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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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das feine Charakterisirungstalent des Meisters in besonders glänzendem Lichte
zeigt. Ein junger Gesandtschaftsattache, dessen gelblichbraune Gesichtsfarbe auf
Spanien oder Italien als sein Heimatland weist, sitzt nachlässig in galanten
Gespräch neben einer jungen Dame, die mit sichtlichem Interesse seinen Worten
zu lauschen scheint. Sein Nachbar zur Rechten ist ein wohlbeleibter, ältlicher
Marineoffizier, welcher eben erst dnrch den Genuß einer Eisportion einen
Kampf gegen die Temperatur des Saales geführt hat und sich rathlos nach
einem Diener umsieht, um sich auf dessen Tablett der Schale zu entledigen.

Ein solcher dienstbarer Geist hat auf der linken Seite des Bildes reichlich
zu thun. Dort herrscht das männliche Element vor und somit auch der durch
keine Galanterie gestörte Genuß des sauer Erkämpften. Ein General mit kurz
geschorenem Haar unterhält sich, ein Bierglas in der Hand, aus dem er behag¬
lich einen Zug gethan, mit einem Geistlichen. Neben ihm steht ein höherer
Gerichtsbeamter, der seinen unbequemen Dreimaster zwischen die eingebogenen
Kniee geklemmt hat, um in stiller Beschaulichkeit den Inhalt seines Tellers
auszulöffeln.

Das sind nur einige wenige Züge aus dem wechselvollen und farbenreichen
Bilde, das sich vor unseren Blicken aufthut. Der Ballchronist, der allerlei
pikante Geschichten von dieser und jener Person zu erzählen weiß, müßte an
die Stelle des Kritikers treten, um dem Leser,der auf die Farbe verzichten
muß, eine erschöpfende Vorstellung von dem wunderbaren Gemälde zu machen.

Ist die Feder doch nicht einmal im Stande, den vielseitigen Reiz des
Lichtes, die mannichfaltigen Beleuchtungseffekte in Worten wiederzugeben.
Während die Maler der klassischen Zeit, im Bewußtsein der Unzulänglichkeit
ihrer technischen Mittel, geschickt die Lichtquellen zu verdecken wußten und sich
vns die Wiedergabe der Wirkung beschränkten, geht Menzel kühn allen Schwierig¬
keiten entgegen, um sie glänzend zu überwinden. Zwar widerstreben auch
seiner virtuosen Technik noch die zähen, undurchsichtigen Farbenpigmente.
Wenn man aber eine künstliche Beleuchtung zu Hilfe nimmt, welche in diesem
Falle gestattet ist, da der Maler sein Bild bei Licht und für das Licht gedacht
hat, und das dnrch einen Reflektor noch konzentrirte Licht einer Lampe voll
auf die Leinwand fallen läßt, so nimmt das gemalte Licht das Leben und die
Bewegung des wirklichen an und steigert sich, ein wahres Wunder der Kunst,
auch zum vollen Effekte des wirklichen Kerzenlichts. Damit hat der geniale
Meister ein technisches Problem gelöst, an dem sich Jahrhunderte vergeblich
abgemüht haben.


Adolf Rosenberg


das feine Charakterisirungstalent des Meisters in besonders glänzendem Lichte
zeigt. Ein junger Gesandtschaftsattache, dessen gelblichbraune Gesichtsfarbe auf
Spanien oder Italien als sein Heimatland weist, sitzt nachlässig in galanten
Gespräch neben einer jungen Dame, die mit sichtlichem Interesse seinen Worten
zu lauschen scheint. Sein Nachbar zur Rechten ist ein wohlbeleibter, ältlicher
Marineoffizier, welcher eben erst dnrch den Genuß einer Eisportion einen
Kampf gegen die Temperatur des Saales geführt hat und sich rathlos nach
einem Diener umsieht, um sich auf dessen Tablett der Schale zu entledigen.

Ein solcher dienstbarer Geist hat auf der linken Seite des Bildes reichlich
zu thun. Dort herrscht das männliche Element vor und somit auch der durch
keine Galanterie gestörte Genuß des sauer Erkämpften. Ein General mit kurz
geschorenem Haar unterhält sich, ein Bierglas in der Hand, aus dem er behag¬
lich einen Zug gethan, mit einem Geistlichen. Neben ihm steht ein höherer
Gerichtsbeamter, der seinen unbequemen Dreimaster zwischen die eingebogenen
Kniee geklemmt hat, um in stiller Beschaulichkeit den Inhalt seines Tellers
auszulöffeln.

