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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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eine anziehende, lehrreiche und dankbare Aufgabe, wie es scheint, für einen
jüngeren Literatnrwissenschafter, der sich die ersten Sporen daran verdienen
könnte -- eine dankbarere jedenfalls, als statistische Untersuchungen anzustellen
über die Gestaltung des fünffüßigen Jambus vor Lessing, über den Hiatus in
der deutschen Dichtung des 17. Jahrhunderts und ähnliche schöne Themata, wie
sie unsere junge, hoffnungsvolle deutsche Literaturwissenschaft, in die Gleise der
alt und stumpf gewordenen klassischen Philologie sich verirrend, leider jetzt
auch schon zu behandeln anfängt.

Zum Schlüsse erübrigt es nur noch, die Loeper'schen Goethe-Briefe unseren
Lesern angelegentlichst zu empfehlen. Das Buch ist zum Besten des in Berlin
zu errichtenden Goethe-Denkmals gedruckt und von der Verlagshandlung in das
vornehme Gewand gekleidet worden, das wir von den meisten ihrer Verlagswerke
gewöhnt sind, und das bei den Grimm'schen Vorlesungen über Goethe sogar
einmal von einer, leider vereinzelt gebliebenen, ornamentalen Anwandlung
" ^ " begleitet war.




Aus dem Lesen eines astatischen Lroöerers.

Wie bei uns im Mittelalter, so sehen wir jetzt noch in Asien kühne Aben¬
teurer oder minderjährige Söhne auftauchen und, allein auf ihr Schwert und
einen unzufriedenen Anhang gestützt, vom Glück begünstigt, sich große Reiche
zusammeuerobern, die eine Zeit lang meteorgleich glänzen, aber bald, nachdem
sie ihre Rolle ausgespielt, wieder zu nichts zerfallen.

Es ist jetzt ein Jahr vergangen, daß ruhmlos ein großes Reich in Zentral-
asien zusammenbrach, welches, von Rußland sowohl als von England umworben,
in der asiatischen Rivalität beider Mächte eine große Rolle spielte. Wir meinen
Kaschgar oder Ostturkestan, das mohammedanische Reich, das 1865 vom
"Vertheidiger des Glaubens", dem kühnen und tapferen Jakub Beg, begründet
wurde und das, wie es verdient, jetzt schon einen ausführlichen Geschichts¬
schreiber gefunden hat.*)

Ganz abgesehen aber von der politischen Wichtigkeit, welche das Reich
Kaschgar in Folge seiner Lage zwischen Rußland, China und Indien besaß,
hat dasselbe auch für den Historiker wie für den Völkerkundigen ein mehr als



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eine anziehende, lehrreiche und dankbare Aufgabe, wie es scheint, für einen
jüngeren Literatnrwissenschafter, der sich die ersten Sporen daran verdienen
könnte — eine dankbarere jedenfalls, als statistische Untersuchungen anzustellen
über die Gestaltung des fünffüßigen Jambus vor Lessing, über den Hiatus in
der deutschen Dichtung des 17. Jahrhunderts und ähnliche schöne Themata, wie
sie unsere junge, hoffnungsvolle deutsche Literaturwissenschaft, in die Gleise der
alt und stumpf gewordenen klassischen Philologie sich verirrend, leider jetzt
auch schon zu behandeln anfängt.

Zum Schlüsse erübrigt es nur noch, die Loeper'schen Goethe-Briefe unseren
Lesern angelegentlichst zu empfehlen. Das Buch ist zum Besten des in Berlin
zu errichtenden Goethe-Denkmals gedruckt und von der Verlagshandlung in das
vornehme Gewand gekleidet worden, das wir von den meisten ihrer Verlagswerke
gewöhnt sind, und das bei den Grimm'schen Vorlesungen über Goethe sogar
einmal von einer, leider vereinzelt gebliebenen, ornamentalen Anwandlung
" ^ " begleitet war.




Aus dem Lesen eines astatischen Lroöerers.

Wie bei uns im Mittelalter, so sehen wir jetzt noch in Asien kühne Aben¬
teurer oder minderjährige Söhne auftauchen und, allein auf ihr Schwert und
einen unzufriedenen Anhang gestützt, vom Glück begünstigt, sich große Reiche
zusammeuerobern, die eine Zeit lang meteorgleich glänzen, aber bald, nachdem
sie ihre Rolle ausgespielt, wieder zu nichts zerfallen.

Es ist jetzt ein Jahr vergangen, daß ruhmlos ein großes Reich in Zentral-
asien zusammenbrach, welches, von Rußland sowohl als von England umworben,
in der asiatischen Rivalität beider Mächte eine große Rolle spielte. Wir meinen
Kaschgar oder Ostturkestan, das mohammedanische Reich, das 1865 vom
„Vertheidiger des Glaubens", dem kühnen und tapferen Jakub Beg, begründet
wurde und das, wie es verdient, jetzt schon einen ausführlichen Geschichts¬
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Ganz abgesehen aber von der politischen Wichtigkeit, welche das Reich
Kaschgar in Folge seiner Lage zwischen Rußland, China und Indien besaß,
hat dasselbe auch für den Historiker wie für den Völkerkundigen ein mehr als



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/450>, abgerufen am 26.08.2024.