Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

von denen wir wenigstens die folgenden (in der Uebersetzung von Regis) mit¬
theilen wollen:


Nenne mir, Hund, den Mann, auf dessen Grabe du wachest.
Hund war's. -- Und dieser Hund, wer ist gewesen der Mann?
Nun, Diogenes. -- Sage, woher? --Von Sinope, -- Der Faßmensch? --
Eben derselbe; doch jetzt hat er die Sterne zum Faß.

(Antip ater.)
Mürrischer Rudergehilfe des Hades, der du dies Wasser
Acheron's immer im schwarzbläulicher Kahne befährst;
Wenn dir die grausige Barke von Todten auch schon überhäuft ist,
Nimm noch Diogenes auf, ihn, den verstorbenen Hund.
All' mein Gepäcke sind Ränzel, Salbflasch', Stock und der alte
Rock und des Obolos Fährmünze zum Todtengeleit.
Alles, was wir im Leben besessen haben, das bring' ich
Mit mir und lasse nichts unter der Sonne zurück.

(Leonidas.)

In der That, ein bedeutungsvolleres Sinnbild als der Hund konnte dem
Philosophen Diogenes nicht gesetzt werden. Es war nicht sowohl das Emblem
seiner Schule, welches man ihm auf seinem Grabmal errichtete, als vielmehr
das Sinnbild der Treue, der Treue, welche der Todte im Leben sich selbst
bewahrt hatte. So armselig, freudenleer und trostlos dieses Leben immerhin
erschien, so hatte es doch in dem mächtigen Willen, in der hohen That¬
kraft der Seele, welche die Leidenschaften und Begierden energisch zu bändigen
gelernt hatte, einen Gehalt, der die allgemeine und darum persönliche Macht
der Freiheit in ihm zur Geltung brachte. Es war ein stilvolles Leben gewesen,
welches in dem stets sich selbst treuen Ringen nach Prinzip den alten Asketen
selbst in seinen Irrthümern als einen gewaltigen Charakter erscheinen läßt.
Diogenes war, wie Seneca von einem seiner Anhänger, dem Demetrios, sagt,
"nicht ein Lehrer, sondern ein Zeuge der Wahrheit", und zwar so, daß er nicht
wie Platon und seine Anhänger "großartige Labyrinthe in der Luft baute",
wohl aber, daß er durch sein persönliches Beispiel lehrte, wie man sich dem
Willen der Götter nicht zu unterwerfen, sondern ihm beizustimmen habe.

Von den Anhängern des Diogenes werden genannt: Monimos von
Syrakus, der als Sklave eines korinthischen Wechslers, treu der Lehre seines
Meisters, das Geld seines Herrn zum Fenster hinauswarf, Menippos, Muso-
nios, Karneades, Onesikritos, Hegesaios von Sinope, Philiskos von Aegina
Metrokles, Theombrotos, Timarchos von Alexandria. Vor Allen aber verdient
Krates aus Theben genannt zu werden, der sein bedeutendes Vermögen ver¬
theilte und mit seiner Geliebten, der schönen und reichen Hipparchia, welche
sich ebenfalls ihrer Besitzthiimer entschlug, in selbstgewählter Armuth ein den
strengen Grundsätzen seines Lehrers würdiges Leben führte.


von denen wir wenigstens die folgenden (in der Uebersetzung von Regis) mit¬
theilen wollen:


Nenne mir, Hund, den Mann, auf dessen Grabe du wachest.
Hund war's. — Und dieser Hund, wer ist gewesen der Mann?
Nun, Diogenes. — Sage, woher? —Von Sinope, — Der Faßmensch? —
Eben derselbe; doch jetzt hat er die Sterne zum Faß.

(Antip ater.)
Mürrischer Rudergehilfe des Hades, der du dies Wasser
Acheron's immer im schwarzbläulicher Kahne befährst;
Wenn dir die grausige Barke von Todten auch schon überhäuft ist,
Nimm noch Diogenes auf, ihn, den verstorbenen Hund.
All' mein Gepäcke sind Ränzel, Salbflasch', Stock und der alte
Rock und des Obolos Fährmünze zum Todtengeleit.
Alles, was wir im Leben besessen haben, das bring' ich
Mit mir und lasse nichts unter der Sonne zurück.

(Leonidas.)

