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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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sehen klingt mehrfach in seinen Briefen wieder. An Kestner nach Wetzlar schreibt
er: "Mad. La Roche war hier, sie hat uns acht glückliche Tage gemacht; es ist
ein Ergetzen, mit solchen Geschöpfen zu leben", und an die Mutter selbst, nach¬
dem sie nach Hause zurückgekehrt: "Von Ihrer Max kann ich nicht lassen so
lange ich lebe, und ich werde sie immer lieben dürfen."

Nun kommt ein Wendepunkt. Schon das letzte "dürfen" ist vielsagend.
Warum schreibt er nicht einfach: "ich werde sie immer lieben"? Wer hätte es
ihm gestatten oder wehren sollen? Die Antwort lautet einfach: Der Bräutigam
Maximiliane's, der unerwartet zwischen beide zu treten drohte. Denn nir¬
gends sonst als bei diesem Frankfurter Besuche kann die Bekanntschaft mit dem
italienischen Kaufmann Brentano sich angesponnen haben, die Ende 1773 zur
förmlichen Verlobung führte. Aber keine Spur von Neid regt sich deshalb in
Goethe's Herzen; er war glücklich, daß Maxe durch ihre Verheirathung nach
Frankfurt geführt werden und er sie so nun immer um sich haben würde.
"Auf's neue Jahr", berichtet er am Silvester 1773 an Fritz Jacobi's Frau,
"haben sich die Aussichten für mich recht raritätenkastenmäßig aufgeputzt. Max
la Roche heirathet hierher. Ihr Künftiger scheint ein Mann zu sein, mit dem
zu leben ist und also, heisa!! wieder die Anzahl der braven Geschöpfe ver¬
mehrt", und ungefähr gleichzeitig an Kestner: "Die liebe Max de la Roche heu¬
rathet -- hierher einen angesehnen Handelsmann. Schön! Gar schön."

Die Hoffnung Goethe's sollte arg getäuscht werden. Am 9. Januar 1774
wurde in Ehrenbreitstein die Hochzeit gefeiert, am 15. traf das neue Ehepaar
in Frankfurt ein, mit ihnen zugleich die Mutter der jungen Frau, die bis Ende
des Monats blieb. Es gab viele Familienfestlichkeiten, an denen Goethe un¬
unterbrochen Theil nahm, und so lange dieser Trubel dauerte, schien alles schön
und gut und Goethe mit seiner Rolle sehr zufrieden zu sein. An Betty Jacobi,
der er über die bewegten Wochen nach der Hochzeit berichtet, schreibt er: "Das
Schicksal, mit dem ich mich herumgebissen habe so oft, wird jetzt höflich betitelt:
das schöne, weise Schicksal; denn gewiß, das ist die erste Gabe, seit es mir
meine Schwester nahm ^Cornelie Goethe war seit dem 1. November 1773
mit Georg Schlosser verheirathet^ die das Ansetzn eines Aequivalents hat.
Die Max ist noch immer der Engel, der mit den simpelsten und werthesten
Eigenschaften alle Herzen an sich zieht, und das Gefühl, das ich für sie habe,
worin ihr Mann nie Ursache zur Eifersucht finden wird, macht nun das Glück
meines Lebens. Brentano ist ein wackerer Geselle, von offenem und tüchtigem
Charakter, nicht ohne Verstand; die Kinder sind lebhast und brav." Mit andern
Augen sah aber schon damals Mephisto Merck die Dinge an, der die Fest¬
lichkeiten auch zum Theil mit durchgemacht hatte. Er schreibt bereits am 29.
Januar über Frau von La Roche an seine Frau: "v'sse un asss^ sinAMsr


sehen klingt mehrfach in seinen Briefen wieder. An Kestner nach Wetzlar schreibt
er: „Mad. La Roche war hier, sie hat uns acht glückliche Tage gemacht; es ist
ein Ergetzen, mit solchen Geschöpfen zu leben", und an die Mutter selbst, nach¬
dem sie nach Hause zurückgekehrt: „Von Ihrer Max kann ich nicht lassen so
lange ich lebe, und ich werde sie immer lieben dürfen."

Nun kommt ein Wendepunkt. Schon das letzte „dürfen" ist vielsagend.
Warum schreibt er nicht einfach: „ich werde sie immer lieben"? Wer hätte es
ihm gestatten oder wehren sollen? Die Antwort lautet einfach: Der Bräutigam
Maximiliane's, der unerwartet zwischen beide zu treten drohte. Denn nir¬
gends sonst als bei diesem Frankfurter Besuche kann die Bekanntschaft mit dem
italienischen Kaufmann Brentano sich angesponnen haben, die Ende 1773 zur
förmlichen Verlobung führte. Aber keine Spur von Neid regt sich deshalb in
Goethe's Herzen; er war glücklich, daß Maxe durch ihre Verheirathung nach
Frankfurt geführt werden und er sie so nun immer um sich haben würde.
„Auf's neue Jahr", berichtet er am Silvester 1773 an Fritz Jacobi's Frau,
„haben sich die Aussichten für mich recht raritätenkastenmäßig aufgeputzt. Max
la Roche heirathet hierher. Ihr Künftiger scheint ein Mann zu sein, mit dem
zu leben ist und also, heisa!! wieder die Anzahl der braven Geschöpfe ver¬
mehrt", und ungefähr gleichzeitig an Kestner: „Die liebe Max de la Roche heu¬
rathet — hierher einen angesehnen Handelsmann. Schön! Gar schön."

