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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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schweren Kerkers, was für die damalige Zeit immerhin eine außerordentlich
gelinde Strafe war für das Unterfangen, dem österreichischen Staatsdespotis¬
mus in den Rachen zu greifen. Mächtige äußere Einflüsse und Verwendungen
haben jedenfalls viel dazu beigetragen, seinem eigenen Schicksal, sowie dem
seines amerikanischen Genossen, der das Gefängniß mit ihm theilte, eine ver¬
hältnißmäßig so günstige Wendung zu geben. Lafayette hingegen blieb noch
drei Jahre im Gefängniß und wurde erst 1797 gegen andere französische Ge¬
fangene ausgewechselt.

Bollmann, zu Hoya geboren, der Sohn wohlhabender Eltern, war, als
er die Hochverrätherische Befreiung Lafayette's durchzusetzen versuchte, erst
25 Jahre alt. Seine hingebende That zeugte für die Wärme seines enthusia¬
stischen Gemüths, gleichzeitig bekundete sich aber auch in der Ausführung des
Unternehmens, das nur durch unglückliche Nebenumstände scheiterte, ein außer¬
ordentlich hoher Grad von Einsicht, Besonnenheit, Thatkraft, unermüdlicher
Geduld und körperlicher Rüstigkeit. Diese Eigenschaften, fest begründet in der
Ueberlegenheit seiner körperlichen und geistigen Kräfte, zeichnen seinen ganzen
Lebenslauf aus (f 1821); sie sind es aber zugleich, die den von ihm erhaltenen
Briefen, zumal solchen, in denen er über die lebhaft empfangenen Eindrücke
jener ereignißvollen Zeit berichtet, einen mehr als gewöhnlichen Werth ver¬
leihen. Von solchen brieflichen Mittheilungen hat, wie erwähnt, schon Varn-
hagen in seinen "Denkwürdigkeiten" eine Reihe veröffentlicht. Sie fallen mit
Ausnahme einiger späterer in die Jahre 1792--95, sind an eine nahe Ver¬
wandte, die Staatsräthin Brauer in Karlsruhe, gerichtet und referiren in ein¬
gehender und lebhafter Weise über die Eindrücke, die der junge Mann, der
schon 1792 als Arzt auf einige Zeit nach Paris gegangen und dort in viel¬
fache gesellschaftliche Berührung mit dem ehemaligen Minister Narbonne, mit
Madame de Stael, Madame de la ClMre u. a. gekommen war, am Mittelpunkte
der großen Bewegung des Jahrhunderts zu sammeln Gelegenheit fand. Boll¬
mann war dabei in allerlei piquante Erlebnisse verwickelt. Er rettete Narbonne
aus dringender Lebensgefahr, verpflichtete sich dadurch Madame de Stael zu
großem Danke und verliebte sich nebenbei in Madame de ClMre. Andere Briefe
Bollmann's aus jener Zeit sind an seinen Vater gerichtet und beschäftigen sich
weniger mit den persönlichen Erlebnissen des Briefstellers als mit den politi¬
schen Vorgängen, die sich unter seinen Angen abspielten. Für die Jugend des
Verfassers, der erst 23 Jahr zählte, ungemein besonnen im Urtheil nud jeder
extremen Auffassung der Dinge abhold, haben sie außerdem den Vorzug, daß
sie sich meistens auf eigene Anschauung stützen. Auch diese Briefe sind in den
vierziger Jahren auszugsweise in einem Hamburger Blatt veröffentlicht worden.

Einer späteren Lebensperiode gehören eine Reihe brieflicher Mittheilungen


schweren Kerkers, was für die damalige Zeit immerhin eine außerordentlich
gelinde Strafe war für das Unterfangen, dem österreichischen Staatsdespotis¬
mus in den Rachen zu greifen. Mächtige äußere Einflüsse und Verwendungen
haben jedenfalls viel dazu beigetragen, seinem eigenen Schicksal, sowie dem
seines amerikanischen Genossen, der das Gefängniß mit ihm theilte, eine ver¬
hältnißmäßig so günstige Wendung zu geben. Lafayette hingegen blieb noch
drei Jahre im Gefängniß und wurde erst 1797 gegen andere französische Ge¬
fangene ausgewechselt.