In der That, ein bedeutungsvolleres Sinnbild als der Hund konnte dem
Philosophen Diogenes nicht gesetzt werden. Es war nicht sowohl das Emblem
seiner Schule, welches man ihm auf seinem Grabmal errichtete, als vielmehr
das Sinnbild der Treue, der Treue, welche der Todte im Leben sich selbst
bewahrt hatte. So armselig, freudenleer und trostlos dieses Leben immerhin
erschien, so hatte es doch in dem mächtigen Willen, in der hohen That¬
kraft der Seele, welche die Leidenschaften und Begierden energisch zu bändigen
gelernt hatte, einen Gehalt, der die allgemeine und darum persönliche Macht
der Freiheit in ihm zur Geltung brachte. Es war ein stilvolles Leben gewesen,
welches in dem stets sich selbst treuen Ringen nach Prinzip den alten Asketen
selbst in seinen Irrthümern als einen gewaltigen Charakter erscheinen läßt.
Diogenes war, wie Seneca von einem seiner Anhänger, dem Demetrios, sagt,
„nicht ein Lehrer, sondern ein Zeuge der Wahrheit", und zwar so, daß er nicht
wie Platon und seine Anhänger „großartige Labyrinthe in der Luft baute",
wohl aber, daß er durch sein persönliches Beispiel lehrte, wie man sich dem
Willen der Götter nicht zu unterwerfen, sondern ihm beizustimmen habe.

