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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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die er sich gefallen lassen muß. Aber er ist nicht ans England allein ange¬
wiesen, er muß seine Erzeugnisse keineswegs ausschließlich dort absetzen und
uicht ausschließlich englische Manufakturwaaren dafür in Tausch nehmen. Die
Entstehung von Fabriken im eignen Lande dagegen schafft ihm einen näheren
und bequemeren Absatzmarkt und wirkt andrerseits anregend aus die Landwirth-
schaft zurück, und zwar mit der ganzen Macht und Fülle derjenigen Wirkungen,
welche aus der naturnothwendigen Befriedigung eines Entwickelungsbedürfnisses
nach allen Richtungen hin segensvoll hervorbrechen." Der Uebergang zur Stufe
der Verarbeitung der Rohstoffe ist für ein Land, in welchem die Erzeugung
dieser Stoffe, die Agrikultur, erstarkt und zu voller Reife gelangt ist, ein solches
Bedürfniß. Vermehrung der Bevölkerung, Entstehen von Städten, Unabhängig¬
keit auf dem heimischen Markte stehen mit der natürlich-organischen Ausbildung
im Verhältnisse und ebenso mit der aufgezwungnen, unnatürlichen und un¬
organischen Entwickelung der Dinge. "Alles, was darauf hinausläuft, in
einem Lande die Zahl der Handwerker und der Fabrikanten zu vermindern,"
sagt Adam Smith, "läuft auch auf Schädigung des heimischen Marktes, des
wichtigsten von allen für die Rohprodukte, und folglich auf Beeinträchtigung
der Landwirthschaft hinaus. Ein System, welches eine Nation zwingt, nur
Rohprodukte auszuführen, geht ebenso auf die Verarmung des Landes und
seiner Besitzer als auf die Unterdrückung der Freiheit der Arbeiter aus."

Nun kann man einwerfen, daß die hier besprochene englische Handelspolitik
sich auf die eignen Kolonien bezieht, und aus der immerhin bestehenden Ge¬
meinsamkeit der Interessen zwischen Mutter- und Tochterland schließen, es sei
gerechtfertigt, wenn England sich seinen Kolonien gegenüber als das betrachte,
was eine Stadt gegenüber dem benachbarten platten Lande ist. Dieser Schluß
würde schwach fein. Aber seine volle Richtigkeit zugegeben, darf ein solches
System doch keinenfalls den fremden unabhängigen Staaten als ein richtiges
und natürliches angepriesen werden, und keinenfalls dürfen deren Regierungen
es auch nur annähernd dazu kommen lassen, daß durch vorschnelle, der orga¬
nischen Entwickelung der Industrie des betreffenden Staates nicht entsprechende
Einführung eines unbeschränkten oder nicht genügend beschränkten Freihandels
der Vorsprung, den England auf dem Wege zur höchsten Mannfakturstufe schon
gewonnen hat, dahin erweitert wird, daß dieser Staat, wie List sagt, schließlich
die Manufaktur- und Handelsstadt der ganzen Welt wird, und alle übrigen
Staaten gleichsam das dazu gehörige platte Laud bilden.

In Frankreich hat man das begriffen und beachtet, und man steht sich
gut dabei. Bei uns ist es damit langsamer gegangen, aber es ist, wie oben
bemerkt, nach mancherlei Anzeichen zu hoffen, daß man es jetzt im Hinblicke
auf das unzweifelhaft auch durch die stark manchesterlich gefärbte Zollpolitik


die er sich gefallen lassen muß. Aber er ist nicht ans England allein ange¬
wiesen, er muß seine Erzeugnisse keineswegs ausschließlich dort absetzen und
uicht ausschließlich englische Manufakturwaaren dafür in Tausch nehmen. Die
Entstehung von Fabriken im eignen Lande dagegen schafft ihm einen näheren
und bequemeren Absatzmarkt und wirkt andrerseits anregend aus die Landwirth-
schaft zurück, und zwar mit der ganzen Macht und Fülle derjenigen Wirkungen,
welche aus der naturnothwendigen Befriedigung eines Entwickelungsbedürfnisses
nach allen Richtungen hin segensvoll hervorbrechen." Der Uebergang zur Stufe
der Verarbeitung der Rohstoffe ist für ein Land, in welchem die Erzeugung
dieser Stoffe, die Agrikultur, erstarkt und zu voller Reife gelangt ist, ein solches
Bedürfniß. Vermehrung der Bevölkerung, Entstehen von Städten, Unabhängig¬
keit auf dem heimischen Markte stehen mit der natürlich-organischen Ausbildung
im Verhältnisse und ebenso mit der aufgezwungnen, unnatürlichen und un¬
organischen Entwickelung der Dinge. „Alles, was darauf hinausläuft, in
einem Lande die Zahl der Handwerker und der Fabrikanten zu vermindern,"
sagt Adam Smith, „läuft auch auf Schädigung des heimischen Marktes, des
wichtigsten von allen für die Rohprodukte, und folglich auf Beeinträchtigung
der Landwirthschaft hinaus. Ein System, welches eine Nation zwingt, nur
Rohprodukte auszuführen, geht ebenso auf die Verarmung des Landes und
seiner Besitzer als auf die Unterdrückung der Freiheit der Arbeiter aus."

Nun kann man einwerfen, daß die hier besprochene englische Handelspolitik
sich auf die eignen Kolonien bezieht, und aus der immerhin bestehenden Ge¬
meinsamkeit der Interessen zwischen Mutter- und Tochterland schließen, es sei
gerechtfertigt, wenn England sich seinen Kolonien gegenüber als das betrachte,
was eine Stadt gegenüber dem benachbarten platten Lande ist. Dieser Schluß
würde schwach fein. Aber seine volle Richtigkeit zugegeben, darf ein solches
System doch keinenfalls den fremden unabhängigen Staaten als ein richtiges
und natürliches angepriesen werden, und keinenfalls dürfen deren Regierungen
es auch nur annähernd dazu kommen lassen, daß durch vorschnelle, der orga¬
nischen Entwickelung der Industrie des betreffenden Staates nicht entsprechende
Einführung eines unbeschränkten oder nicht genügend beschränkten Freihandels
der Vorsprung, den England auf dem Wege zur höchsten Mannfakturstufe schon
gewonnen hat, dahin erweitert wird, daß dieser Staat, wie List sagt, schließlich
die Manufaktur- und Handelsstadt der ganzen Welt wird, und alle übrigen
Staaten gleichsam das dazu gehörige platte Laud bilden.

In Frankreich hat man das begriffen und beachtet, und man steht sich
gut dabei. Bei uns ist es damit langsamer gegangen, aber es ist, wie oben
bemerkt, nach mancherlei Anzeichen zu hoffen, daß man es jetzt im Hinblicke
auf das unzweifelhaft auch durch die stark manchesterlich gefärbte Zollpolitik


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/24>, abgerufen am 05.02.2025.