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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Ziehung mit der Landwirthschaft und seien auf Anregung aus diesen Kreisen
hin entstanden; fortwährend liefen neue Anträge auf Vermehrung dieser An¬
stalten ein; wenn man hier das Kultusministerium entscheiden lassen wollte,
so würde man an Stelle der Fachschulen einfache Bürger- oder Realschulen
erhalten." Letzteres gilt nun aber in demselben Maße von den Baugewerker-,
den Wehe-, den bergmännischen und hüttenmännischen Schulen, den Fachschulen
für Tischlerei, Buchbinderei :c.

Trotz alledem war, nachdem das Handelsministerium getheilt war, und
das gewerbliche Unterrichtswesen weder im Ministerium für Handel und Ge¬
werbe noch in dem für öffentliche Arbeiten einen geeigneten Platz finden konnte,
kein anderer Ausweg möglich, als es dem Unterrichtsministerium zu über¬
tragen, wenn man nicht etwa ein eigenes Organ für die gewerblichen Ange¬
legenheiten, ähnlich der württembergischen Zentralstelle für Handel und Gewerbe,
schaffen und diesem anch die technischen Fachschulen übertragen wollte. Würt¬
temberg hat dieser Organisation eine Entwickelung des gewerblichen Unterrichts
zu verdanken, hinter welcher diejenige des gesammten übrigen Deutschland
mehr oder weniger weit zurückgeblieben ist: es verwendet für gewerblichen
Unterricht jährlich 541000 Mark, Preußen nur 1761000 Mark, während es
nach dem Verhältniß der Einwohnerzahl rund 7 Millionen Mark dafür be¬
willigen müßte, wenn es mit Württemberg gleich stehen wollte.

Dieser Gefahr nun, daß die gewerbliche Bildung von Seiten des Kultus¬
ministers nicht die nöthige Förderung erfahren würde, sucht das Abgeordneten¬
haus durch den Beschluß 2a, dem die Regierung bereitwillig ihre Zustimmung
gab, vorzubeugen. Dem Minister tritt also eine berathende Fachkommission
zur Seite, die ihren Einfluß nicht blos in Fragen der Organisation, sondern
auch -- was von großer Wichtigkeit ist -- in Betreff der Verwaltung und
des Berechtigungswesens geltend machen soll. Dies und der Umstand, daß
die beiden Räthe des Handelsministeriums, Wehrenpfennig und Lüders, welche
die Sache der gewerblichen Bildung energisch zu führen begonnen haben, zu¬
gleich mit ihrem Ressort in's Kultusministerium übergehen, kann vorläufig zur
Beruhigung dienen. Das Weitere muß die Erfahrung lehren. Die Sache
selbst wird man, nachdem man ihre Wichtigkeit einmal erkannt hat, gewiß nicht
wieder aus den Augen verlieren. Wenn sich aber die neue Gestaltung be¬
währen sollte, so darf man wohl die weitere Hoffnung daran knüpfen, daß die
Angelegenheiten der technischen Schulen im Unterrichtsministerium schließlich
ein Gewicht erlangen werden, groß genug, um auch auf die Schulen der all¬
gemeinen Bildung einen heilsamen Einfluß auszuüben.

Die umfangreiche Debatte über die Gewerbeschulen drehte sich fast aus¬
schließlich um die "Gewerbeschule mit neunjährigen Kursus", oder sagen wir


Ziehung mit der Landwirthschaft und seien auf Anregung aus diesen Kreisen
hin entstanden; fortwährend liefen neue Anträge auf Vermehrung dieser An¬
stalten ein; wenn man hier das Kultusministerium entscheiden lassen wollte,
so würde man an Stelle der Fachschulen einfache Bürger- oder Realschulen
erhalten." Letzteres gilt nun aber in demselben Maße von den Baugewerker-,
den Wehe-, den bergmännischen und hüttenmännischen Schulen, den Fachschulen
für Tischlerei, Buchbinderei :c.

Trotz alledem war, nachdem das Handelsministerium getheilt war, und
das gewerbliche Unterrichtswesen weder im Ministerium für Handel und Ge¬
werbe noch in dem für öffentliche Arbeiten einen geeigneten Platz finden konnte,
kein anderer Ausweg möglich, als es dem Unterrichtsministerium zu über¬
tragen, wenn man nicht etwa ein eigenes Organ für die gewerblichen Ange¬
legenheiten, ähnlich der württembergischen Zentralstelle für Handel und Gewerbe,
schaffen und diesem anch die technischen Fachschulen übertragen wollte. Würt¬
temberg hat dieser Organisation eine Entwickelung des gewerblichen Unterrichts
zu verdanken, hinter welcher diejenige des gesammten übrigen Deutschland
mehr oder weniger weit zurückgeblieben ist: es verwendet für gewerblichen
Unterricht jährlich 541000 Mark, Preußen nur 1761000 Mark, während es
nach dem Verhältniß der Einwohnerzahl rund 7 Millionen Mark dafür be¬
willigen müßte, wenn es mit Württemberg gleich stehen wollte.

