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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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und weiße Flecke auf dem Bilde entdecken wollten. Selbst das berühmte
Böcklin'sche Blau erscheint darauf nicht in ganz tadelloser Reinheit.

Nur bis zum Jahre 1861 hielt es der Maler in Weimar aus, nachdem
er noch zuvor eine große Komposition für das Baseler Museum, Diana mit
ihren Nymphen auf der Jagd, vollendet hatte. Er ging wieder nach Rom zu¬
rück und schwelgte bis zum Uebermaß in klassischen Motiven. Ein Besuch in
Neapel und Pompeji machte ihn mit den Ueberresten der antiken Malerei ver¬
traut, deren leises Echo uns in den pompejanischen Wandmalereien aufbewahrt
ist. Die letzteren inspirirter ihn zu einigen anmuthigen Genrebildern aus dem
altrömischen Leben, denen es bei aller Mangelhaftigkeit der Zeichnung und
Buntheit des Kolorits nicht an Grazie und naivem Humor fehlte.

Seine Vaterstadt fing nunmehr an, auf ihn aufmerksam zu werden. Man
ertheilte ihm den Auftrag, das Treppenhaus des Museums al K^Zoe" auszu¬
malen. Eine Personifikation der feuchten Naturkraft, die aus den: Wasser ge¬
boren wird, Flora als Repräsentantin der durch sie hervorgerufenen Vegetation,
und Apollo, der Gott des farbenbringenden Lichtes, -- das sind die Zentral¬
punkte der dort ausgeführten Kompositionen, die, wie alle dem wunderlichen
Maler ertheilten Aufträge, ganz und gar nicht zur Zufriedenheit der Besteller
ausfielen. Vorher hatte er bei einem Baseler Patrizier noch andere Fresken
ausgeführt, von denen eine für den Grafen von Schack als Staffeleibild wieder¬
holt worden ist. Sie ist uns insofern von Interesse, als sie das erste größere
Bild Böcklin's ist, dessen Staffage -- dessen Stoff, wäre zu viel gesagt --
der heiligen Geschichte entlehnt ist. Im Vordergrunde einer Abendlandschaft
sieht man nämlich bei stürmischem Wetter Christus mit den Jüngern von
Emmaus.

Erst später kam er auf den Gedanken, es einmal auch mit der religiösen
Malerei in größerem Maßstabe zu versuchen, und so erschien selbst zum Ent¬
setzen seiner blindesten Verehrer auf der Wiener Weltausstellung eine PietZ,,
eine Madonna mit dem Leichnam Christi, der Friedrich Pecht nichts besseres
nachzusagen vermochte, als daß sie in "allen sieben Regenbogenfarben" kolorirt
ist. Vorher malte er noch einen Kentaurenkampf für das Baseler Museum,
der zugleich mit der PietZ, in Wien ausgestellt war und ebenso wie diese
allen Gesetzen der Form Hohn sprach. Von nun an geht es mit seiner Kunst
bergab. Selbst der größte Farbenenthusiast ist nicht mehr im Stande, sich über
die krassen Verletzungen der aesthetischen Form, mit denen Böcklin augenscheinlich
kokettirt, hinwegzusetzen, und während seine Freunde noch immer von "genialen
Verirrungen" sprechen, faßt der wohlwollende, aber unbefangene Menschenfreund
sein Urtheil in die Worte zusammen: "Welch' edler Geist ist hier zerstört!" Der


und weiße Flecke auf dem Bilde entdecken wollten. Selbst das berühmte
Böcklin'sche Blau erscheint darauf nicht in ganz tadelloser Reinheit.

Nur bis zum Jahre 1861 hielt es der Maler in Weimar aus, nachdem
er noch zuvor eine große Komposition für das Baseler Museum, Diana mit
ihren Nymphen auf der Jagd, vollendet hatte. Er ging wieder nach Rom zu¬
rück und schwelgte bis zum Uebermaß in klassischen Motiven. Ein Besuch in
Neapel und Pompeji machte ihn mit den Ueberresten der antiken Malerei ver¬
traut, deren leises Echo uns in den pompejanischen Wandmalereien aufbewahrt
ist. Die letzteren inspirirter ihn zu einigen anmuthigen Genrebildern aus dem
altrömischen Leben, denen es bei aller Mangelhaftigkeit der Zeichnung und
Buntheit des Kolorits nicht an Grazie und naivem Humor fehlte.

Seine Vaterstadt fing nunmehr an, auf ihn aufmerksam zu werden. Man
ertheilte ihm den Auftrag, das Treppenhaus des Museums al K^Zoe» auszu¬
malen. Eine Personifikation der feuchten Naturkraft, die aus den: Wasser ge¬
boren wird, Flora als Repräsentantin der durch sie hervorgerufenen Vegetation,
und Apollo, der Gott des farbenbringenden Lichtes, — das sind die Zentral¬
punkte der dort ausgeführten Kompositionen, die, wie alle dem wunderlichen
Maler ertheilten Aufträge, ganz und gar nicht zur Zufriedenheit der Besteller
ausfielen. Vorher hatte er bei einem Baseler Patrizier noch andere Fresken
ausgeführt, von denen eine für den Grafen von Schack als Staffeleibild wieder¬
holt worden ist. Sie ist uns insofern von Interesse, als sie das erste größere
Bild Böcklin's ist, dessen Staffage — dessen Stoff, wäre zu viel gesagt —
der heiligen Geschichte entlehnt ist. Im Vordergrunde einer Abendlandschaft
sieht man nämlich bei stürmischem Wetter Christus mit den Jüngern von
Emmaus.

Erst später kam er auf den Gedanken, es einmal auch mit der religiösen
Malerei in größerem Maßstabe zu versuchen, und so erschien selbst zum Ent¬
setzen seiner blindesten Verehrer auf der Wiener Weltausstellung eine PietZ,,
eine Madonna mit dem Leichnam Christi, der Friedrich Pecht nichts besseres
nachzusagen vermochte, als daß sie in „allen sieben Regenbogenfarben" kolorirt
ist. Vorher malte er noch einen Kentaurenkampf für das Baseler Museum,
der zugleich mit der PietZ, in Wien ausgestellt war und ebenso wie diese
allen Gesetzen der Form Hohn sprach. Von nun an geht es mit seiner Kunst
bergab. Selbst der größte Farbenenthusiast ist nicht mehr im Stande, sich über
die krassen Verletzungen der aesthetischen Form, mit denen Böcklin augenscheinlich
kokettirt, hinwegzusetzen, und während seine Freunde noch immer von „genialen
Verirrungen" sprechen, faßt der wohlwollende, aber unbefangene Menschenfreund
sein Urtheil in die Worte zusammen: „Welch' edler Geist ist hier zerstört!" Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/401>, abgerufen am 26.08.2024.