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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Hauptkirchen, zum größten Theile in gänzlich verwahrlostem Zustande auf dem
Boden der Nikolaikirche gefunden, wohin sie jedenfalls 1785 geworfen worden
waren, als der damalige Bürgermeister Leipzig's, Carl Wilhelm Müller, im
Bunde mit Oeser und dem Baudirektor Dauthe seine berüchtigte "Verschöne¬
rung" der Nikolaikirche begann, wurden damals wiederhergestellt, dann der
Leipziger Stadtbibliothek überwiesen, die, wie viele ältere Bibliotheken, früher
gleichzeitig Gemäldegalerie, physikalischen Salon, Münzkabinet und Raritäten¬
kammer in einem Raume vereinigte, und wurden endlich 1849, als die Ge¬
mäldesammlung des Leipziger Kunstvereins der Stadt überlassen und dadurch
das jetzige städtische Museum begründet wurde, nebst einigen werthvollen Por¬
träts und andern Bildern, die sich von alter Zeit her auf der Stadtbibliothek
angesammelt hatten, dem neuen Museum einverleibt. In dem "Verzeichniß der
Kunstwerke im städtischen Museum zu Leipzig" tragen sie jetzt folgende Nummern
und Bezeichnungen:

40. Der Sterbende. Lucas Cranach d. ä.
41. Christus und die Samariterin. Ebenso.
45. Verklärung Christi auf Tabor. Angeblich Lucas Cranach d. ä.
46. Große Kreuzigung u. f. w. Lucas Cranach d. j.
47. Auferstehung Christi. Ebenso.
244. Kreuzigung Christi. Cranach's Schule.
245. Kreuzigung Christi. Ebenso.
246. Krönung der Maria. Unbek. Oberdeutsche Schule des 15. Jahrh.
247. Maria mit dem Christuskinde auf der Mondsichel stehend, von einer
Glorie umgeben. Ebenso.
248. Die Dreieinigkeit. Ebenso.
236. Die Geschichte des Lazarus. Unbekannter Meister des 16. Jahrh.
284. Die Geißelung Christi. Ebenso.

Bei sämmtlichen Bildern, mit Ausucihme von 41, 236 und 284, bemerkt der
Katalog, daß sie zu dem Funde in der Nikolaikirche gehören; bei 41 ist an¬
gegeben, daß es aus der Stadtbibliothek stamme, bei 236 und 284 fehlt eine
Angabe über ihre Provenienz; doch gehören anch 41 und 236 nachweislich,
284 höchst wahrscheinlich zu demselben Funde.

Mit dem Goethischen Aussatze über diese Gemälde scheint mir nicht alles
in Ordnung zu sein. Die Bilder wurden im Februar 1815 gefunden. Im
"Morgenblatt" vom 22. März 1815 bereits berichtete Goethe darüber in einem,
übrigens nicht mit seinem Namen unterzeichneten Artikel, den er dann später,
1829, bei der Veranstaltung der vierzigbcindigen Gesammtausgabe seiner Werke
iber sogenannten Ausgabe "letzter Hand") in den 39. Band derselben aufnahm.
In der neuen bei Hempel in Berlin erschienenen kritischen Ausgabe ist der


Hauptkirchen, zum größten Theile in gänzlich verwahrlostem Zustande auf dem
Boden der Nikolaikirche gefunden, wohin sie jedenfalls 1785 geworfen worden
waren, als der damalige Bürgermeister Leipzig's, Carl Wilhelm Müller, im
Bunde mit Oeser und dem Baudirektor Dauthe seine berüchtigte „Verschöne¬
rung" der Nikolaikirche begann, wurden damals wiederhergestellt, dann der
Leipziger Stadtbibliothek überwiesen, die, wie viele ältere Bibliotheken, früher
gleichzeitig Gemäldegalerie, physikalischen Salon, Münzkabinet und Raritäten¬
kammer in einem Raume vereinigte, und wurden endlich 1849, als die Ge¬
mäldesammlung des Leipziger Kunstvereins der Stadt überlassen und dadurch
das jetzige städtische Museum begründet wurde, nebst einigen werthvollen Por¬
träts und andern Bildern, die sich von alter Zeit her auf der Stadtbibliothek
angesammelt hatten, dem neuen Museum einverleibt. In dem „Verzeichniß der
Kunstwerke im städtischen Museum zu Leipzig" tragen sie jetzt folgende Nummern
und Bezeichnungen:

40. Der Sterbende. Lucas Cranach d. ä.
41. Christus und die Samariterin. Ebenso.
45. Verklärung Christi auf Tabor. Angeblich Lucas Cranach d. ä.
46. Große Kreuzigung u. f. w. Lucas Cranach d. j.
47. Auferstehung Christi. Ebenso.
244. Kreuzigung Christi. Cranach's Schule.
245. Kreuzigung Christi. Ebenso.
246. Krönung der Maria. Unbek. Oberdeutsche Schule des 15. Jahrh.
247. Maria mit dem Christuskinde auf der Mondsichel stehend, von einer
Glorie umgeben. Ebenso.
248. Die Dreieinigkeit. Ebenso.
236. Die Geschichte des Lazarus. Unbekannter Meister des 16. Jahrh.
284. Die Geißelung Christi. Ebenso.

Bei sämmtlichen Bildern, mit Ausucihme von 41, 236 und 284, bemerkt der
Katalog, daß sie zu dem Funde in der Nikolaikirche gehören; bei 41 ist an¬
gegeben, daß es aus der Stadtbibliothek stamme, bei 236 und 284 fehlt eine
Angabe über ihre Provenienz; doch gehören anch 41 und 236 nachweislich,
284 höchst wahrscheinlich zu demselben Funde.

Mit dem Goethischen Aussatze über diese Gemälde scheint mir nicht alles
in Ordnung zu sein. Die Bilder wurden im Februar 1815 gefunden. Im
„Morgenblatt" vom 22. März 1815 bereits berichtete Goethe darüber in einem,
übrigens nicht mit seinem Namen unterzeichneten Artikel, den er dann später,
1829, bei der Veranstaltung der vierzigbcindigen Gesammtausgabe seiner Werke
iber sogenannten Ausgabe „letzter Hand") in den 39. Band derselben aufnahm.
In der neuen bei Hempel in Berlin erschienenen kritischen Ausgabe ist der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/34>, abgerufen am 03.07.2024.