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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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dürfte man sie dennoch als eine gedeihliche Lösung der Lehrlingsfrage ansehen
und begrüßen, wenn man mit Sicherheit erwarten könnte, daß die Handwerker,
sei es auch nur mit Hilfe der Geldmittel des Staates , für diese Forderung
noch hinreichende organisatorische Kraft besitzen. Wäre dies der Fall, wir
dürften uns Glück dazu wünschen.

Als einen zweiten vorbereitenden Schritt in dieser Angelegenheit darf man
den Erlaß des preußischen Handelsministers Maybach vom 4. Januar ansehen,
in welchem er die Behörden auffordert, bei den Handwerkern den Organisa¬
tionsgedanken wieder anzuregen und ihnen eventuell mit Rath und That zur
Seite zu stehen. Dieser Erlaß hat bereits die bayrische, sächsische und meck¬
lenburgische Regierung zur Nachahmung gereizt und überall in den betheiligten
gewerblichen" Kreisen eine rege Diskussion hervorgerufen. Der Minister stellt
sich auf den Standpunkt der Gewerbefreiheit und hat diesen auch später einer
Deputation Berliner Gewerbetreibender gegenüber festgehalten; er glaubt, daß
sehr wohl ohne Aenderung der Gewerbeordnung neue Innungen möglich seien;
erst dann, wenn sie geschaffen, werde man in der Lage sein, ihrer Organisation
eine gesetzliche Grundlage zu geben. Von den Behörden wünscht er im Sommer
einen Bericht über ihre Erfahrungen und über die Ansichten, welche unter den
Handwerkern über die Angelegenheit laut geworden sind. Ans diese Berichte
darf man gespannt sein. Sie werden reiches Material zur Lösung der Frage
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Inzwischen hat, ebenfalls um Material zu sammeln, die Hamburger Ge¬
werbekammer eine Denkschrift über die prinzipielle Reform der deutschen Ge¬
werbeordnung ausgearbeitet, verbreiten lassen und zur Begutachtung derselben
aufgefordert, und der Gewerbeverein in Zittau, der an der Spitze der sächsi¬
schen Gewerbevereine steht, hat zur Erleichterung der Begutachtung zehn Fragen
gestellt, welche von allen Gewerbevereinen Sachsen's beantwortet werden sollen.
Gleichzeitig hat der. Zittauer Gewerbeverein in einem Schreiben an den dor¬
tigen Siadtrath dargelegt, wie er sich die neuen Innungen denkt. Er ist mit
dem Osnabrücker Statut nicht ganz zufrieden und erwartet von der Gesetz¬
gebung erst Rechte, ehe man zur Gründung von Innungen schreite. Zu diesen
Rechten zählt man in Zittau "in erster Linie, die ausschließliche Befugniß der
Jnnungsmitglieder, Lehrlinge auszubilden resp. loszusprechen". Die Gewerbe¬
freiheit will man dann nicht weiter antasten. Auch die Mitwirkung der Ver¬
waltungsbehörden glaubt man. nicht nöthig zu haben. Daß dies die Ansicht
fast aller Gewerbevereine Sachsen's ist, darf man wohl annehmen.

Das preußische Abgeordnetenhaus hat zu der Frage insofern Stellung
genommen, als die Petitionskommission dem Hause vorschlägt, über eine große
Anzahl Petitionen von Handwerkervereinen, die um ein Gesetz zur Errichtung


dürfte man sie dennoch als eine gedeihliche Lösung der Lehrlingsfrage ansehen
und begrüßen, wenn man mit Sicherheit erwarten könnte, daß die Handwerker,
sei es auch nur mit Hilfe der Geldmittel des Staates , für diese Forderung
noch hinreichende organisatorische Kraft besitzen. Wäre dies der Fall, wir
dürften uns Glück dazu wünschen.

Als einen zweiten vorbereitenden Schritt in dieser Angelegenheit darf man
den Erlaß des preußischen Handelsministers Maybach vom 4. Januar ansehen,
in welchem er die Behörden auffordert, bei den Handwerkern den Organisa¬
tionsgedanken wieder anzuregen und ihnen eventuell mit Rath und That zur
Seite zu stehen. Dieser Erlaß hat bereits die bayrische, sächsische und meck¬
lenburgische Regierung zur Nachahmung gereizt und überall in den betheiligten
gewerblichen« Kreisen eine rege Diskussion hervorgerufen. Der Minister stellt
sich auf den Standpunkt der Gewerbefreiheit und hat diesen auch später einer
Deputation Berliner Gewerbetreibender gegenüber festgehalten; er glaubt, daß
sehr wohl ohne Aenderung der Gewerbeordnung neue Innungen möglich seien;
erst dann, wenn sie geschaffen, werde man in der Lage sein, ihrer Organisation
eine gesetzliche Grundlage zu geben. Von den Behörden wünscht er im Sommer
einen Bericht über ihre Erfahrungen und über die Ansichten, welche unter den
Handwerkern über die Angelegenheit laut geworden sind. Ans diese Berichte
darf man gespannt sein. Sie werden reiches Material zur Lösung der Frage
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Inzwischen hat, ebenfalls um Material zu sammeln, die Hamburger Ge¬
werbekammer eine Denkschrift über die prinzipielle Reform der deutschen Ge¬
werbeordnung ausgearbeitet, verbreiten lassen und zur Begutachtung derselben
aufgefordert, und der Gewerbeverein in Zittau, der an der Spitze der sächsi¬
schen Gewerbevereine steht, hat zur Erleichterung der Begutachtung zehn Fragen
gestellt, welche von allen Gewerbevereinen Sachsen's beantwortet werden sollen.
Gleichzeitig hat der. Zittauer Gewerbeverein in einem Schreiben an den dor¬
tigen Siadtrath dargelegt, wie er sich die neuen Innungen denkt. Er ist mit
dem Osnabrücker Statut nicht ganz zufrieden und erwartet von der Gesetz¬
gebung erst Rechte, ehe man zur Gründung von Innungen schreite. Zu diesen
Rechten zählt man in Zittau „in erster Linie, die ausschließliche Befugniß der
Jnnungsmitglieder, Lehrlinge auszubilden resp. loszusprechen". Die Gewerbe¬
freiheit will man dann nicht weiter antasten. Auch die Mitwirkung der Ver¬
waltungsbehörden glaubt man. nicht nöthig zu haben. Daß dies die Ansicht
fast aller Gewerbevereine Sachsen's ist, darf man wohl annehmen.

Das preußische Abgeordnetenhaus hat zu der Frage insofern Stellung
genommen, als die Petitionskommission dem Hause vorschlägt, über eine große
Anzahl Petitionen von Handwerkervereinen, die um ein Gesetz zur Errichtung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/499>, abgerufen am 01.07.2024.