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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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gerungen von der ^größten Tragweite abzuleiten, Gedanken, auf welche die Welt
oft genug so wenig gefaßt ist, daß es lange Zeit dauert, bis sie Eingang
finden und Früchte tragen.

Als Mayer in die Heimat zurückgekehrt war, veröffentlichte er seine
Entdeckung 1842 im Maihefte von Liebig's "Annalen für Chemie und Phar¬
macie". Die betreffende Abhandlung erschien äußerlich in einem höchst anspruchs¬
losen Gewände; sie trägt die Ueberschrift: "Bemerkungen über die Kräfte der unbe¬
lebten Natur" und ist nur wenige Seiten lang. Ganz am Schlüsse der Abhandlung
wivd der Leser gewissermaßen überrascht durch die numerische Berechnung des
mechanischen Wärmeäquivalents. Die geniale Art, wie Mayer es berechnet, legt
Zeugniß ab für die große Subtilität seines Denkens; denn es ist kein Zufall,
daß er gerade das Verhalten der Gase gegen die Wärme für seinen Zweck
wählte; sollte sein Gesetz ein allgemeines Gesetz der Ncckur sein, so mußte es
an dem gasförmigen Zustande der Körper am deutlichsten, d. h. ohne Trübung
durch Nebenthatsachen zu Tage treten.

Es war nämlich bekannt, daß eine bestimmte Menge abgeschlossener Luft zu
ihrer Erwärmung um einen Temperaturgrad unter zwei verschiedenen Bedingungen
anch zwei verschiedene Mengen von Wärme nöthig hat. Die verschiedenen
Bedingungen sind derart, daß die Luft einmal dasselbe Volumen während der
Erwärmung behält, das andere Mal die Möglichkeit hat, sich auszudehnen,
aber dabei genöthigt ist, einen bestimmten Druck zu überwinden. Im zweiten
Falle ist eine größere Menge Wärme erforderlich, als im ersteren, und zwar
fast anderthalbmal so viel. Mayer zuerst sah ein, daß dieser Ueberschuß nicht,
wie damals allgemein angenommen wurde, im Gase verborgen stecke, sondern
Wärme sei, auf deren Kosten das Gas den Druck überwunden und sich ausge¬
dehnt hätte. Die Wärme verschwand, und an ihre Stelle trat Bewegung und
Arbeitsleistung. Hier also war die verbrauchte Wärme der Größe nach bekannt
und ebenso die geleistete Arbeit. Aus diesen Daten wurde es Mayer dann
leicht, einfach durch Gleichsetzung der Größen das mechanische Wärmeäquivalent
anzugeben und auf die Erwärmung einer bestimmten Menge von Wasser einer¬
seits und die Erhebung derselben Menge andererseits umzurechnen. "Es ergibt
sich hieraus, daß dem Herabsinken eines Gewichtstheiles von einer Höhe von
circa W5 Meter die Erwärmung eines gleichen Gewichtstheiles Wasser von
0° auf l° entspreche." So spricht er das Gesetz aus.

Mayer war zu seiner Entdeckung gelangt, indem er sein Nachdenken ans
die Wärmeerscheinungen im lebenden Körper richtete. Von diesem Ideengange
läßt seine erste Veröffentlichung nichts erkennen; vielmehr bemüht er sich dort,
sein Gesetz ganz allgemein aus logischen und physikalischen Prinzipien zu ent¬
wickeln. Er stellt es als den Zweck seiner Abhandlung hin, "den Begriff der


gerungen von der ^größten Tragweite abzuleiten, Gedanken, auf welche die Welt
oft genug so wenig gefaßt ist, daß es lange Zeit dauert, bis sie Eingang
finden und Früchte tragen.

Als Mayer in die Heimat zurückgekehrt war, veröffentlichte er seine
Entdeckung 1842 im Maihefte von Liebig's „Annalen für Chemie und Phar¬
macie". Die betreffende Abhandlung erschien äußerlich in einem höchst anspruchs¬
losen Gewände; sie trägt die Ueberschrift: „Bemerkungen über die Kräfte der unbe¬
lebten Natur" und ist nur wenige Seiten lang. Ganz am Schlüsse der Abhandlung
wivd der Leser gewissermaßen überrascht durch die numerische Berechnung des
mechanischen Wärmeäquivalents. Die geniale Art, wie Mayer es berechnet, legt
Zeugniß ab für die große Subtilität seines Denkens; denn es ist kein Zufall,
daß er gerade das Verhalten der Gase gegen die Wärme für seinen Zweck
wählte; sollte sein Gesetz ein allgemeines Gesetz der Ncckur sein, so mußte es
an dem gasförmigen Zustande der Körper am deutlichsten, d. h. ohne Trübung
durch Nebenthatsachen zu Tage treten.

Es war nämlich bekannt, daß eine bestimmte Menge abgeschlossener Luft zu
ihrer Erwärmung um einen Temperaturgrad unter zwei verschiedenen Bedingungen
anch zwei verschiedene Mengen von Wärme nöthig hat. Die verschiedenen
Bedingungen sind derart, daß die Luft einmal dasselbe Volumen während der
Erwärmung behält, das andere Mal die Möglichkeit hat, sich auszudehnen,
aber dabei genöthigt ist, einen bestimmten Druck zu überwinden. Im zweiten
Falle ist eine größere Menge Wärme erforderlich, als im ersteren, und zwar
fast anderthalbmal so viel. Mayer zuerst sah ein, daß dieser Ueberschuß nicht,
wie damals allgemein angenommen wurde, im Gase verborgen stecke, sondern
Wärme sei, auf deren Kosten das Gas den Druck überwunden und sich ausge¬
dehnt hätte. Die Wärme verschwand, und an ihre Stelle trat Bewegung und
Arbeitsleistung. Hier also war die verbrauchte Wärme der Größe nach bekannt
und ebenso die geleistete Arbeit. Aus diesen Daten wurde es Mayer dann
leicht, einfach durch Gleichsetzung der Größen das mechanische Wärmeäquivalent
anzugeben und auf die Erwärmung einer bestimmten Menge von Wasser einer¬
seits und die Erhebung derselben Menge andererseits umzurechnen. „Es ergibt
sich hieraus, daß dem Herabsinken eines Gewichtstheiles von einer Höhe von
circa W5 Meter die Erwärmung eines gleichen Gewichtstheiles Wasser von
0° auf l° entspreche." So spricht er das Gesetz aus.

Mayer war zu seiner Entdeckung gelangt, indem er sein Nachdenken ans
die Wärmeerscheinungen im lebenden Körper richtete. Von diesem Ideengange
läßt seine erste Veröffentlichung nichts erkennen; vielmehr bemüht er sich dort,
sein Gesetz ganz allgemein aus logischen und physikalischen Prinzipien zu ent¬
wickeln. Er stellt es als den Zweck seiner Abhandlung hin, „den Begriff der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/54>, abgerufen am 23.07.2024.