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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Befriedigung unserer finanziellen Bedürfnisse nicht durch die Besorgnis; ein¬
schränken zu lassen, daß durch dieselben deutsche Produkte eine geringe Bevor¬
zugung vor ausländischen erfahren. Der jetzt bestehende Vereinszolltaris
enthält neben den reinen Finanzzöllen eine Reihe von mäßigen Schutzzöllen
für bestimmte Industriezweige. Eine Beseitigung oder Verminderung dieser
Zölle wird, zumal bei der gegenwärtigen Lage der Industrie, nicht rathsam
erscheinen. Vielleicht wird sogar bei manchen Artikeln im Interesse einzelner
besonders leidender Zweige der heimischen Industrie eine Wiederherstellung
höherer oder Erhöhung der gegenwärtigen Zollsätze sich empfehlen."

"Eigentliche Finanzzölle, welche auf Gegenstände gelegt sind, die im
Inlande nicht vorkommen, und deren Einfuhr unentbehrlich ist, werden zum
Theil den Inländer allein treffen. Bei Artikeln dagegen, welche das Inland
in einer für den einheimischen Verbrauch ausreichenden Menge und Beschaffen¬
heit zu erzeugen im Staude ist, wird der ausländische Produzent den Zoll
allein zu tragen haben, um auf dem deutschen Markte noch konkurriren zu
können. In solchen Fällen endlich, in denen ein Theil des inländischen Be¬
darfs durch auswärtige Zufuhr gedeckt werden muß, wird der ausländische
Konkurrent meist genöthigt sein, wenigstens einen Theil und oft das Ganze
des Zolls zu übernehmen und seinen bisherigen Gewinn um diesen Betrag zu
vermindern." -- "Soweit hiernach der Zoll dem inländischen Konsumenten
überhaupt zur Last sällt, tritt er hinter die sonstigen Verhältnisse, welche ans
die Höhe der Waarenpreise von Einfluß siud, in der Regel weit zurück. Gegen¬
über den Preisschwankungen, welche bei bestimmten Waarengattungen durch
den Wechsel im Verhältniß von Angebot und Nachfrage oft binnen kurzer
Zeit und bei geringer örtlicher Entfernung der Marktplatze von einander be¬
dingt wird, kann ein Zoll, der etwa 5 bis 10 Prozent vom Werth der Waare
beträgt, nur einen verhältnißmäßig geringen Einfluß auf den Kaufpreis üben.
Andere Momente, wie die Ungleichheiten der Frachtsätze bei den Differenzial-
tarifen der Eisenbahnen, wirken in dieser Beziehung viel einschneidender ver¬
möge der Einfuhrprämie, die sie dem Auslande, ost zum vielfachen Betrage
jedes vom Reiche aufzulegenden Zolles, auf Kosten der deutschen Produktion
gewähren."

"Ich bin" -- so fährt der Reichskanzler mit auffallender, aber wohl¬
berechtigter Schärfe fort -- "deshalb auch der Ueberzeugung, daß mit der
Revision der Grenzzölle eine Revision der Eisenbahntarife
Hand in Hand gehen muß. Es kann auf die Dauer den einzelnen Staats¬
und Privat-Eisenbahnverwaltungen nicht die Berechtigung verbleiben, der wirth-
schaftlichen Gesetzgebung des Reiches nach eigenem Ermessen Konkurrenz zu
machen, die Handelspolitik der verbündeten Regierungen und des Reichstags


Befriedigung unserer finanziellen Bedürfnisse nicht durch die Besorgnis; ein¬
schränken zu lassen, daß durch dieselben deutsche Produkte eine geringe Bevor¬
zugung vor ausländischen erfahren. Der jetzt bestehende Vereinszolltaris
enthält neben den reinen Finanzzöllen eine Reihe von mäßigen Schutzzöllen
für bestimmte Industriezweige. Eine Beseitigung oder Verminderung dieser
Zölle wird, zumal bei der gegenwärtigen Lage der Industrie, nicht rathsam
erscheinen. Vielleicht wird sogar bei manchen Artikeln im Interesse einzelner
besonders leidender Zweige der heimischen Industrie eine Wiederherstellung
höherer oder Erhöhung der gegenwärtigen Zollsätze sich empfehlen."

