwirth¬ schaft. Kann dieselbe nicht aufrecht erhalten werden durch die Erträge der Forsten, so muß sie aufrecht erhalten werden durch Beiträge der Steuerzahler, oder der deutsche Wald muß zu Grunde gehen. Das Letztere bedeutet die Unbewohnbarkeit des deutschen Bodens für ein selbständiges Volk. Gegen die gewaltige Sprache dieses Argumentes verschwindet fast das andere, daß die große Masse der Bewohner des deutschen Waldgebietes von rund 2500 Quadrat- Meilen, welche an das Gedeihen der Forstwirthschaft gekettet find, denn doch eine größere Zahl repräsentirt als die sämmtlichen Interessenten am Handel mit fremdem Holz. Auch bei dem deutschen Viehbestand zeigt sich seit der Ermäßigung resp. Aufhebung der Viehzölle ein wesentlicher Rückgang. Der Einwand, daß mit den jetzt vorgeschlagenen Zöllen nothwendige Lebensmittel der ärmeren Klassen besteuert würden, ist hinfällig, weil auf Kühe, Jungvieh und Schafe ein ganz niedriger Satz beantragt wird, bei den Schweinen von einer nennenswerthen Erhöhung der bisherigen Sätze abgesehen worden, und weil Ochsenfleisch nur ausnahmsweise von den unbemittelten Volksklassen verzehrt wird. Auch bei der Viehzucht arbeitet das konkurrirende Ausland unter so viel günstigeren Boden-, Abgaben- und Arbeiterverhältnissen, daß eine ungehemmte Konkurrenz den Fortbestand der deutschen Viehzucht ausschließt. Wir verzichten auf die auszügliche Begründung der Sätze für die Industrie- Artikel, desgleichen der Finanzzölle. Wenn die in den Motiven gegebene Be¬ gründung nicht bei jedem Artikel von demselben, den Widerspruch zermalmen¬ den Gewicht ist, wie bei den zumeist angefochtenen Getreide-, Holz- und Vieh¬ zöllen, so ist sie doch überall beachtenswert!) und von hohem Interesse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/167>, abgerufen am 27.12.2024.