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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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die sich übrigens jetzt schon vollkommen als Herren des Landes fühlen (der
Zuln grüßt z. B. mit den Worten: LaKu, borg. -- wir sahen Dich), ihren Häupt¬
lingen gehorchen und die englische Regierung im Stiche lassen. Abgesehen
von dieser Befürchtung sind sie schon jetzt eine Plage für den strebsamen Ko¬
lonisten. Denn der Zulu arbeitet nur höchst ungern und solange es ihm paßt;
gefällt ihm die Anstrengung nicht mehr, so läuft er davon und heißt bei dieser
Gelegenheit das eine oder das andere vom Eigenthum seines Arbeitgebers mit¬
gehen; eine Verfolgung nützt nichts, da ein gegenseitiger Auslieferungsvertrag
zwischen den einzelnen Staaten nicht besteht. Da aber der Zulu von Hause
aus an Feldarbeit nicht gewöhnt ist -- denn wie bei den alten Germanen ist
diese bei ihnen eine Obliegenheit der Frauen, während der Herr Zulu seiue
Zeit mit Jagen, Trinken und Schwatzen verbringt --, so arbeitet der Neger
überhaupt nur so lange, bis er sich soviel verdient hat, um sich mehrere Kühe
zu kaufen. Hat er es dazu gebracht, so kauft er sich für diese zunächst eine
Frau, die für ihn die schwere Arbeit verrichten muß, während er nur die Re¬
präsentation des Hauses besorgt, und -- Ironie des Schicksals! -- von dem
Arbeitsertrag seiner Frau, abermals einer Anzahl Kühe, kauft er sich eine
zweite Frau; für 10 Kühe erhält er aber ein für Zulubegriffe schon recht
hübsches Weib, während die auserlesensten Vertreterinnen des schönen Ge¬
schlechts es für unter ihrer Würde halten, wenn ihr Vater sie unter 15 oder
20 Kühen hergibt. Beide Frauen arbeiten nun zusammen für ihren gemein¬
samen Gatten, der sich von den Resultaten ihres Schweißes eine dritte Frau
anschafft und so in inünituin, denn habgierig ist der Zuln wie einer, und die
große Zahl der Frauen und eine große Viehheerde ist zugleich der Maßstab
für den Reichthum und den Einfluß eines Negerseigneurs, denn wenn er viele
und schöne Töchter hat, erwirbt er sich aus ihrem Erlös eine ganz stattliche
Kuhheerde.

Daß bei so niedriger Stellung unter den Negerfrauen in der Regel keine
Eifersucht aufkommen kann, davon möge ein charakteristisches Beispiel Zeugniß
geben. Die einzige Frau eines Zulu, die sich zur Erhaltung ihres theuren
Ehegatten über Gebühr anstrengen mußte, überredete ein Mädchen, aus dem
Vaterhause zu fliehen und die zweite Gattin ihres Gatten zu werden, der
natürlich gegen diese Gratisvermehrung seiner Familie und seines Besitzes nichts
einzuwenden hatte. Der Vater des Mädchens, der für seine Töchter nicht die
üblichen Kühe eingeheimst hatte, klagte jenen wegen Frauenraubs vor dem eng¬
lischen Kolonialgericht an. Bei der Verhandlung erschien aber nicht nur der
bigcime Neger, sondern auch seine erste Frau und wies mit beredten Worten --
auch die Negerfrauen haben die Zunge auf dem rechten Flecke -- nach, daß
ihr Gatte bei seinen Ansprüchen an das materielle Leben unbedingt einer


die sich übrigens jetzt schon vollkommen als Herren des Landes fühlen (der
Zuln grüßt z. B. mit den Worten: LaKu, borg. — wir sahen Dich), ihren Häupt¬
lingen gehorchen und die englische Regierung im Stiche lassen. Abgesehen
von dieser Befürchtung sind sie schon jetzt eine Plage für den strebsamen Ko¬
lonisten. Denn der Zulu arbeitet nur höchst ungern und solange es ihm paßt;
gefällt ihm die Anstrengung nicht mehr, so läuft er davon und heißt bei dieser
Gelegenheit das eine oder das andere vom Eigenthum seines Arbeitgebers mit¬
gehen; eine Verfolgung nützt nichts, da ein gegenseitiger Auslieferungsvertrag
zwischen den einzelnen Staaten nicht besteht. Da aber der Zulu von Hause
aus an Feldarbeit nicht gewöhnt ist — denn wie bei den alten Germanen ist
diese bei ihnen eine Obliegenheit der Frauen, während der Herr Zulu seiue
Zeit mit Jagen, Trinken und Schwatzen verbringt —, so arbeitet der Neger
überhaupt nur so lange, bis er sich soviel verdient hat, um sich mehrere Kühe
zu kaufen. Hat er es dazu gebracht, so kauft er sich für diese zunächst eine
Frau, die für ihn die schwere Arbeit verrichten muß, während er nur die Re¬
präsentation des Hauses besorgt, und — Ironie des Schicksals! — von dem
Arbeitsertrag seiner Frau, abermals einer Anzahl Kühe, kauft er sich eine
zweite Frau; für 10 Kühe erhält er aber ein für Zulubegriffe schon recht
hübsches Weib, während die auserlesensten Vertreterinnen des schönen Ge¬
schlechts es für unter ihrer Würde halten, wenn ihr Vater sie unter 15 oder
20 Kühen hergibt. Beide Frauen arbeiten nun zusammen für ihren gemein¬
samen Gatten, der sich von den Resultaten ihres Schweißes eine dritte Frau
anschafft und so in inünituin, denn habgierig ist der Zuln wie einer, und die
große Zahl der Frauen und eine große Viehheerde ist zugleich der Maßstab
für den Reichthum und den Einfluß eines Negerseigneurs, denn wenn er viele
und schöne Töchter hat, erwirbt er sich aus ihrem Erlös eine ganz stattliche
Kuhheerde.

Daß bei so niedriger Stellung unter den Negerfrauen in der Regel keine
Eifersucht aufkommen kann, davon möge ein charakteristisches Beispiel Zeugniß
geben. Die einzige Frau eines Zulu, die sich zur Erhaltung ihres theuren
Ehegatten über Gebühr anstrengen mußte, überredete ein Mädchen, aus dem
Vaterhause zu fliehen und die zweite Gattin ihres Gatten zu werden, der
natürlich gegen diese Gratisvermehrung seiner Familie und seines Besitzes nichts
einzuwenden hatte. Der Vater des Mädchens, der für seine Töchter nicht die
üblichen Kühe eingeheimst hatte, klagte jenen wegen Frauenraubs vor dem eng¬
lischen Kolonialgericht an. Bei der Verhandlung erschien aber nicht nur der
bigcime Neger, sondern auch seine erste Frau und wies mit beredten Worten —
auch die Negerfrauen haben die Zunge auf dem rechten Flecke — nach, daß
ihr Gatte bei seinen Ansprüchen an das materielle Leben unbedingt einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/342>, abgerufen am 23.07.2024.