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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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dem Eros geweihter Altar bedeutungsvoll bewachte. An einem Altare des
Prometheus vorüber gelangte der Eingetretene in das Dunkel des der Athene
geheiligten Temenos, dessen Bäume den Preis für die Sieger im gymnastischen
Kampfe der Panathenäen hergaben. Zwei Altäre, dem Hermes und dem
Herakles geheiligt, befanden sich in der Nähe dieses geweihten Haines; dicht
bei diesen aber stand, von hohen Platanen beschattet, ein von Platon erbautes
Heiligthum der Musen, in welchem des Erbauers Neffe Speusippos die Bild¬
säulen der Chariten, ein Perser Namens Mithradates aber die vom Bildhauer
Silaniou gefertigte Statue des Gründers dieses Heiligthums gestiftet hatte.

In diesen Anlagen der Akademie, in welchen in den Gebilden der Kunst
und der Natur Alles Schönheit und Ebenmaß predigte, war es, wo Platon
seine Schüler versammelte, die seiner hohen Jdeenlehre lauschten, der Lehre: der
Mensch müsse durch ein Leben in göttlichen Ideen bethätigen, daß er göttlichen
Ursprunges und seinem Geiste nach göttlicher Natur sei. Platon's ideologische
Philosophie, welche nach einer vernunftmäßigen, sicheren Erkenntniß des wahren
Wesens der Dinge strebt, mit der bloßen Meinung daher nichts gemein hat,
war mit ihrem hohen Schwunge so recht für die benachbarten Besucher der
Akademie geeignet, die größtentheils aus Mitgliedern der erbgesessenen atheni¬
schen Bürgerschaft, aus deu begüterten Westendbewohnern bestanden.

Ebenfalls in einer Vorstadt Athen's, am südöstlichen AbHange des Lyka-
bettos, am linken Ufer des Ilissos, befand sich das mit einem Lustwäldchen
umschlossene Gymnasion Kynosarges, nach heutiger Topographie in der Ebene
am Fuße des Berges Se. Georg, südwestlich vom Kloster Asomaton, etwa da,
wo sich jetzt das königliche Schloß erhebt. Die Annahme dieser Lage gründet
sich besonders darauf, daß Platon in einem seiner Dialoge den Sokrates auf
feinem Wege aus der Stadt vom Olympieion her nach dem Kynosarges das
Ufer des Ilissos entlang gehen läßt: ein Umstand, den man sich nicht wohl
anders erklären kann, als durch die Annahme, daß das Kynosarges auf der
Seite des Lykabettos lagwelche dem Ilissos die nächste war. Den Namen
Kynosarges leitete man von dem Zufalle her, daß, als der Athener Diomos
an dieser Stelle dem Herakles zuerst als einem Gotte ein Opfer brachte, ein
weißer Hund ein Stück des letzteren wegschleppte. Die ganze Gegend aber
war dem Herakles geweiht, dessen ummauertes Heiligthum diejenige Stelle be¬
zeichnete, welche von Theseus dem wahnsinnigen Heros zum Aufenthalt über¬
wiesen worden war. Pausanias berichtet: "Kynosarges ist der Name eines
dem Herakles geweihten Heiligthums. Was von der weißen Hündin erzählt
wird, wissen diejenigen, welche mit dem Orakel bekannt sind. Hier sind Altäre
des Herakles und der Hebe, der Tochter des Zeus, die man als Herakles'


dem Eros geweihter Altar bedeutungsvoll bewachte. An einem Altare des
Prometheus vorüber gelangte der Eingetretene in das Dunkel des der Athene
geheiligten Temenos, dessen Bäume den Preis für die Sieger im gymnastischen
Kampfe der Panathenäen hergaben. Zwei Altäre, dem Hermes und dem
Herakles geheiligt, befanden sich in der Nähe dieses geweihten Haines; dicht
bei diesen aber stand, von hohen Platanen beschattet, ein von Platon erbautes
Heiligthum der Musen, in welchem des Erbauers Neffe Speusippos die Bild¬
säulen der Chariten, ein Perser Namens Mithradates aber die vom Bildhauer
Silaniou gefertigte Statue des Gründers dieses Heiligthums gestiftet hatte.

In diesen Anlagen der Akademie, in welchen in den Gebilden der Kunst
und der Natur Alles Schönheit und Ebenmaß predigte, war es, wo Platon
seine Schüler versammelte, die seiner hohen Jdeenlehre lauschten, der Lehre: der
Mensch müsse durch ein Leben in göttlichen Ideen bethätigen, daß er göttlichen
Ursprunges und seinem Geiste nach göttlicher Natur sei. Platon's ideologische
Philosophie, welche nach einer vernunftmäßigen, sicheren Erkenntniß des wahren
Wesens der Dinge strebt, mit der bloßen Meinung daher nichts gemein hat,
war mit ihrem hohen Schwunge so recht für die benachbarten Besucher der
Akademie geeignet, die größtentheils aus Mitgliedern der erbgesessenen atheni¬
schen Bürgerschaft, aus deu begüterten Westendbewohnern bestanden.

Ebenfalls in einer Vorstadt Athen's, am südöstlichen AbHange des Lyka-
bettos, am linken Ufer des Ilissos, befand sich das mit einem Lustwäldchen
umschlossene Gymnasion Kynosarges, nach heutiger Topographie in der Ebene
am Fuße des Berges Se. Georg, südwestlich vom Kloster Asomaton, etwa da,
wo sich jetzt das königliche Schloß erhebt. Die Annahme dieser Lage gründet
sich besonders darauf, daß Platon in einem seiner Dialoge den Sokrates auf
feinem Wege aus der Stadt vom Olympieion her nach dem Kynosarges das
Ufer des Ilissos entlang gehen läßt: ein Umstand, den man sich nicht wohl
anders erklären kann, als durch die Annahme, daß das Kynosarges auf der
Seite des Lykabettos lagwelche dem Ilissos die nächste war. Den Namen
Kynosarges leitete man von dem Zufalle her, daß, als der Athener Diomos
an dieser Stelle dem Herakles zuerst als einem Gotte ein Opfer brachte, ein
weißer Hund ein Stück des letzteren wegschleppte. Die ganze Gegend aber
war dem Herakles geweiht, dessen ummauertes Heiligthum diejenige Stelle be¬
zeichnete, welche von Theseus dem wahnsinnigen Heros zum Aufenthalt über¬
wiesen worden war. Pausanias berichtet: „Kynosarges ist der Name eines
dem Herakles geweihten Heiligthums. Was von der weißen Hündin erzählt
wird, wissen diejenigen, welche mit dem Orakel bekannt sind. Hier sind Altäre
des Herakles und der Hebe, der Tochter des Zeus, die man als Herakles'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/90>, abgerufen am 26.07.2024.