Dieser Gefahr nun, daß die gewerbliche Bildung von Seiten des Kultus¬
ministers nicht die nöthige Förderung erfahren würde, sucht das Abgeordneten¬
haus durch den Beschluß 2a, dem die Regierung bereitwillig ihre Zustimmung
gab, vorzubeugen. Dem Minister tritt also eine berathende Fachkommission
zur Seite, die ihren Einfluß nicht blos in Fragen der Organisation, sondern
auch — was von großer Wichtigkeit ist — in Betreff der Verwaltung und
des Berechtigungswesens geltend machen soll. Dies und der Umstand, daß
die beiden Räthe des Handelsministeriums, Wehrenpfennig und Lüders, welche
die Sache der gewerblichen Bildung energisch zu führen begonnen haben, zu¬
gleich mit ihrem Ressort in's Kultusministerium übergehen, kann vorläufig zur
Beruhigung dienen. Das Weitere muß die Erfahrung lehren. Die Sache
selbst wird man, nachdem man ihre Wichtigkeit einmal erkannt hat, gewiß nicht
wieder aus den Augen verlieren. Wenn sich aber die neue Gestaltung be¬
währen sollte, so darf man wohl die weitere Hoffnung daran knüpfen, daß die
Angelegenheiten der technischen Schulen im Unterrichtsministerium schließlich
ein Gewicht erlangen werden, groß genug, um auch auf die Schulen der all¬
gemeinen Bildung einen heilsamen Einfluß auszuüben.

Die umfangreiche Debatte über die Gewerbeschulen drehte sich fast aus¬
schließlich um die „Gewerbeschule mit neunjährigen Kursus", oder sagen wir


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[0260] Ziehung mit der Landwirthschaft und seien auf Anregung aus diesen Kreisen hin entstanden; fortwährend liefen neue Anträge auf Vermehrung dieser An¬ stalten ein; wenn man hier das Kultusministerium entscheiden lassen wollte, so würde man an Stelle der Fachschulen einfache Bürger- oder Realschulen erhalten." Letzteres gilt nun aber in demselben Maße von den Baugewerker-, den Wehe-, den bergmännischen und hüttenmännischen Schulen, den Fachschulen für Tischlerei, Buchbinderei :c. Trotz alledem war, nachdem das Handelsministerium getheilt war, und das gewerbliche Unterrichtswesen weder im Ministerium für Handel und Ge¬ werbe noch in dem für öffentliche Arbeiten einen geeigneten Platz finden konnte, kein anderer Ausweg möglich, als es dem Unterrichtsministerium zu über¬ tragen, wenn man nicht etwa ein eigenes Organ für die gewerblichen Ange¬ legenheiten, ähnlich der württembergischen Zentralstelle für Handel und Gewerbe, schaffen und diesem anch die technischen Fachschulen übertragen wollte. Würt¬ temberg hat dieser Organisation eine Entwickelung des gewerblichen Unterrichts zu verdanken, hinter welcher diejenige des gesammten übrigen Deutschland mehr oder weniger weit zurückgeblieben ist: es verwendet für gewerblichen Unterricht jährlich 541000 Mark, Preußen nur 1761000 Mark, während es nach dem Verhältniß der Einwohnerzahl rund 7 Millionen Mark dafür be¬ willigen müßte, wenn es mit Württemberg gleich stehen wollte. Dieser Gefahr nun, daß die gewerbliche Bildung von Seiten des Kultus¬ ministers nicht die nöthige Förderung erfahren würde, sucht das Abgeordneten¬ haus durch den Beschluß 2a, dem die Regierung bereitwillig ihre Zustimmung gab, vorzubeugen. Dem Minister tritt also eine berathende Fachkommission zur Seite, die ihren Einfluß nicht blos in Fragen der Organisation, sondern auch — was von großer Wichtigkeit ist — in Betreff der Verwaltung und des Berechtigungswesens geltend machen soll. Dies und der Umstand, daß die beiden Räthe des Handelsministeriums, Wehrenpfennig und Lüders, welche die Sache der gewerblichen Bildung energisch zu führen begonnen haben, zu¬ gleich mit ihrem Ressort in's Kultusministerium übergehen, kann vorläufig zur Beruhigung dienen. Das Weitere muß die Erfahrung lehren. Die Sache selbst wird man, nachdem man ihre Wichtigkeit einmal erkannt hat, gewiß nicht wieder aus den Augen verlieren. Wenn sich aber die neue Gestaltung be¬ währen sollte, so darf man wohl die weitere Hoffnung daran knüpfen, daß die Angelegenheiten der technischen Schulen im Unterrichtsministerium schließlich ein Gewicht erlangen werden, groß genug, um auch auf die Schulen der all¬ gemeinen Bildung einen heilsamen Einfluß auszuüben. Die umfangreiche Debatte über die Gewerbeschulen drehte sich fast aus¬ schließlich um die „Gewerbeschule mit neunjährigen Kursus", oder sagen wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/260>, abgerufen am 03.07.2024.