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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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heute sind die Marmorbrüche des Hymettos und Brilessos bei Karas und bei
Kloster Pentheli im Betrieb und bilden wie im Alterthume eine reiche Fund¬
grube kostbaren Materiales für künstlerisches Schaffen.

Hinsichtlich der Gebirgsformation fällt es auf, daß im Allgemeinen die
Westabhänge mehr terrassenartige oder durch Zwischenglieder vermittelte Ueber-
gänge in die Ebene zeigen, die Ostseiten hingegen sich durch steile, oft unmittel¬
bar vom Gebirgsstock nach der Niederung hin abfallende Felsen und Klippen
auszeichnen. Darum stellt sich auch die Ilissos-Landschaft wesentlich als
Hügelland dar. Aber während die Ausläufer des Brilessos in einzelnen
Terrassen nach der Niederung abfallen, dann in leichte Terrainwellen sich
verlieren, durchziehen die Vorberge des Hymettos noch weithin das ganze
Terrain und erstrecken sich bis in die nächste Umgebung der Stadt. In ihren
vielfach gegliederten Formen, bald isolirte durch Querthäler getrennte Kuppen,
bald langgestreckte Bergrücken oder Höhenkämme bildend, bald wieder zu aus¬
gedehnteren Hochebenen sich erweiternd, tragen sie wesentlich dazu bei, den
Charakter jener Mannich sättigten zu erhöhen, die im Ganzen wie im Einzelnen
sich hier zu erkennen gibt.

Eine breite Thalsenkung trennt die östlichen Hochgebirge. Sie wird quer
durchschnitten von einer Straße offenbar antiken Ursprungs, die nach der Ebene
der Paralia führt. Antike Straßen sind noch heutiges Tages vielfach im
Gebrauch. Trotz des verwahrlosten Zustandes, in dem sie sich augenblicklich
befinden, sind sie immer noch den Anlagen späterer Zeit vorzuziehen. Mit
größter Sachkenntniß finden wir sie stets dem Terrain angepaßt; im Gebirge
folgen sie dem Laufe der Gewässer, steile Erhebungen sind durch Umwege ver¬
mieden, plötzliche Abfälle durch Rampen und Einschnitte für die Kommunikation
bequem gemacht. An und für sich würden jene Wege nur wenig Anhalt zur
Feststellung ihres antiken Charakters gewähren. Allein anderweitige Umstände
kommen hinzu, die uns denselben unzweideutig offenbaren. In einer Zeit, wo
andere Verkehrsmittel mangelten, wo man größere Reisen nur mit mehrfacher
Unterbrechung machen konnte, war es iiatürlich und nothwendig, hin und
wieder geeignete Ruheplätze zu finden. schattige, vor Wind geschützte Stellen,
unmittelbar in der Nähe der Straße, insbesondere solche Orte, wo sich Trink¬
wasser befand, eigneten sich dazu am besten. Wo keine Brunnen vorhanden,
legte man Zisternen an; anch künstlich in den Fels gehauene Ruhesitze finden
sich mitunter. Gräber, nicht selten auch kleine Heiligthümer pflegte man eben¬
falls in die Nähe der Straßen zu legen. In christlicher Zeit verwandelte
man die letzteren in Kapellen. In der That finden sich, wo solche Kapellen
am Wege stehen, fast immer Spuren älteren Mauerwerks, welches der Bauart
wie dem Material nach als unzweifelhaft antik erkannt wurde. Die alten


heute sind die Marmorbrüche des Hymettos und Brilessos bei Karas und bei
Kloster Pentheli im Betrieb und bilden wie im Alterthume eine reiche Fund¬
grube kostbaren Materiales für künstlerisches Schaffen.

Hinsichtlich der Gebirgsformation fällt es auf, daß im Allgemeinen die
Westabhänge mehr terrassenartige oder durch Zwischenglieder vermittelte Ueber-
gänge in die Ebene zeigen, die Ostseiten hingegen sich durch steile, oft unmittel¬
bar vom Gebirgsstock nach der Niederung hin abfallende Felsen und Klippen
auszeichnen. Darum stellt sich auch die Ilissos-Landschaft wesentlich als
Hügelland dar. Aber während die Ausläufer des Brilessos in einzelnen
Terrassen nach der Niederung abfallen, dann in leichte Terrainwellen sich
verlieren, durchziehen die Vorberge des Hymettos noch weithin das ganze
Terrain und erstrecken sich bis in die nächste Umgebung der Stadt. In ihren
vielfach gegliederten Formen, bald isolirte durch Querthäler getrennte Kuppen,
bald langgestreckte Bergrücken oder Höhenkämme bildend, bald wieder zu aus¬
gedehnteren Hochebenen sich erweiternd, tragen sie wesentlich dazu bei, den
Charakter jener Mannich sättigten zu erhöhen, die im Ganzen wie im Einzelnen
sich hier zu erkennen gibt.

Eine breite Thalsenkung trennt die östlichen Hochgebirge. Sie wird quer
durchschnitten von einer Straße offenbar antiken Ursprungs, die nach der Ebene
der Paralia führt. Antike Straßen sind noch heutiges Tages vielfach im
Gebrauch. Trotz des verwahrlosten Zustandes, in dem sie sich augenblicklich
befinden, sind sie immer noch den Anlagen späterer Zeit vorzuziehen. Mit
größter Sachkenntniß finden wir sie stets dem Terrain angepaßt; im Gebirge
folgen sie dem Laufe der Gewässer, steile Erhebungen sind durch Umwege ver¬
mieden, plötzliche Abfälle durch Rampen und Einschnitte für die Kommunikation
bequem gemacht. An und für sich würden jene Wege nur wenig Anhalt zur
Feststellung ihres antiken Charakters gewähren. Allein anderweitige Umstände
kommen hinzu, die uns denselben unzweideutig offenbaren. In einer Zeit, wo
andere Verkehrsmittel mangelten, wo man größere Reisen nur mit mehrfacher
Unterbrechung machen konnte, war es iiatürlich und nothwendig, hin und
wieder geeignete Ruheplätze zu finden. schattige, vor Wind geschützte Stellen,
unmittelbar in der Nähe der Straße, insbesondere solche Orte, wo sich Trink¬
wasser befand, eigneten sich dazu am besten. Wo keine Brunnen vorhanden,
legte man Zisternen an; anch künstlich in den Fels gehauene Ruhesitze finden
sich mitunter. Gräber, nicht selten auch kleine Heiligthümer pflegte man eben¬
falls in die Nähe der Straßen zu legen. In christlicher Zeit verwandelte
man die letzteren in Kapellen. In der That finden sich, wo solche Kapellen
am Wege stehen, fast immer Spuren älteren Mauerwerks, welches der Bauart
wie dem Material nach als unzweifelhaft antik erkannt wurde. Die alten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/135>, abgerufen am 28.09.2024.