Bollmann, zu Hoya geboren, der Sohn wohlhabender Eltern, war, als
er die Hochverrätherische Befreiung Lafayette's durchzusetzen versuchte, erst
25 Jahre alt. Seine hingebende That zeugte für die Wärme seines enthusia¬
stischen Gemüths, gleichzeitig bekundete sich aber auch in der Ausführung des
Unternehmens, das nur durch unglückliche Nebenumstände scheiterte, ein außer¬
ordentlich hoher Grad von Einsicht, Besonnenheit, Thatkraft, unermüdlicher
Geduld und körperlicher Rüstigkeit. Diese Eigenschaften, fest begründet in der
Ueberlegenheit seiner körperlichen und geistigen Kräfte, zeichnen seinen ganzen
Lebenslauf aus (f 1821); sie sind es aber zugleich, die den von ihm erhaltenen
Briefen, zumal solchen, in denen er über die lebhaft empfangenen Eindrücke
jener ereignißvollen Zeit berichtet, einen mehr als gewöhnlichen Werth ver¬
leihen. Von solchen brieflichen Mittheilungen hat, wie erwähnt, schon Varn-
hagen in seinen „Denkwürdigkeiten" eine Reihe veröffentlicht. Sie fallen mit
Ausnahme einiger späterer in die Jahre 1792—95, sind an eine nahe Ver¬
wandte, die Staatsräthin Brauer in Karlsruhe, gerichtet und referiren in ein¬
gehender und lebhafter Weise über die Eindrücke, die der junge Mann, der
schon 1792 als Arzt auf einige Zeit nach Paris gegangen und dort in viel¬
fache gesellschaftliche Berührung mit dem ehemaligen Minister Narbonne, mit
Madame de Stael, Madame de la ClMre u. a. gekommen war, am Mittelpunkte
der großen Bewegung des Jahrhunderts zu sammeln Gelegenheit fand. Boll¬
mann war dabei in allerlei piquante Erlebnisse verwickelt. Er rettete Narbonne
aus dringender Lebensgefahr, verpflichtete sich dadurch Madame de Stael zu
großem Danke und verliebte sich nebenbei in Madame de ClMre. Andere Briefe
Bollmann's aus jener Zeit sind an seinen Vater gerichtet und beschäftigen sich
weniger mit den persönlichen Erlebnissen des Briefstellers als mit den politi¬
schen Vorgängen, die sich unter seinen Angen abspielten. Für die Jugend des
Verfassers, der erst 23 Jahr zählte, ungemein besonnen im Urtheil nud jeder
extremen Auffassung der Dinge abhold, haben sie außerdem den Vorzug, daß
sie sich meistens auf eigene Anschauung stützen. Auch diese Briefe sind in den
vierziger Jahren auszugsweise in einem Hamburger Blatt veröffentlicht worden.

Einer späteren Lebensperiode gehören eine Reihe brieflicher Mittheilungen


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[0321] schweren Kerkers, was für die damalige Zeit immerhin eine außerordentlich gelinde Strafe war für das Unterfangen, dem österreichischen Staatsdespotis¬ mus in den Rachen zu greifen. Mächtige äußere Einflüsse und Verwendungen haben jedenfalls viel dazu beigetragen, seinem eigenen Schicksal, sowie dem seines amerikanischen Genossen, der das Gefängniß mit ihm theilte, eine ver¬ hältnißmäßig so günstige Wendung zu geben. Lafayette hingegen blieb noch drei Jahre im Gefängniß und wurde erst 1797 gegen andere französische Ge¬ fangene ausgewechselt. Bollmann, zu Hoya geboren, der Sohn wohlhabender Eltern, war, als er die Hochverrätherische Befreiung Lafayette's durchzusetzen versuchte, erst 25 Jahre alt. Seine hingebende That zeugte für die Wärme seines enthusia¬ stischen Gemüths, gleichzeitig bekundete sich aber auch in der Ausführung des Unternehmens, das nur durch unglückliche Nebenumstände scheiterte, ein außer¬ ordentlich hoher Grad von Einsicht, Besonnenheit, Thatkraft, unermüdlicher Geduld und körperlicher Rüstigkeit. Diese Eigenschaften, fest begründet in der Ueberlegenheit seiner körperlichen und geistigen Kräfte, zeichnen seinen ganzen Lebenslauf aus (f 1821); sie sind es aber zugleich, die den von ihm erhaltenen Briefen, zumal solchen, in denen er über die lebhaft empfangenen Eindrücke jener ereignißvollen Zeit berichtet, einen mehr als gewöhnlichen Werth ver¬ leihen. Von solchen brieflichen Mittheilungen hat, wie erwähnt, schon Varn- hagen in seinen „Denkwürdigkeiten" eine Reihe veröffentlicht. Sie fallen mit Ausnahme einiger späterer in die Jahre 1792—95, sind an eine nahe Ver¬ wandte, die Staatsräthin Brauer in Karlsruhe, gerichtet und referiren in ein¬ gehender und lebhafter Weise über die Eindrücke, die der junge Mann, der schon 1792 als Arzt auf einige Zeit nach Paris gegangen und dort in viel¬ fache gesellschaftliche Berührung mit dem ehemaligen Minister Narbonne, mit Madame de Stael, Madame de la ClMre u. a. gekommen war, am Mittelpunkte der großen Bewegung des Jahrhunderts zu sammeln Gelegenheit fand. Boll¬ mann war dabei in allerlei piquante Erlebnisse verwickelt. Er rettete Narbonne aus dringender Lebensgefahr, verpflichtete sich dadurch Madame de Stael zu großem Danke und verliebte sich nebenbei in Madame de ClMre. Andere Briefe Bollmann's aus jener Zeit sind an seinen Vater gerichtet und beschäftigen sich weniger mit den persönlichen Erlebnissen des Briefstellers als mit den politi¬ schen Vorgängen, die sich unter seinen Angen abspielten. Für die Jugend des Verfassers, der erst 23 Jahr zählte, ungemein besonnen im Urtheil nud jeder extremen Auffassung der Dinge abhold, haben sie außerdem den Vorzug, daß sie sich meistens auf eigene Anschauung stützen. Auch diese Briefe sind in den vierziger Jahren auszugsweise in einem Hamburger Blatt veröffentlicht worden. Einer späteren Lebensperiode gehören eine Reihe brieflicher Mittheilungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/321>, abgerufen am 23.07.2024.