„Eigentliche Finanzzölle, welche auf Gegenstände gelegt sind, die im
Inlande nicht vorkommen, und deren Einfuhr unentbehrlich ist, werden zum
Theil den Inländer allein treffen. Bei Artikeln dagegen, welche das Inland
in einer für den einheimischen Verbrauch ausreichenden Menge und Beschaffen¬
heit zu erzeugen im Staude ist, wird der ausländische Produzent den Zoll
allein zu tragen haben, um auf dem deutschen Markte noch konkurriren zu
können. In solchen Fällen endlich, in denen ein Theil des inländischen Be¬
darfs durch auswärtige Zufuhr gedeckt werden muß, wird der ausländische
Konkurrent meist genöthigt sein, wenigstens einen Theil und oft das Ganze
des Zolls zu übernehmen und seinen bisherigen Gewinn um diesen Betrag zu
vermindern." — „Soweit hiernach der Zoll dem inländischen Konsumenten
überhaupt zur Last sällt, tritt er hinter die sonstigen Verhältnisse, welche ans
die Höhe der Waarenpreise von Einfluß siud, in der Regel weit zurück. Gegen¬
über den Preisschwankungen, welche bei bestimmten Waarengattungen durch
den Wechsel im Verhältniß von Angebot und Nachfrage oft binnen kurzer
Zeit und bei geringer örtlicher Entfernung der Marktplatze von einander be¬
dingt wird, kann ein Zoll, der etwa 5 bis 10 Prozent vom Werth der Waare
beträgt, nur einen verhältnißmäßig geringen Einfluß auf den Kaufpreis üben.
Andere Momente, wie die Ungleichheiten der Frachtsätze bei den Differenzial-
tarifen der Eisenbahnen, wirken in dieser Beziehung viel einschneidender ver¬
möge der Einfuhrprämie, die sie dem Auslande, ost zum vielfachen Betrage
jedes vom Reiche aufzulegenden Zolles, auf Kosten der deutschen Produktion
gewähren."

„Ich bin" — so fährt der Reichskanzler mit auffallender, aber wohl¬
berechtigter Schärfe fort — „deshalb auch der Ueberzeugung, daß mit der
Revision der Grenzzölle eine Revision der Eisenbahntarife
Hand in Hand gehen muß. Es kann auf die Dauer den einzelnen Staats¬
und Privat-Eisenbahnverwaltungen nicht die Berechtigung verbleiben, der wirth-
schaftlichen Gesetzgebung des Reiches nach eigenem Ermessen Konkurrenz zu
machen, die Handelspolitik der verbündeten Regierungen und des Reichstags


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[0026] Befriedigung unserer finanziellen Bedürfnisse nicht durch die Besorgnis; ein¬ schränken zu lassen, daß durch dieselben deutsche Produkte eine geringe Bevor¬ zugung vor ausländischen erfahren. Der jetzt bestehende Vereinszolltaris enthält neben den reinen Finanzzöllen eine Reihe von mäßigen Schutzzöllen für bestimmte Industriezweige. Eine Beseitigung oder Verminderung dieser Zölle wird, zumal bei der gegenwärtigen Lage der Industrie, nicht rathsam erscheinen. Vielleicht wird sogar bei manchen Artikeln im Interesse einzelner besonders leidender Zweige der heimischen Industrie eine Wiederherstellung höherer oder Erhöhung der gegenwärtigen Zollsätze sich empfehlen." „Eigentliche Finanzzölle, welche auf Gegenstände gelegt sind, die im Inlande nicht vorkommen, und deren Einfuhr unentbehrlich ist, werden zum Theil den Inländer allein treffen. Bei Artikeln dagegen, welche das Inland in einer für den einheimischen Verbrauch ausreichenden Menge und Beschaffen¬ heit zu erzeugen im Staude ist, wird der ausländische Produzent den Zoll allein zu tragen haben, um auf dem deutschen Markte noch konkurriren zu können. In solchen Fällen endlich, in denen ein Theil des inländischen Be¬ darfs durch auswärtige Zufuhr gedeckt werden muß, wird der ausländische Konkurrent meist genöthigt sein, wenigstens einen Theil und oft das Ganze des Zolls zu übernehmen und seinen bisherigen Gewinn um diesen Betrag zu vermindern." — „Soweit hiernach der Zoll dem inländischen Konsumenten überhaupt zur Last sällt, tritt er hinter die sonstigen Verhältnisse, welche ans die Höhe der Waarenpreise von Einfluß siud, in der Regel weit zurück. Gegen¬ über den Preisschwankungen, welche bei bestimmten Waarengattungen durch den Wechsel im Verhältniß von Angebot und Nachfrage oft binnen kurzer Zeit und bei geringer örtlicher Entfernung der Marktplatze von einander be¬ dingt wird, kann ein Zoll, der etwa 5 bis 10 Prozent vom Werth der Waare beträgt, nur einen verhältnißmäßig geringen Einfluß auf den Kaufpreis üben. Andere Momente, wie die Ungleichheiten der Frachtsätze bei den Differenzial- tarifen der Eisenbahnen, wirken in dieser Beziehung viel einschneidender ver¬ möge der Einfuhrprämie, die sie dem Auslande, ost zum vielfachen Betrage jedes vom Reiche aufzulegenden Zolles, auf Kosten der deutschen Produktion gewähren." „Ich bin" — so fährt der Reichskanzler mit auffallender, aber wohl¬ berechtigter Schärfe fort — „deshalb auch der Ueberzeugung, daß mit der Revision der Grenzzölle eine Revision der Eisenbahntarife Hand in Hand gehen muß. Es kann auf die Dauer den einzelnen Staats¬ und Privat-Eisenbahnverwaltungen nicht die Berechtigung verbleiben, der wirth- schaftlichen Gesetzgebung des Reiches nach eigenem Ermessen Konkurrenz zu machen, die Handelspolitik der verbündeten Regierungen und des Reichstags

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/26>, abgerufen am 01.07.2024.