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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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die gleiche Stundenzahl wie im Vorjahre. Neu hinzu kommen 3 Fächer mit
je 3 Wochenstunden, nämlich Physik, Naturgeschichte, wissenschaftliche Elemente
der bürgerlichen Ethik und des Rechtes. Italienisch und Zeichnen sind um je
2 Stunden, Mathematik um eine Stunde verkürzt. Von den 36 Stunden
des Oberkursus sind dem Italienischen eingeräumt 4 Stunden, der zweiten
fremden Sprache 5, den Elementen der Nationalökonomie 3, der Physik 3,
der allgemeinen Chemie 3, den Uebungen in derselben 4, der Naturgeschichte 3,
der Mathematik 5, dem Zeichnen 6.

Ueber die beiden der italienischen Realschule eigenthümlichen Unterrichts¬
gegenstände, die Elemente der bürgerlichen Ethik und des Rechtes und die Ele¬
mente der Nationalökonomie, äußert sich eine Autorität auf dem Gebiete des
Realschulwesens, Professor Dr. Strack in Berlin, in einem trotz mancher Un-
genauigkeiten und Lücken sehr brauchbaren Schriftchen (Das Schulwesen
Italien's, besonders die Realschulen Italien's im Jahre 1878. Bielefeld und
Leipzig 1878) folgendermaßen: "Die Zöglinge erscheinen uns, obwohl das
Klima auch den Menschen hier früher als bei uns zur Reife bringt, weder
sattsam geistig entwickelt, noch wissenschaftlich hinreichend vorbereitet zu ersprie߬
licher Theilnahme an Vorträgen der Art; der Lektionsplan wird also unnütz,
d. h. zum Nachtheil für das Ganze, überladen; die Arbeitskraft der Schüler
wird übermäßig in Anspruch genommen und gleichzeitig zersplittert, und die
Stundenzahl wird größer, als die klimatischen Verhältnisse es zu gestatten
scheinen." Wir können diesem Urtheil nicht widersprechen. Das Studium der
Elemente der bürgerlichen Ethik und des Rechtes im Vereine mit den Haupt¬
begriffen der Psychologie und Logik ist im wesentlichen erst durch den Minister
Majorana-Calatabiano eingeführt worden, der hierdurch die Bildung des Charak¬
ters zu fördern hoffte. Das Studium der Volkswirthschaft wurde schon im Gesetze
vom Jahre 1859 angeordnet. Wer, wie Referent, auch deu Lyceen die Be¬
schäftigung mit der Philosophie abnehmen möchte, muß den Instituten wünschen,
daß die berührten zwei Fächer, deren halb wissenschaftlicher Betrieb den Hang
der Jugend zum Dogmatismus fördert, aus dem Stundenplan entfernt und
daß die ausfallenden Stunden, wenn es wirklich bei den 36 in der Woche
verbleiben soll, zunächst dem Lehrer für italienische Literatur und dem für
Geschichte übertragen werden. Da nach der Absicht des Programms nicht uur
Politische, sondern Kulturgeschichte gelehrt werden soll, und da es in Italien
leichter sein dürste als irgendwo, das Element der Kunst mit zu berücksichtigen,
so dürfte man wohl vom Geschichtsunterricht jene Hebung des Idealismus er¬
warten, welche den Gymnasiasten für die Vertiefung in die Werke des Alter¬
thums belohnt. Daß die technischen Institute nicht lateinisch treiben, weil die


Grenzboten I. 1879. SS

die gleiche Stundenzahl wie im Vorjahre. Neu hinzu kommen 3 Fächer mit
je 3 Wochenstunden, nämlich Physik, Naturgeschichte, wissenschaftliche Elemente
der bürgerlichen Ethik und des Rechtes. Italienisch und Zeichnen sind um je
2 Stunden, Mathematik um eine Stunde verkürzt. Von den 36 Stunden
des Oberkursus sind dem Italienischen eingeräumt 4 Stunden, der zweiten
fremden Sprache 5, den Elementen der Nationalökonomie 3, der Physik 3,
der allgemeinen Chemie 3, den Uebungen in derselben 4, der Naturgeschichte 3,
der Mathematik 5, dem Zeichnen 6.