Das sind nur einige wenige Züge aus dem wechselvollen und farbenreichen
Bilde, das sich vor unseren Blicken aufthut. Der Ballchronist, der allerlei
pikante Geschichten von dieser und jener Person zu erzählen weiß, müßte an
die Stelle des Kritikers treten, um dem Leser,der auf die Farbe verzichten
muß, eine erschöpfende Vorstellung von dem wunderbaren Gemälde zu machen.

Ist die Feder doch nicht einmal im Stande, den vielseitigen Reiz des
Lichtes, die mannichfaltigen Beleuchtungseffekte in Worten wiederzugeben.
Während die Maler der klassischen Zeit, im Bewußtsein der Unzulänglichkeit
ihrer technischen Mittel, geschickt die Lichtquellen zu verdecken wußten und sich
vns die Wiedergabe der Wirkung beschränkten, geht Menzel kühn allen Schwierig¬
keiten entgegen, um sie glänzend zu überwinden. Zwar widerstreben auch
seiner virtuosen Technik noch die zähen, undurchsichtigen Farbenpigmente.
Wenn man aber eine künstliche Beleuchtung zu Hilfe nimmt, welche in diesem
Falle gestattet ist, da der Maler sein Bild bei Licht und für das Licht gedacht
hat, und das dnrch einen Reflektor noch konzentrirte Licht einer Lampe voll
auf die Leinwand fallen läßt, so nimmt das gemalte Licht das Leben und die
Bewegung des wirklichen an und steigert sich, ein wahres Wunder der Kunst,
auch zum vollen Effekte des wirklichen Kerzenlichts. Damit hat der geniale
Meister ein technisches Problem gelöst, an dem sich Jahrhunderte vergeblich
abgemüht haben.


Adolf Rosenberg


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[0242] das feine Charakterisirungstalent des Meisters in besonders glänzendem Lichte zeigt. Ein junger Gesandtschaftsattache, dessen gelblichbraune Gesichtsfarbe auf Spanien oder Italien als sein Heimatland weist, sitzt nachlässig in galanten Gespräch neben einer jungen Dame, die mit sichtlichem Interesse seinen Worten zu lauschen scheint. Sein Nachbar zur Rechten ist ein wohlbeleibter, ältlicher Marineoffizier, welcher eben erst dnrch den Genuß einer Eisportion einen Kampf gegen die Temperatur des Saales geführt hat und sich rathlos nach einem Diener umsieht, um sich auf dessen Tablett der Schale zu entledigen. Ein solcher dienstbarer Geist hat auf der linken Seite des Bildes reichlich zu thun. Dort herrscht das männliche Element vor und somit auch der durch keine Galanterie gestörte Genuß des sauer Erkämpften. Ein General mit kurz geschorenem Haar unterhält sich, ein Bierglas in der Hand, aus dem er behag¬ lich einen Zug gethan, mit einem Geistlichen. Neben ihm steht ein höherer Gerichtsbeamter, der seinen unbequemen Dreimaster zwischen die eingebogenen Kniee geklemmt hat, um in stiller Beschaulichkeit den Inhalt seines Tellers auszulöffeln. Das sind nur einige wenige Züge aus dem wechselvollen und farbenreichen Bilde, das sich vor unseren Blicken aufthut. Der Ballchronist, der allerlei pikante Geschichten von dieser und jener Person zu erzählen weiß, müßte an die Stelle des Kritikers treten, um dem Leser,der auf die Farbe verzichten muß, eine erschöpfende Vorstellung von dem wunderbaren Gemälde zu machen. Ist die Feder doch nicht einmal im Stande, den vielseitigen Reiz des Lichtes, die mannichfaltigen Beleuchtungseffekte in Worten wiederzugeben. Während die Maler der klassischen Zeit, im Bewußtsein der Unzulänglichkeit ihrer technischen Mittel, geschickt die Lichtquellen zu verdecken wußten und sich vns die Wiedergabe der Wirkung beschränkten, geht Menzel kühn allen Schwierig¬ keiten entgegen, um sie glänzend zu überwinden. Zwar widerstreben auch seiner virtuosen Technik noch die zähen, undurchsichtigen Farbenpigmente. Wenn man aber eine künstliche Beleuchtung zu Hilfe nimmt, welche in diesem Falle gestattet ist, da der Maler sein Bild bei Licht und für das Licht gedacht hat, und das dnrch einen Reflektor noch konzentrirte Licht einer Lampe voll auf die Leinwand fallen läßt, so nimmt das gemalte Licht das Leben und die Bewegung des wirklichen an und steigert sich, ein wahres Wunder der Kunst, auch zum vollen Effekte des wirklichen Kerzenlichts. Damit hat der geniale Meister ein technisches Problem gelöst, an dem sich Jahrhunderte vergeblich abgemüht haben. Adolf Rosenberg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/242>, abgerufen am 01.07.2024.