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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Kraft ebenso präzis als den der Materie aufzufassen und damit nnr Objekte
wirklicher Forschung zu bezeichnen." Dies erreicht er, indem er von dem Satze
ausgeht, daß ganz allgemein zwischen der Ursache und der Wirkung eine Art
Gleichung bestehen müsse. Durch einige Erörterungen rein logischer Art ge¬
langte er dann zu dem Ergebniß, daß uuter Kraft ein Objekt zu verstehen sei,
welches zwar verschiedene Erscheinungsformen annehmen könne, seiner Größe
nach aber unveränderlich sei. Sofort zieht er daraus die "praktische Folgerung":
Eine Ursache, welche die Hebung einer Last bewirkt, ist eine Kraft; ihre Wir¬
kung, die gehobene Last, repräsentirt wiederum eine Kraft, und zwar eine Kraft
von derselben Größe, aber von anderer Erscheinungsform. Soll dieselbe zur
Wirkung gelangen, so muß die gehobene Last zur Erde niederfallen, ihr Abstand
von der Erde muß gleichsam verbraucht werden. Mayer nennt diese Kraft,
da sie das Fallen der Körper bewirkt, die Fallkraft. Durch das Heben einer
Last wird Fallkraft erzeugt, durch das Senken geht sie verloren, und es ent¬
steht Bewegung.

Nun beobachtet man aber, daß in vielen Fällen Bewegung verschwindet,
ohne daß eine andere Bewegung oder Fallkraft daraus entspringt; oder daß
Fallkraft verschwindet, ohne wieder Fallkraft zu erzeugen. Es fragt sich, welche
andere Form die Kraft in diesen Fällen angenommen hat. Zu nichts kaun sie
nicht geworden sein. Die Erfahrung aber lehrt, daß Wärme dort auftritt, wo
eine Bewegung verschwindet. Da in diesen Fällen für die verschwindende Be¬
wegung keine andere Wirkung aufgefunden werden tann, als die Wärme, und
für die entstandene Wärme keine andere Ursache, als die verschwindende Be¬
wegung; so kann, da eine Ursache ohne Wirkung und eine Wirkung ohne
Ursache ausgeschlossen ist, eine unserm Verstände genügende Rechenschaft von
diesen Vorgängen nur dann gegeben werden, wenn zwischen Bewegung und
Wärme ein ursächlicher Zusammenhang anerkannt wird.

Wie nun der Zusammenhang zwischen Fallkraft und Bewegung nur durch
Messung des Fallraums für eine bestimmte Zeit, z. B. für die erste Sekunde,
aufgedeckt werden konnte, "ebenso ist zur Auflösung der zwischen Fallkraft und
Bewegung einer- und der Wärme andererseits bestehenden Gleichungen die
Frage zu beantworten, wie groß das einer bestimmten Menge von Fallkraft
oder Bewegung entsprechende Wärmequcmtum sei." Nach diesen Erörterungen
läßt Mayer dann die bereits oben erwähnte Berechnung der Aequivalentzahl
folgen.

Mayer gibt in dieser ersten Abhandlung also zweierlei: eine naturphiloso¬
phische Erörterung über die Natur der Kräfte, welche in späteren Abhandlungen
ans Grund erweiterter Vorstellungen noch eingehender dargelegt wird, und die
Aequivalentzahl. Daß Letztere das wichtigere und die eigentliche Entdeckung ist,


Kraft ebenso präzis als den der Materie aufzufassen und damit nnr Objekte
wirklicher Forschung zu bezeichnen." Dies erreicht er, indem er von dem Satze
ausgeht, daß ganz allgemein zwischen der Ursache und der Wirkung eine Art
Gleichung bestehen müsse. Durch einige Erörterungen rein logischer Art ge¬
langte er dann zu dem Ergebniß, daß uuter Kraft ein Objekt zu verstehen sei,
welches zwar verschiedene Erscheinungsformen annehmen könne, seiner Größe
nach aber unveränderlich sei. Sofort zieht er daraus die „praktische Folgerung":
Eine Ursache, welche die Hebung einer Last bewirkt, ist eine Kraft; ihre Wir¬
kung, die gehobene Last, repräsentirt wiederum eine Kraft, und zwar eine Kraft
von derselben Größe, aber von anderer Erscheinungsform. Soll dieselbe zur
Wirkung gelangen, so muß die gehobene Last zur Erde niederfallen, ihr Abstand
von der Erde muß gleichsam verbraucht werden. Mayer nennt diese Kraft,
da sie das Fallen der Körper bewirkt, die Fallkraft. Durch das Heben einer
Last wird Fallkraft erzeugt, durch das Senken geht sie verloren, und es ent¬
steht Bewegung.

