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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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von Köpfen und erhobenen Händen hin- und herwogen und sich dem Vorder¬
gründe zuwälzen. Auf der Schwelle, die zum Saale führt, staut sich die Menge
noch einmal zu einem lebensgefährlichen Gedränge auf, von da ab glätten sich
jedoch allmählich die Wogen, und der Gruppenbildung wird ein freierer Spiel¬
raum gewährt.

Der Maler hat keinen bestimmten Saal des Berliner Schlosses dargestellt,
sondern im Geschmacke der üppigen, grandiosen Barockarchitektur Schlüter's
selbständig einen von Gold und Marmor glänzenden Raum konstruirt, zu dessen
Schmuck sich alle dekorativen Künste in verschwenderischer Fülle vereinigt haben.
Die Decke schmückt ein von goldener Stuckatur umrahmter Panneau, die Wände
sind mit spiegelblank polirtem Marmor bekleidet, auf welchen Kandelaber, die
von broncenen Figuren getragen werden, ihre Lichtmassen werfen. In dem
Winkel zur Rechten des Beschauers steht ein Marmorkamin, und darüber er¬
hebt sich ein kolossaler Krystallspiegel bis zur goldglänzenden Decke, von der
auf der anderen Seite noch ein mächtiger Kronleuchter herabhängt.

Die Gäste eiues Berliner Hofballs vertreten alle Schichten der guten
Gesellschaft. Da anch die Beamten in Uniform erscheinen müssen, drängt das
bunte Galakleid den bescheidenen Frack ganz in den Hintergrund. Der Reichs¬
tagsabgeordnete, der kein Staatsamt bekleidet, der Universitüts-Professor, der
Künstler und die wenigen Mitglieder der Finanzwelt, denen die Ehre einer
Einladung zu Theil zu werden Pflegt, verschwinden nnter der Fluth der Uni¬
formen und der blendenden Atlasroben, welche unsere Damenwelt mit be¬
wunderungswürdiger "Kaltblütigkeit den Fährnissen eines Hofballs aussetzt.
Im Vordergrund des Bildes ist es dienstbeflissenen Kavalieren gelungen, einige
Stühle zusammenzurücken, so daß sich ein Cerele plaudernder, von leichter
Kavallerie umschwärmter Damen bilden konnte. Es ist sogar soviel Platz
vorhanden, daß sich die kostbaren, mit Spitzen und Blumen garnirten Schleppen
der Damen in malerischer Etalage breit machen können. Zwei oder drei dieser
Damen drehen dem Beschauer den Rücken zu. Ihre entblößten Nacken und
Schultern, auf die ein gleichmüßiges Licht fällt, das so ungalant ist, den Ala¬
basterteint der Schönen etwas gelb zu färben, sind mit köstlicher Feinheit und
mit plastischer Schärfe herausmodellirt. Ein diensteifriger Ulanenoffizier hat
am Büffet eine Eroberung gemacht und offerirt einer Dame das Resultat
seines Streifzuges. Hinter ihm ist eben eine andere Dame am Arme eines
Herrn in den Saal getreten. Ein besonders vorsichtiger Ballgast scheint in
eine unangenehme Kollision mit ihrer Schleppe gerathen zu sein; denn sie wirft
eilten unmuthigen Blick auf diesen wichtigen Annex ihrer Robe zurück. Am
Kamine steht im Clairobseur eine Gruppe Plaudernder, und vor ihnen sitzen
nebeneinander drei Personen, an denen sich die scharfe Beobachtungsgabe und


von Köpfen und erhobenen Händen hin- und herwogen und sich dem Vorder¬
gründe zuwälzen. Auf der Schwelle, die zum Saale führt, staut sich die Menge
noch einmal zu einem lebensgefährlichen Gedränge auf, von da ab glätten sich
jedoch allmählich die Wogen, und der Gruppenbildung wird ein freierer Spiel¬
raum gewährt.

Der Maler hat keinen bestimmten Saal des Berliner Schlosses dargestellt,
sondern im Geschmacke der üppigen, grandiosen Barockarchitektur Schlüter's
selbständig einen von Gold und Marmor glänzenden Raum konstruirt, zu dessen
Schmuck sich alle dekorativen Künste in verschwenderischer Fülle vereinigt haben.
Die Decke schmückt ein von goldener Stuckatur umrahmter Panneau, die Wände
sind mit spiegelblank polirtem Marmor bekleidet, auf welchen Kandelaber, die
von broncenen Figuren getragen werden, ihre Lichtmassen werfen. In dem
Winkel zur Rechten des Beschauers steht ein Marmorkamin, und darüber er¬
hebt sich ein kolossaler Krystallspiegel bis zur goldglänzenden Decke, von der
auf der anderen Seite noch ein mächtiger Kronleuchter herabhängt.