Von den Anhängern des Diogenes werden genannt: Monimos von
Syrakus, der als Sklave eines korinthischen Wechslers, treu der Lehre seines
Meisters, das Geld seines Herrn zum Fenster hinauswarf, Menippos, Muso-
nios, Karneades, Onesikritos, Hegesaios von Sinope, Philiskos von Aegina
Metrokles, Theombrotos, Timarchos von Alexandria. Vor Allen aber verdient
Krates aus Theben genannt zu werden, der sein bedeutendes Vermögen ver¬
theilte und mit seiner Geliebten, der schönen und reichen Hipparchia, welche
sich ebenfalls ihrer Besitzthiimer entschlug, in selbstgewählter Armuth ein den
strengen Grundsätzen seines Lehrers würdiges Leben führte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141510"/>
          <p xml:id="ID_293" prev="#ID_292"> von denen wir wenigstens die folgenden (in der Uebersetzung von Regis) mit¬<lb/>
theilen wollen:</p><lb/>
          <quote> Nenne mir, Hund, den Mann, auf dessen Grabe du wachest.<lb/>
Hund war's. &#x2014; Und dieser Hund, wer ist gewesen der Mann?<lb/>
Nun, Diogenes. &#x2014; Sage, woher? &#x2014;Von Sinope, &#x2014; Der Faßmensch? &#x2014;<lb/>
Eben derselbe; doch jetzt hat er die Sterne zum Faß.</quote><lb/>
          <note type="bibl"> (Antip ater.)</note><lb/>
          <quote> Mürrischer Rudergehilfe des Hades, der du dies Wasser<lb/>
Acheron's immer im schwarzbläulicher Kahne befährst;<lb/>
Wenn dir die grausige Barke von Todten auch schon überhäuft ist,<lb/>
Nimm noch Diogenes auf, ihn, den verstorbenen Hund.<lb/>
All' mein Gepäcke sind Ränzel, Salbflasch', Stock und der alte<lb/>
Rock und des Obolos Fährmünze zum Todtengeleit.<lb/>
Alles, was wir im Leben besessen haben, das bring' ich<lb/>
Mit mir und lasse nichts unter der Sonne zurück.</quote><lb/>
          <note type="bibl"> (Leonidas.)</note><lb/>
          <p xml:id="ID_294"> In der That, ein bedeutungsvolleres Sinnbild als der Hund konnte dem<lb/>
Philosophen Diogenes nicht gesetzt werden. Es war nicht sowohl das Emblem<lb/>
seiner Schule, welches man ihm auf seinem Grabmal errichtete, als vielmehr<lb/>
das Sinnbild der Treue, der Treue, welche der Todte im Leben sich selbst<lb/>
bewahrt hatte. So armselig, freudenleer und trostlos dieses Leben immerhin<lb/>
erschien, so hatte es doch in dem mächtigen Willen, in der hohen That¬<lb/>
kraft der Seele, welche die Leidenschaften und Begierden energisch zu bändigen<lb/>
gelernt hatte, einen Gehalt, der die allgemeine und darum persönliche Macht<lb/>
der Freiheit in ihm zur Geltung brachte. Es war ein stilvolles Leben gewesen,<lb/>
welches in dem stets sich selbst treuen Ringen nach Prinzip den alten Asketen<lb/>
selbst in seinen Irrthümern als einen gewaltigen Charakter erscheinen läßt.<lb/>
Diogenes war, wie Seneca von einem seiner Anhänger, dem Demetrios, sagt,<lb/>
&#x201E;nicht ein Lehrer, sondern ein Zeuge der Wahrheit", und zwar so, daß er nicht<lb/>
wie Platon und seine Anhänger &#x201E;großartige Labyrinthe in der Luft baute",<lb/>
wohl aber, daß er durch sein persönliches Beispiel lehrte, wie man sich dem<lb/>
Willen der Götter nicht zu unterwerfen, sondern ihm beizustimmen habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_295"> Von den Anhängern des Diogenes werden genannt: Monimos von<lb/>
Syrakus, der als Sklave eines korinthischen Wechslers, treu der Lehre seines<lb/>
Meisters, das Geld seines Herrn zum Fenster hinauswarf, Menippos, Muso-<lb/>
nios, Karneades, Onesikritos, Hegesaios von Sinope, Philiskos von Aegina<lb/>
Metrokles, Theombrotos, Timarchos von Alexandria. Vor Allen aber verdient<lb/>
Krates aus Theben genannt zu werden, der sein bedeutendes Vermögen ver¬<lb/>
theilte und mit seiner Geliebten, der schönen und reichen Hipparchia, welche<lb/>
sich ebenfalls ihrer Besitzthiimer entschlug, in selbstgewählter Armuth ein den<lb/>
strengen Grundsätzen seines Lehrers würdiges Leben führte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0099] von denen wir wenigstens die folgenden (in der Uebersetzung von Regis) mit¬ theilen wollen: Nenne mir, Hund, den Mann, auf dessen Grabe du wachest. Hund war's. — Und dieser Hund, wer ist gewesen der Mann? Nun, Diogenes. — Sage, woher? —Von Sinope, — Der Faßmensch? — Eben derselbe; doch jetzt hat er die Sterne zum Faß. (Antip ater.) Mürrischer Rudergehilfe des Hades, der du dies Wasser Acheron's immer im schwarzbläulicher Kahne befährst; Wenn dir die grausige Barke von Todten auch schon überhäuft ist, Nimm noch Diogenes auf, ihn, den verstorbenen Hund. All' mein Gepäcke sind Ränzel, Salbflasch', Stock und der alte Rock und des Obolos Fährmünze zum Todtengeleit. Alles, was wir im Leben besessen haben, das bring' ich Mit mir und lasse nichts unter der Sonne zurück. (Leonidas.) In der That, ein bedeutungsvolleres Sinnbild als der Hund konnte dem Philosophen Diogenes nicht gesetzt werden. Es war nicht sowohl das Emblem seiner Schule, welches man ihm auf seinem Grabmal errichtete, als vielmehr das Sinnbild der Treue, der Treue, welche der Todte im Leben sich selbst bewahrt hatte. So armselig, freudenleer und trostlos dieses Leben immerhin erschien, so hatte es doch in dem mächtigen Willen, in der hohen That¬ kraft der Seele, welche die Leidenschaften und Begierden energisch zu bändigen gelernt hatte, einen Gehalt, der die allgemeine und darum persönliche Macht der Freiheit in ihm zur Geltung brachte. Es war ein stilvolles Leben gewesen, welches in dem stets sich selbst treuen Ringen nach Prinzip den alten Asketen selbst in seinen Irrthümern als einen gewaltigen Charakter erscheinen läßt. Diogenes war, wie Seneca von einem seiner Anhänger, dem Demetrios, sagt, „nicht ein Lehrer, sondern ein Zeuge der Wahrheit", und zwar so, daß er nicht wie Platon und seine Anhänger „großartige Labyrinthe in der Luft baute", wohl aber, daß er durch sein persönliches Beispiel lehrte, wie man sich dem Willen der Götter nicht zu unterwerfen, sondern ihm beizustimmen habe. Von den Anhängern des Diogenes werden genannt: Monimos von Syrakus, der als Sklave eines korinthischen Wechslers, treu der Lehre seines Meisters, das Geld seines Herrn zum Fenster hinauswarf, Menippos, Muso- nios, Karneades, Onesikritos, Hegesaios von Sinope, Philiskos von Aegina Metrokles, Theombrotos, Timarchos von Alexandria. Vor Allen aber verdient Krates aus Theben genannt zu werden, der sein bedeutendes Vermögen ver¬ theilte und mit seiner Geliebten, der schönen und reichen Hipparchia, welche sich ebenfalls ihrer Besitzthiimer entschlug, in selbstgewählter Armuth ein den strengen Grundsätzen seines Lehrers würdiges Leben führte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/99
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/99>, abgerufen am 24.07.2024.