Nun beobachtet man aber, daß in vielen Fällen Bewegung verschwindet,
ohne daß eine andere Bewegung oder Fallkraft daraus entspringt; oder daß
Fallkraft verschwindet, ohne wieder Fallkraft zu erzeugen. Es fragt sich, welche
andere Form die Kraft in diesen Fällen angenommen hat. Zu nichts kaun sie
nicht geworden sein. Die Erfahrung aber lehrt, daß Wärme dort auftritt, wo
eine Bewegung verschwindet. Da in diesen Fällen für die verschwindende Be¬
wegung keine andere Wirkung aufgefunden werden tann, als die Wärme, und
für die entstandene Wärme keine andere Ursache, als die verschwindende Be¬
wegung; so kann, da eine Ursache ohne Wirkung und eine Wirkung ohne
Ursache ausgeschlossen ist, eine unserm Verstände genügende Rechenschaft von
diesen Vorgängen nur dann gegeben werden, wenn zwischen Bewegung und
Wärme ein ursächlicher Zusammenhang anerkannt wird.

Wie nun der Zusammenhang zwischen Fallkraft und Bewegung nur durch
Messung des Fallraums für eine bestimmte Zeit, z. B. für die erste Sekunde,
aufgedeckt werden konnte, „ebenso ist zur Auflösung der zwischen Fallkraft und
Bewegung einer- und der Wärme andererseits bestehenden Gleichungen die
Frage zu beantworten, wie groß das einer bestimmten Menge von Fallkraft
oder Bewegung entsprechende Wärmequcmtum sei." Nach diesen Erörterungen
läßt Mayer dann die bereits oben erwähnte Berechnung der Aequivalentzahl
folgen.

Mayer gibt in dieser ersten Abhandlung also zweierlei: eine naturphiloso¬
phische Erörterung über die Natur der Kräfte, welche in späteren Abhandlungen
ans Grund erweiterter Vorstellungen noch eingehender dargelegt wird, und die
Aequivalentzahl. Daß Letztere das wichtigere und die eigentliche Entdeckung ist,


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[0055] Kraft ebenso präzis als den der Materie aufzufassen und damit nnr Objekte wirklicher Forschung zu bezeichnen." Dies erreicht er, indem er von dem Satze ausgeht, daß ganz allgemein zwischen der Ursache und der Wirkung eine Art Gleichung bestehen müsse. Durch einige Erörterungen rein logischer Art ge¬ langte er dann zu dem Ergebniß, daß uuter Kraft ein Objekt zu verstehen sei, welches zwar verschiedene Erscheinungsformen annehmen könne, seiner Größe nach aber unveränderlich sei. Sofort zieht er daraus die „praktische Folgerung": Eine Ursache, welche die Hebung einer Last bewirkt, ist eine Kraft; ihre Wir¬ kung, die gehobene Last, repräsentirt wiederum eine Kraft, und zwar eine Kraft von derselben Größe, aber von anderer Erscheinungsform. Soll dieselbe zur Wirkung gelangen, so muß die gehobene Last zur Erde niederfallen, ihr Abstand von der Erde muß gleichsam verbraucht werden. Mayer nennt diese Kraft, da sie das Fallen der Körper bewirkt, die Fallkraft. Durch das Heben einer Last wird Fallkraft erzeugt, durch das Senken geht sie verloren, und es ent¬ steht Bewegung. Nun beobachtet man aber, daß in vielen Fällen Bewegung verschwindet, ohne daß eine andere Bewegung oder Fallkraft daraus entspringt; oder daß Fallkraft verschwindet, ohne wieder Fallkraft zu erzeugen. Es fragt sich, welche andere Form die Kraft in diesen Fällen angenommen hat. Zu nichts kaun sie nicht geworden sein. Die Erfahrung aber lehrt, daß Wärme dort auftritt, wo eine Bewegung verschwindet. Da in diesen Fällen für die verschwindende Be¬ wegung keine andere Wirkung aufgefunden werden tann, als die Wärme, und für die entstandene Wärme keine andere Ursache, als die verschwindende Be¬ wegung; so kann, da eine Ursache ohne Wirkung und eine Wirkung ohne Ursache ausgeschlossen ist, eine unserm Verstände genügende Rechenschaft von diesen Vorgängen nur dann gegeben werden, wenn zwischen Bewegung und Wärme ein ursächlicher Zusammenhang anerkannt wird. Wie nun der Zusammenhang zwischen Fallkraft und Bewegung nur durch Messung des Fallraums für eine bestimmte Zeit, z. B. für die erste Sekunde, aufgedeckt werden konnte, „ebenso ist zur Auflösung der zwischen Fallkraft und Bewegung einer- und der Wärme andererseits bestehenden Gleichungen die Frage zu beantworten, wie groß das einer bestimmten Menge von Fallkraft oder Bewegung entsprechende Wärmequcmtum sei." Nach diesen Erörterungen läßt Mayer dann die bereits oben erwähnte Berechnung der Aequivalentzahl folgen. Mayer gibt in dieser ersten Abhandlung also zweierlei: eine naturphiloso¬ phische Erörterung über die Natur der Kräfte, welche in späteren Abhandlungen ans Grund erweiterter Vorstellungen noch eingehender dargelegt wird, und die Aequivalentzahl. Daß Letztere das wichtigere und die eigentliche Entdeckung ist,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/55>, abgerufen am 06.02.2025.