Ueber die beiden der italienischen Realschule eigenthümlichen Unterrichts¬
gegenstände, die Elemente der bürgerlichen Ethik und des Rechtes und die Ele¬
mente der Nationalökonomie, äußert sich eine Autorität auf dem Gebiete des
Realschulwesens, Professor Dr. Strack in Berlin, in einem trotz mancher Un-
genauigkeiten und Lücken sehr brauchbaren Schriftchen (Das Schulwesen
Italien's, besonders die Realschulen Italien's im Jahre 1878. Bielefeld und
Leipzig 1878) folgendermaßen: „Die Zöglinge erscheinen uns, obwohl das
Klima auch den Menschen hier früher als bei uns zur Reife bringt, weder
sattsam geistig entwickelt, noch wissenschaftlich hinreichend vorbereitet zu ersprie߬
licher Theilnahme an Vorträgen der Art; der Lektionsplan wird also unnütz,
d. h. zum Nachtheil für das Ganze, überladen; die Arbeitskraft der Schüler
wird übermäßig in Anspruch genommen und gleichzeitig zersplittert, und die
Stundenzahl wird größer, als die klimatischen Verhältnisse es zu gestatten
scheinen." Wir können diesem Urtheil nicht widersprechen. Das Studium der
Elemente der bürgerlichen Ethik und des Rechtes im Vereine mit den Haupt¬
begriffen der Psychologie und Logik ist im wesentlichen erst durch den Minister
Majorana-Calatabiano eingeführt worden, der hierdurch die Bildung des Charak¬
ters zu fördern hoffte. Das Studium der Volkswirthschaft wurde schon im Gesetze
vom Jahre 1859 angeordnet. Wer, wie Referent, auch deu Lyceen die Be¬
schäftigung mit der Philosophie abnehmen möchte, muß den Instituten wünschen,
daß die berührten zwei Fächer, deren halb wissenschaftlicher Betrieb den Hang
der Jugend zum Dogmatismus fördert, aus dem Stundenplan entfernt und
daß die ausfallenden Stunden, wenn es wirklich bei den 36 in der Woche
verbleiben soll, zunächst dem Lehrer für italienische Literatur und dem für
Geschichte übertragen werden. Da nach der Absicht des Programms nicht uur
Politische, sondern Kulturgeschichte gelehrt werden soll, und da es in Italien
leichter sein dürste als irgendwo, das Element der Kunst mit zu berücksichtigen,
so dürfte man wohl vom Geschichtsunterricht jene Hebung des Idealismus er¬
warten, welche den Gymnasiasten für die Vertiefung in die Werke des Alter¬
thums belohnt. Daß die technischen Institute nicht lateinisch treiben, weil die


Grenzboten I. 1879. SS
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[0437] die gleiche Stundenzahl wie im Vorjahre. Neu hinzu kommen 3 Fächer mit je 3 Wochenstunden, nämlich Physik, Naturgeschichte, wissenschaftliche Elemente der bürgerlichen Ethik und des Rechtes. Italienisch und Zeichnen sind um je 2 Stunden, Mathematik um eine Stunde verkürzt. Von den 36 Stunden des Oberkursus sind dem Italienischen eingeräumt 4 Stunden, der zweiten fremden Sprache 5, den Elementen der Nationalökonomie 3, der Physik 3, der allgemeinen Chemie 3, den Uebungen in derselben 4, der Naturgeschichte 3, der Mathematik 5, dem Zeichnen 6. Ueber die beiden der italienischen Realschule eigenthümlichen Unterrichts¬ gegenstände, die Elemente der bürgerlichen Ethik und des Rechtes und die Ele¬ mente der Nationalökonomie, äußert sich eine Autorität auf dem Gebiete des Realschulwesens, Professor Dr. Strack in Berlin, in einem trotz mancher Un- genauigkeiten und Lücken sehr brauchbaren Schriftchen (Das Schulwesen Italien's, besonders die Realschulen Italien's im Jahre 1878. Bielefeld und Leipzig 1878) folgendermaßen: „Die Zöglinge erscheinen uns, obwohl das Klima auch den Menschen hier früher als bei uns zur Reife bringt, weder sattsam geistig entwickelt, noch wissenschaftlich hinreichend vorbereitet zu ersprie߬ licher Theilnahme an Vorträgen der Art; der Lektionsplan wird also unnütz, d. h. zum Nachtheil für das Ganze, überladen; die Arbeitskraft der Schüler wird übermäßig in Anspruch genommen und gleichzeitig zersplittert, und die Stundenzahl wird größer, als die klimatischen Verhältnisse es zu gestatten scheinen." Wir können diesem Urtheil nicht widersprechen. Das Studium der Elemente der bürgerlichen Ethik und des Rechtes im Vereine mit den Haupt¬ begriffen der Psychologie und Logik ist im wesentlichen erst durch den Minister Majorana-Calatabiano eingeführt worden, der hierdurch die Bildung des Charak¬ ters zu fördern hoffte. Das Studium der Volkswirthschaft wurde schon im Gesetze vom Jahre 1859 angeordnet. Wer, wie Referent, auch deu Lyceen die Be¬ schäftigung mit der Philosophie abnehmen möchte, muß den Instituten wünschen, daß die berührten zwei Fächer, deren halb wissenschaftlicher Betrieb den Hang der Jugend zum Dogmatismus fördert, aus dem Stundenplan entfernt und daß die ausfallenden Stunden, wenn es wirklich bei den 36 in der Woche verbleiben soll, zunächst dem Lehrer für italienische Literatur und dem für Geschichte übertragen werden. Da nach der Absicht des Programms nicht uur Politische, sondern Kulturgeschichte gelehrt werden soll, und da es in Italien leichter sein dürste als irgendwo, das Element der Kunst mit zu berücksichtigen, so dürfte man wohl vom Geschichtsunterricht jene Hebung des Idealismus er¬ warten, welche den Gymnasiasten für die Vertiefung in die Werke des Alter¬ thums belohnt. Daß die technischen Institute nicht lateinisch treiben, weil die Grenzboten I. 1879. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/437>, abgerufen am 26.06.2024.