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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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HortschaKosssche Politik.

Wer die Aeußerungen der russischen Presse in den letzten Jahren verfolgt
hat, der wird die Bemerkung gemacht haben, daß die Stellung, welche mehrere
dieser Blätter -- wir nennen nur die (russische) "Se. Petersburger Zeitung",
den "Golos" und die "Russische Welt" -- den deutschen Interessen und der
deutschen Politik gegenüber einnehmen, eine wenig freundliche ist. Ja, eine
nicht kleine Anzahl von ihren Urtheilen über unsere Angelegenheiten, Zustände
und Maßregeln lautet entschieden übelwollend und läßt auf eine aus Neid,
Mißtrauen, verletztem Selbstgefühl und ähnlichen Empfindungen entsprungene
Stimmung schließen, die durch den Gedanken, daß wir Rußland zu Danke ver¬
pflichtet seien und dies nicht einsahen und bethätigten, noch mehr verbittert zu
sein scheint.

Einige dieser Zeitungsstimmen sind offenbar nur der Ausdruck von Pri¬
vatmeinungen. Die einen vertreten z. B. die Ansichten und Wünsche des poli¬
tischen Radikalismus, der gewisse Stände der russischen Gesellschaft als neueste
Mode beherrscht. Die andern äußern sich mit ungeberdigem Groll gegen uns,
weil sie Organe des chauvinistischen Panslavismus find. Bei wieder anderen
aber Hat man Ursache, Beweggründe zu vermuthen, die ihren Ursprung in
höheren Kreisen haben, wobei wir im Voraus bemerken, daß damit die höchste
Stelle nicht gemeint ist. Mit anderen Worten, wir denken dabei nicht an den
Kaiser Alexander, der vielmehr bekanntermaßen ein treuer Freund unseres
Kaisers und seiner Politik ist und sich als solcher bewährt hat, und der dazu
uicht blos durch verwandtschaftliche Rücksichten und persönliche Gefühle anderer
Art, sondern augenscheinlich auch durch die Erkenntniß bestimmt wird, daß
unsere Interessen und die wohlverstandenen Bedürfnisse seines Reiches in sehr
wesentlichen Beziehungen dieselben sind und sich in anderen mindestens weniger
widersprechen als die russischen Interessen denen anderer Staaten.

Die am wenigsten freundliche Gesinnung gegen die deutsche Politik be¬
kundete schon seit Jahren, besonders aber in der jüngsten Zeit, der "Golos",


Grenzboten I. 1879. 83
HortschaKosssche Politik.

Wer die Aeußerungen der russischen Presse in den letzten Jahren verfolgt
hat, der wird die Bemerkung gemacht haben, daß die Stellung, welche mehrere
dieser Blätter — wir nennen nur die (russische) „Se. Petersburger Zeitung",
den „Golos" und die „Russische Welt" — den deutschen Interessen und der
deutschen Politik gegenüber einnehmen, eine wenig freundliche ist. Ja, eine
nicht kleine Anzahl von ihren Urtheilen über unsere Angelegenheiten, Zustände
und Maßregeln lautet entschieden übelwollend und läßt auf eine aus Neid,
Mißtrauen, verletztem Selbstgefühl und ähnlichen Empfindungen entsprungene
Stimmung schließen, die durch den Gedanken, daß wir Rußland zu Danke ver¬
pflichtet seien und dies nicht einsahen und bethätigten, noch mehr verbittert zu
sein scheint.

Einige dieser Zeitungsstimmen sind offenbar nur der Ausdruck von Pri¬
vatmeinungen. Die einen vertreten z. B. die Ansichten und Wünsche des poli¬
tischen Radikalismus, der gewisse Stände der russischen Gesellschaft als neueste
Mode beherrscht. Die andern äußern sich mit ungeberdigem Groll gegen uns,
weil sie Organe des chauvinistischen Panslavismus find. Bei wieder anderen
aber Hat man Ursache, Beweggründe zu vermuthen, die ihren Ursprung in
höheren Kreisen haben, wobei wir im Voraus bemerken, daß damit die höchste
Stelle nicht gemeint ist. Mit anderen Worten, wir denken dabei nicht an den
Kaiser Alexander, der vielmehr bekanntermaßen ein treuer Freund unseres
Kaisers und seiner Politik ist und sich als solcher bewährt hat, und der dazu
uicht blos durch verwandtschaftliche Rücksichten und persönliche Gefühle anderer
Art, sondern augenscheinlich auch durch die Erkenntniß bestimmt wird, daß
unsere Interessen und die wohlverstandenen Bedürfnisse seines Reiches in sehr
wesentlichen Beziehungen dieselben sind und sich in anderen mindestens weniger
widersprechen als die russischen Interessen denen anderer Staaten.

Die am wenigsten freundliche Gesinnung gegen die deutsche Politik be¬
kundete schon seit Jahren, besonders aber in der jüngsten Zeit, der „Golos",


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[0421] HortschaKosssche Politik. Wer die Aeußerungen der russischen Presse in den letzten Jahren verfolgt hat, der wird die Bemerkung gemacht haben, daß die Stellung, welche mehrere dieser Blätter — wir nennen nur die (russische) „Se. Petersburger Zeitung", den „Golos" und die „Russische Welt" — den deutschen Interessen und der deutschen Politik gegenüber einnehmen, eine wenig freundliche ist. Ja, eine nicht kleine Anzahl von ihren Urtheilen über unsere Angelegenheiten, Zustände und Maßregeln lautet entschieden übelwollend und läßt auf eine aus Neid, Mißtrauen, verletztem Selbstgefühl und ähnlichen Empfindungen entsprungene Stimmung schließen, die durch den Gedanken, daß wir Rußland zu Danke ver¬ pflichtet seien und dies nicht einsahen und bethätigten, noch mehr verbittert zu sein scheint. Einige dieser Zeitungsstimmen sind offenbar nur der Ausdruck von Pri¬ vatmeinungen. Die einen vertreten z. B. die Ansichten und Wünsche des poli¬ tischen Radikalismus, der gewisse Stände der russischen Gesellschaft als neueste Mode beherrscht. Die andern äußern sich mit ungeberdigem Groll gegen uns, weil sie Organe des chauvinistischen Panslavismus find. Bei wieder anderen aber Hat man Ursache, Beweggründe zu vermuthen, die ihren Ursprung in höheren Kreisen haben, wobei wir im Voraus bemerken, daß damit die höchste Stelle nicht gemeint ist. Mit anderen Worten, wir denken dabei nicht an den Kaiser Alexander, der vielmehr bekanntermaßen ein treuer Freund unseres Kaisers und seiner Politik ist und sich als solcher bewährt hat, und der dazu uicht blos durch verwandtschaftliche Rücksichten und persönliche Gefühle anderer Art, sondern augenscheinlich auch durch die Erkenntniß bestimmt wird, daß unsere Interessen und die wohlverstandenen Bedürfnisse seines Reiches in sehr wesentlichen Beziehungen dieselben sind und sich in anderen mindestens weniger widersprechen als die russischen Interessen denen anderer Staaten. Die am wenigsten freundliche Gesinnung gegen die deutsche Politik be¬ kundete schon seit Jahren, besonders aber in der jüngsten Zeit, der „Golos", Grenzboten I. 1879. 83

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/421>, abgerufen am 25.08.2024.