Die Gäste eiues Berliner Hofballs vertreten alle Schichten der guten
Gesellschaft. Da anch die Beamten in Uniform erscheinen müssen, drängt das
bunte Galakleid den bescheidenen Frack ganz in den Hintergrund. Der Reichs¬
tagsabgeordnete, der kein Staatsamt bekleidet, der Universitüts-Professor, der
Künstler und die wenigen Mitglieder der Finanzwelt, denen die Ehre einer
Einladung zu Theil zu werden Pflegt, verschwinden nnter der Fluth der Uni¬
formen und der blendenden Atlasroben, welche unsere Damenwelt mit be¬
wunderungswürdiger »Kaltblütigkeit den Fährnissen eines Hofballs aussetzt.
Im Vordergrund des Bildes ist es dienstbeflissenen Kavalieren gelungen, einige
Stühle zusammenzurücken, so daß sich ein Cerele plaudernder, von leichter
Kavallerie umschwärmter Damen bilden konnte. Es ist sogar soviel Platz
vorhanden, daß sich die kostbaren, mit Spitzen und Blumen garnirten Schleppen
der Damen in malerischer Etalage breit machen können. Zwei oder drei dieser
Damen drehen dem Beschauer den Rücken zu. Ihre entblößten Nacken und
Schultern, auf die ein gleichmüßiges Licht fällt, das so ungalant ist, den Ala¬
basterteint der Schönen etwas gelb zu färben, sind mit köstlicher Feinheit und
mit plastischer Schärfe herausmodellirt. Ein diensteifriger Ulanenoffizier hat
am Büffet eine Eroberung gemacht und offerirt einer Dame das Resultat
seines Streifzuges. Hinter ihm ist eben eine andere Dame am Arme eines
Herrn in den Saal getreten. Ein besonders vorsichtiger Ballgast scheint in
eine unangenehme Kollision mit ihrer Schleppe gerathen zu sein; denn sie wirft
eilten unmuthigen Blick auf diesen wichtigen Annex ihrer Robe zurück. Am
Kamine steht im Clairobseur eine Gruppe Plaudernder, und vor ihnen sitzen
nebeneinander drei Personen, an denen sich die scharfe Beobachtungsgabe und


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[0241] von Köpfen und erhobenen Händen hin- und herwogen und sich dem Vorder¬ gründe zuwälzen. Auf der Schwelle, die zum Saale führt, staut sich die Menge noch einmal zu einem lebensgefährlichen Gedränge auf, von da ab glätten sich jedoch allmählich die Wogen, und der Gruppenbildung wird ein freierer Spiel¬ raum gewährt. Der Maler hat keinen bestimmten Saal des Berliner Schlosses dargestellt, sondern im Geschmacke der üppigen, grandiosen Barockarchitektur Schlüter's selbständig einen von Gold und Marmor glänzenden Raum konstruirt, zu dessen Schmuck sich alle dekorativen Künste in verschwenderischer Fülle vereinigt haben. Die Decke schmückt ein von goldener Stuckatur umrahmter Panneau, die Wände sind mit spiegelblank polirtem Marmor bekleidet, auf welchen Kandelaber, die von broncenen Figuren getragen werden, ihre Lichtmassen werfen. In dem Winkel zur Rechten des Beschauers steht ein Marmorkamin, und darüber er¬ hebt sich ein kolossaler Krystallspiegel bis zur goldglänzenden Decke, von der auf der anderen Seite noch ein mächtiger Kronleuchter herabhängt. Die Gäste eiues Berliner Hofballs vertreten alle Schichten der guten Gesellschaft. Da anch die Beamten in Uniform erscheinen müssen, drängt das bunte Galakleid den bescheidenen Frack ganz in den Hintergrund. Der Reichs¬ tagsabgeordnete, der kein Staatsamt bekleidet, der Universitüts-Professor, der Künstler und die wenigen Mitglieder der Finanzwelt, denen die Ehre einer Einladung zu Theil zu werden Pflegt, verschwinden nnter der Fluth der Uni¬ formen und der blendenden Atlasroben, welche unsere Damenwelt mit be¬ wunderungswürdiger »Kaltblütigkeit den Fährnissen eines Hofballs aussetzt. Im Vordergrund des Bildes ist es dienstbeflissenen Kavalieren gelungen, einige Stühle zusammenzurücken, so daß sich ein Cerele plaudernder, von leichter Kavallerie umschwärmter Damen bilden konnte. Es ist sogar soviel Platz vorhanden, daß sich die kostbaren, mit Spitzen und Blumen garnirten Schleppen der Damen in malerischer Etalage breit machen können. Zwei oder drei dieser Damen drehen dem Beschauer den Rücken zu. Ihre entblößten Nacken und Schultern, auf die ein gleichmüßiges Licht fällt, das so ungalant ist, den Ala¬ basterteint der Schönen etwas gelb zu färben, sind mit köstlicher Feinheit und mit plastischer Schärfe herausmodellirt. Ein diensteifriger Ulanenoffizier hat am Büffet eine Eroberung gemacht und offerirt einer Dame das Resultat seines Streifzuges. Hinter ihm ist eben eine andere Dame am Arme eines Herrn in den Saal getreten. Ein besonders vorsichtiger Ballgast scheint in eine unangenehme Kollision mit ihrer Schleppe gerathen zu sein; denn sie wirft eilten unmuthigen Blick auf diesen wichtigen Annex ihrer Robe zurück. Am Kamine steht im Clairobseur eine Gruppe Plaudernder, und vor ihnen sitzen nebeneinander drei Personen, an denen sich die scharfe Beobachtungsgabe und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/241>, abgerufen am 01.10.2024.