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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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"Brentano hat mir ihre (l. Ihre) täglichen Briefe an Ihn gezeigt.. ich wünsche
dass die Freundschasft und das Zutrauen, das mir bisher der Mann bezeugt,
ungeheuchelt seyn möge, ich glands wenigstens, und so hoff ich dass ich der Kleinen
künftig keinen Verdruss mehr, und vielleicht eine angenehme Stunde hie u. da
machen werde", und wieder eine Woche später die herrlichen Worte: "Ich hab
ihr bisher mein Wort gehalten und versprach ihr wenn ihr Herz sich zu ihrem
Manne neigen würde, wollt ich wiederkehren, ich bin wieder da, und bleibe bis
an mein Ende wenn sie Gattin und Hausfr. u. Mutter bleibt. Amen."

Im Juni und Juli 1775 war Goethe mit den beiden Stolberg auf der
bekannten Schweizerreise. Inzwischen war Maxe in Frankfurt wieder einge-
getroffen, und gleich am Tage nach seiner eigenen Rückkehr, am 22. Juli, meldet er
an Sophie: "Die Max mit ihrem lieben Jungen hab ich gesehen, mit meiner
Mutter hatte sie viel Verkehr in meiner Abwesenheit. Wies nun gehen wird,
weis Gott. Brentano ist nicht eifersüchtig, sagt er." Von nun an ist alles im
alten Gleise, wie es vor anderthalb Jahren zur Hochzeit gewesen war; am
1. August heißt es: "Gestern Abend liebe Mama haben wir gefiedelt und ge¬
dudelt bei der guten Max." Und in diesem Gleise blieb es auch die wenigen
Monate bis zu Goethe's Uebersiedelung nach Weimar. "Ich gehe nach Weimar,"
schreibt er am 11. Oktober, "ich erwarte das junge Paar ^den Herzog mit seiner
Gemahlin^ und dann gehts. Die Max ist hold, wird in meiner Abwesenheit
noch freyer mit meiner Mutter seyn, obgleich Breue. allen Anschein von Eifer¬
sucht verbirgt, oder auch vielleicht mich iezzo für harmlos hält."

In dem Weimarer Treiben scheint dann die Gestalt Maximiliane's (ebenso
wie die Lili's) bald aus Goethe's Vorstellung verdrängt worden zu sein. We¬
nigstens ist über einen weiteren Verkehr zwischen ihnen nicht viel bekannt. In
dem letzten Briefe an Frau von La Roche, den Loeper mittheilt, aus dem Jahre
1780, heißt es recht beiläufig: "Grüßen Sie die Töchter." Bei späteren Be¬
suchen in Frankfurt sah er die Maxe noch einige Male wieder. Die Familie
La Roche hatte inzwischen schwere Schicksale durchzumachen. Wenige Wochen
nach dem oben erwähnten letzten uns erhaltenen Briefe wurde La Roche von
seiner Stellung in den kurfürstlich Trier'schen Diensten gestürzt. Er privatisirte
seitdem in Speyer und Offenbach und starb 1788. Während dieser Zeit der
Trübsal unterhielt Sophie die Familie durch ihre schriftstellerischen Arbeiten.
Maximiliane folgte dem Vater bereits 1793, 37 jährig, im Tode. Kurz vor
ihrem Tode, im Frühjahr 1793, fah Goethe sie zum letzten Mal, tief bewegt
bei dem Gedanken an ihre nahe Auflösung. Frau vowLa Roche überlebte ihre
Tochter um 14 Jahre. Seit 1807 erstanden dann die Beziehungen Goethe's
zur Mutter und Großmutter in wunderbarer Weise in seinem Verkehr mit der
Tochter Maximiliane's, Bettina, zu dessen richtigerer Beurtheilung die Loeper'-


„Brentano hat mir ihre (l. Ihre) täglichen Briefe an Ihn gezeigt.. ich wünsche
dass die Freundschasft und das Zutrauen, das mir bisher der Mann bezeugt,
ungeheuchelt seyn möge, ich glands wenigstens, und so hoff ich dass ich der Kleinen
künftig keinen Verdruss mehr, und vielleicht eine angenehme Stunde hie u. da
machen werde", und wieder eine Woche später die herrlichen Worte: „Ich hab
ihr bisher mein Wort gehalten und versprach ihr wenn ihr Herz sich zu ihrem
Manne neigen würde, wollt ich wiederkehren, ich bin wieder da, und bleibe bis
an mein Ende wenn sie Gattin und Hausfr. u. Mutter bleibt. Amen."

Im Juni und Juli 1775 war Goethe mit den beiden Stolberg auf der
bekannten Schweizerreise. Inzwischen war Maxe in Frankfurt wieder einge-
getroffen, und gleich am Tage nach seiner eigenen Rückkehr, am 22. Juli, meldet er
an Sophie: „Die Max mit ihrem lieben Jungen hab ich gesehen, mit meiner
Mutter hatte sie viel Verkehr in meiner Abwesenheit. Wies nun gehen wird,
weis Gott. Brentano ist nicht eifersüchtig, sagt er." Von nun an ist alles im
alten Gleise, wie es vor anderthalb Jahren zur Hochzeit gewesen war; am
1. August heißt es: „Gestern Abend liebe Mama haben wir gefiedelt und ge¬
dudelt bei der guten Max." Und in diesem Gleise blieb es auch die wenigen
Monate bis zu Goethe's Uebersiedelung nach Weimar. „Ich gehe nach Weimar,"
schreibt er am 11. Oktober, „ich erwarte das junge Paar ^den Herzog mit seiner
Gemahlin^ und dann gehts. Die Max ist hold, wird in meiner Abwesenheit
noch freyer mit meiner Mutter seyn, obgleich Breue. allen Anschein von Eifer¬
sucht verbirgt, oder auch vielleicht mich iezzo für harmlos hält."

In dem Weimarer Treiben scheint dann die Gestalt Maximiliane's (ebenso
wie die Lili's) bald aus Goethe's Vorstellung verdrängt worden zu sein. We¬
nigstens ist über einen weiteren Verkehr zwischen ihnen nicht viel bekannt. In
dem letzten Briefe an Frau von La Roche, den Loeper mittheilt, aus dem Jahre
1780, heißt es recht beiläufig: „Grüßen Sie die Töchter." Bei späteren Be¬
suchen in Frankfurt sah er die Maxe noch einige Male wieder. Die Familie
La Roche hatte inzwischen schwere Schicksale durchzumachen. Wenige Wochen
nach dem oben erwähnten letzten uns erhaltenen Briefe wurde La Roche von
seiner Stellung in den kurfürstlich Trier'schen Diensten gestürzt. Er privatisirte
seitdem in Speyer und Offenbach und starb 1788. Während dieser Zeit der
Trübsal unterhielt Sophie die Familie durch ihre schriftstellerischen Arbeiten.
Maximiliane folgte dem Vater bereits 1793, 37 jährig, im Tode. Kurz vor
ihrem Tode, im Frühjahr 1793, fah Goethe sie zum letzten Mal, tief bewegt
bei dem Gedanken an ihre nahe Auflösung. Frau vowLa Roche überlebte ihre
Tochter um 14 Jahre. Seit 1807 erstanden dann die Beziehungen Goethe's
zur Mutter und Großmutter in wunderbarer Weise in seinem Verkehr mit der
Tochter Maximiliane's, Bettina, zu dessen richtigerer Beurtheilung die Loeper'-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/362>, abgerufen am 23.07.2024.