Die Hoffnung Goethe's sollte arg getäuscht werden. Am 9. Januar 1774
wurde in Ehrenbreitstein die Hochzeit gefeiert, am 15. traf das neue Ehepaar
in Frankfurt ein, mit ihnen zugleich die Mutter der jungen Frau, die bis Ende
des Monats blieb. Es gab viele Familienfestlichkeiten, an denen Goethe un¬
unterbrochen Theil nahm, und so lange dieser Trubel dauerte, schien alles schön
und gut und Goethe mit seiner Rolle sehr zufrieden zu sein. An Betty Jacobi,
der er über die bewegten Wochen nach der Hochzeit berichtet, schreibt er: „Das
Schicksal, mit dem ich mich herumgebissen habe so oft, wird jetzt höflich betitelt:
das schöne, weise Schicksal; denn gewiß, das ist die erste Gabe, seit es mir
meine Schwester nahm ^Cornelie Goethe war seit dem 1. November 1773
mit Georg Schlosser verheirathet^ die das Ansetzn eines Aequivalents hat.
Die Max ist noch immer der Engel, der mit den simpelsten und werthesten
Eigenschaften alle Herzen an sich zieht, und das Gefühl, das ich für sie habe,
worin ihr Mann nie Ursache zur Eifersucht finden wird, macht nun das Glück
meines Lebens. Brentano ist ein wackerer Geselle, von offenem und tüchtigem
Charakter, nicht ohne Verstand; die Kinder sind lebhast und brav." Mit andern
Augen sah aber schon damals Mephisto Merck die Dinge an, der die Fest¬
lichkeiten auch zum Theil mit durchgemacht hatte. Er schreibt bereits am 29.
Januar über Frau von La Roche an seine Frau: „v'sse un asss^ sinAMsr


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[0359] sehen klingt mehrfach in seinen Briefen wieder. An Kestner nach Wetzlar schreibt er: „Mad. La Roche war hier, sie hat uns acht glückliche Tage gemacht; es ist ein Ergetzen, mit solchen Geschöpfen zu leben", und an die Mutter selbst, nach¬ dem sie nach Hause zurückgekehrt: „Von Ihrer Max kann ich nicht lassen so lange ich lebe, und ich werde sie immer lieben dürfen." Nun kommt ein Wendepunkt. Schon das letzte „dürfen" ist vielsagend. Warum schreibt er nicht einfach: „ich werde sie immer lieben"? Wer hätte es ihm gestatten oder wehren sollen? Die Antwort lautet einfach: Der Bräutigam Maximiliane's, der unerwartet zwischen beide zu treten drohte. Denn nir¬ gends sonst als bei diesem Frankfurter Besuche kann die Bekanntschaft mit dem italienischen Kaufmann Brentano sich angesponnen haben, die Ende 1773 zur förmlichen Verlobung führte. Aber keine Spur von Neid regt sich deshalb in Goethe's Herzen; er war glücklich, daß Maxe durch ihre Verheirathung nach Frankfurt geführt werden und er sie so nun immer um sich haben würde. „Auf's neue Jahr", berichtet er am Silvester 1773 an Fritz Jacobi's Frau, „haben sich die Aussichten für mich recht raritätenkastenmäßig aufgeputzt. Max la Roche heirathet hierher. Ihr Künftiger scheint ein Mann zu sein, mit dem zu leben ist und also, heisa!! wieder die Anzahl der braven Geschöpfe ver¬ mehrt", und ungefähr gleichzeitig an Kestner: „Die liebe Max de la Roche heu¬ rathet — hierher einen angesehnen Handelsmann. Schön! Gar schön." Die Hoffnung Goethe's sollte arg getäuscht werden. Am 9. Januar 1774 wurde in Ehrenbreitstein die Hochzeit gefeiert, am 15. traf das neue Ehepaar in Frankfurt ein, mit ihnen zugleich die Mutter der jungen Frau, die bis Ende des Monats blieb. Es gab viele Familienfestlichkeiten, an denen Goethe un¬ unterbrochen Theil nahm, und so lange dieser Trubel dauerte, schien alles schön und gut und Goethe mit seiner Rolle sehr zufrieden zu sein. An Betty Jacobi, der er über die bewegten Wochen nach der Hochzeit berichtet, schreibt er: „Das Schicksal, mit dem ich mich herumgebissen habe so oft, wird jetzt höflich betitelt: das schöne, weise Schicksal; denn gewiß, das ist die erste Gabe, seit es mir meine Schwester nahm ^Cornelie Goethe war seit dem 1. November 1773 mit Georg Schlosser verheirathet^ die das Ansetzn eines Aequivalents hat. Die Max ist noch immer der Engel, der mit den simpelsten und werthesten Eigenschaften alle Herzen an sich zieht, und das Gefühl, das ich für sie habe, worin ihr Mann nie Ursache zur Eifersucht finden wird, macht nun das Glück meines Lebens. Brentano ist ein wackerer Geselle, von offenem und tüchtigem Charakter, nicht ohne Verstand; die Kinder sind lebhast und brav." Mit andern Augen sah aber schon damals Mephisto Merck die Dinge an, der die Fest¬ lichkeiten auch zum Theil mit durchgemacht hatte. Er schreibt bereits am 29. Januar über Frau von La Roche an seine Frau: „v'sse un asss^ sinAMsr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/359>, abgerufen am 25.08.2024.