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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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stellten Lehrer im Laufe des Jahres fest angenommen wurde, so sieht es doch
so aus, als ob man zu sehr an die Budgetverhältnisse des Staates und zu
wenig an die Bedürfnisse des Lehrers dächte. Begreiflich wird die Langsam¬
keit der Beförderung des inLg.rief.t0 zum rsMuts, wenn man weiß, daß der
erstere noch keine Pensionsberechtigung hat und leichter entfernt werden kann.
Uebrigens kennt Italien die Einrichtung des Probejahres nicht, und der mit
geringerem Gehalt provisorisch angestellte Lehrer hat bei definitiver Besetzung
der Stelle einen sehr großen Vorzug vor seinen Konkurrenten, welche nicht
öffentlich gelehrt haben.

Die Regierung kann Leute von Auszeichnung berufen, auch wenn dieselben
noch nicht an einem Institute gelehrt haben, oder sie läßt die erledigte Stelle
förmlich ausschreiben. Die Bewerbung erfolgt entweder auf Grund der Zeug¬
nisse und Veröffentlichung der Konkurrenten oder mittelst Prüfung; in den
meisten Fällen werden beide Arten der Bewerbung kombinirt. Entweder ent¬
scheidet der aus 11 Mitgliedern bestehende Rath für den industriellen und
professionellen Unterricht, welchem die Kompetenzen des Oberstudienrathes über¬
tragen find, oder, was das Gewöhnliche ist, eine Kommission a>ä Kvo. Die
Arbeiten dieser Kommissionen sind sehr erschwert dadurch, daß man noch immer
nicht die Mittel gefunden hat, gänzlich Unberufene von vornherein von der
Bewerbung auszuschließen. Mit der Zeit wird wohl auch Italien zu dem
System der Staatsprüfungen greifen und hauptsächlich auf Grund der in den¬
selben ertheilten Klassifizirungen anstellen, mit Ausnahme vielleicht der in der
Entwickelung begriffenen naturwissenschaftlichen Fächer, wo erneute Prüfungen
die beste Gewähr geben können, daß der Tüchtigste herausgefunden werde.

Werfen wir nun einen Blick auf die Lehrgegeustünde der allgemein-wissen¬
schaftlichen Abtheilung. Wenn wir uns dabei enthalten, einen Auszug aus
dem detaillirten, auch den Schülern zugänglichen Programm zu geben, so
geschieht es vor allem auch deswegen, weil wir doch nicht im Stande wären,
neben dem allgemein vorgeschriebenen "Was" das "Wie" des Unterrichtes in
den verschiedenen Anstalten zu schildern. Von 32 wöchentlichen Unterrichts¬
stunden des zweiten Kursus fallen je 6 auf Italienisch. Mathematik und
Zeichnen, je 3 auf Geographie, Geschichte und Französisch und 5 auf eine
zweite fremde Sprache. Entweder wird englisch oder deutsch, in vielen Fällen
beides gelehrt; dann hat der Schüler die Wahl, welcher dieser 2 Sprachen
er sich zuwenden will. (Im Schlußexamen ist mehrmals das gleiche Thema
für beide Sprachen gegeben worden.) Auf das Französische wird weniger Zeit
verwendet, da die Schüler dasselbe 3 Jahre vorher in der technischen Schule
studiren. Im dritten Jahre ordnet der Lehrplan wöchentlich 36 Lehrstunden
an. Geschichte, Geographie, Französisch und die zweite fremde Sprache haben


stellten Lehrer im Laufe des Jahres fest angenommen wurde, so sieht es doch
so aus, als ob man zu sehr an die Budgetverhältnisse des Staates und zu
wenig an die Bedürfnisse des Lehrers dächte. Begreiflich wird die Langsam¬
keit der Beförderung des inLg.rief.t0 zum rsMuts, wenn man weiß, daß der
erstere noch keine Pensionsberechtigung hat und leichter entfernt werden kann.
Uebrigens kennt Italien die Einrichtung des Probejahres nicht, und der mit
geringerem Gehalt provisorisch angestellte Lehrer hat bei definitiver Besetzung
der Stelle einen sehr großen Vorzug vor seinen Konkurrenten, welche nicht
öffentlich gelehrt haben.

Die Regierung kann Leute von Auszeichnung berufen, auch wenn dieselben
noch nicht an einem Institute gelehrt haben, oder sie läßt die erledigte Stelle
förmlich ausschreiben. Die Bewerbung erfolgt entweder auf Grund der Zeug¬
nisse und Veröffentlichung der Konkurrenten oder mittelst Prüfung; in den
meisten Fällen werden beide Arten der Bewerbung kombinirt. Entweder ent¬
scheidet der aus 11 Mitgliedern bestehende Rath für den industriellen und
professionellen Unterricht, welchem die Kompetenzen des Oberstudienrathes über¬
tragen find, oder, was das Gewöhnliche ist, eine Kommission a>ä Kvo. Die
Arbeiten dieser Kommissionen sind sehr erschwert dadurch, daß man noch immer
nicht die Mittel gefunden hat, gänzlich Unberufene von vornherein von der
Bewerbung auszuschließen. Mit der Zeit wird wohl auch Italien zu dem
System der Staatsprüfungen greifen und hauptsächlich auf Grund der in den¬
selben ertheilten Klassifizirungen anstellen, mit Ausnahme vielleicht der in der
Entwickelung begriffenen naturwissenschaftlichen Fächer, wo erneute Prüfungen
die beste Gewähr geben können, daß der Tüchtigste herausgefunden werde.

Werfen wir nun einen Blick auf die Lehrgegeustünde der allgemein-wissen¬
schaftlichen Abtheilung. Wenn wir uns dabei enthalten, einen Auszug aus
dem detaillirten, auch den Schülern zugänglichen Programm zu geben, so
geschieht es vor allem auch deswegen, weil wir doch nicht im Stande wären,
neben dem allgemein vorgeschriebenen „Was" das „Wie" des Unterrichtes in
den verschiedenen Anstalten zu schildern. Von 32 wöchentlichen Unterrichts¬
stunden des zweiten Kursus fallen je 6 auf Italienisch. Mathematik und
Zeichnen, je 3 auf Geographie, Geschichte und Französisch und 5 auf eine
zweite fremde Sprache. Entweder wird englisch oder deutsch, in vielen Fällen
beides gelehrt; dann hat der Schüler die Wahl, welcher dieser 2 Sprachen
er sich zuwenden will. (Im Schlußexamen ist mehrmals das gleiche Thema
für beide Sprachen gegeben worden.) Auf das Französische wird weniger Zeit
verwendet, da die Schüler dasselbe 3 Jahre vorher in der technischen Schule
studiren. Im dritten Jahre ordnet der Lehrplan wöchentlich 36 Lehrstunden
an. Geschichte, Geographie, Französisch und die zweite fremde Sprache haben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/436>, abgerufen am 28.09.2024.