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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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weggenommen habe; zudem habe er früher die Stadt mit seinen wenigen
Wallonen so geplagt, daß sie jetzt, wo er mit einer ganzen Armee sich einlagern
wolle, das Schlimmste besorgen müsse. Habe er doch, als er in's Feld gerückt,
dem Richter und einigen Geschworenen von der Gemeinde gedroht, alles was
er ihnen bis jetzt gethan, sei nur Kinderspiel gewesen. Endlich habe die Stadt,
wenn sie ihn einlasse, eine Belagerung durch die nahenden Ungarn zu gewär¬
tigen. "Sollte dann hier unter dem Kriegsvolk und der Bürgerschaft etwa
aus mangelnden Proviant, item, daß der gemeine Mann der eingezogenen
Kirchen halb noch zimblich schwierig, ein Unwillen gegen einander erwachsen,
so möcht gar leicht die ganze Stadt darüber verloren werden." Im übrigen
erklärte der Rath, dem Kaiser treu zu bleiben; auch den Versuch wollte er
machen, die heranziehenden Insurgenten durch Verhandlungen aufzuhalten.

Es blieb Rottwitz nichts übrig, als diesen ablehnenden Bescheid seinem
Chef mitzutheilen, der eben an der Stadt vorüberzog, und dieser wiederum
konnte nichts weiter thun, als sie durch Rottwitz nochmals zur Treue aufzu¬
fordern.

Inzwischen aber hatte Erich Lassota von seiner Vollmacht Gebrauch gemacht,
hatte, um die Bürgerschaft positiv günstig zu stimmen, durch Melchior Nenner
an Richter, Rath und Gemeinde die Mittheilung gelangen lassen, es solle die
kleine (ungarische) Kirche den Evangelischen übergeben werden. Nichts konnte
deutlicher zeigen als dies, wieviel den kaiserlichen Befehlshabern an Kaschau
gelegen sei. Indem langte Rottwitz wieder an, gab seine Zustimmung zur
Einräumung der Kirche. Doch so dankbar auch der Rath diese Konzession auf¬
nahm, er wollte die Gunst der Lage benutzen und forderte die Herausgabe auch
der Elisabethkirche'und der konfiszirtem Güter. Da endlich, am 27. Oktober, nach
langer peinlicher Berathung, der außer Lassota, Rottwitz und Duckart auch Nico-
laus Mieatius als Präsident der königlichen Kammer mit seinen Räthen, der
Bischof von Fünfkirchen, Hans Leonhard von Isla und einige andere beiwohnten,
kamen die Versammelten zu dem Beschlusse, "quocl nsczksslws CArsü-t IkAS und
man rsbus sie stantivus aus der Noth eine Tugend machen, sich nach der
Zeit richten müßte", die Elisabethkirche der Bürgerschaft einzuräumen und die
Landgüter zurückzugeben, indeß nicht, ohne daß Lafsota formell Protest einge¬
legt hätte, daß, "was diß Orts von ihm exequiert, nicht tsillsrs oder swckio
xroxÄAÄQäas LoutsssioQis ^UAUstana", sondern xro tsinxoris sxiASQtig,, zur
Erhaltung Ihrer Majestät Land und auf des Herrn Feldobersten Befelch be-
schehen""). Das Folgende mag mit Rvttwitz' eignen Worten erzählt werden.

*) Aus Lassota's Bericht. Rottwitz verschweigt die gleich anfangs ertheilte Vollmacht
(offenbar mit Rücksicht auf den Kaiser, dem er berichtet), wirft beide Berathungen in eine
zusammen und schiebt dabei seine eigene Person mehr als billig in den Bordergrund.


Grenzboten >. 1379, 29

weggenommen habe; zudem habe er früher die Stadt mit seinen wenigen
Wallonen so geplagt, daß sie jetzt, wo er mit einer ganzen Armee sich einlagern
wolle, das Schlimmste besorgen müsse. Habe er doch, als er in's Feld gerückt,
dem Richter und einigen Geschworenen von der Gemeinde gedroht, alles was
er ihnen bis jetzt gethan, sei nur Kinderspiel gewesen. Endlich habe die Stadt,
wenn sie ihn einlasse, eine Belagerung durch die nahenden Ungarn zu gewär¬
tigen. „Sollte dann hier unter dem Kriegsvolk und der Bürgerschaft etwa
aus mangelnden Proviant, item, daß der gemeine Mann der eingezogenen
Kirchen halb noch zimblich schwierig, ein Unwillen gegen einander erwachsen,
so möcht gar leicht die ganze Stadt darüber verloren werden." Im übrigen
erklärte der Rath, dem Kaiser treu zu bleiben; auch den Versuch wollte er
machen, die heranziehenden Insurgenten durch Verhandlungen aufzuhalten.

Es blieb Rottwitz nichts übrig, als diesen ablehnenden Bescheid seinem
Chef mitzutheilen, der eben an der Stadt vorüberzog, und dieser wiederum
konnte nichts weiter thun, als sie durch Rottwitz nochmals zur Treue aufzu¬
fordern.

Inzwischen aber hatte Erich Lassota von seiner Vollmacht Gebrauch gemacht,
hatte, um die Bürgerschaft positiv günstig zu stimmen, durch Melchior Nenner
an Richter, Rath und Gemeinde die Mittheilung gelangen lassen, es solle die
kleine (ungarische) Kirche den Evangelischen übergeben werden. Nichts konnte
deutlicher zeigen als dies, wieviel den kaiserlichen Befehlshabern an Kaschau
gelegen sei. Indem langte Rottwitz wieder an, gab seine Zustimmung zur
Einräumung der Kirche. Doch so dankbar auch der Rath diese Konzession auf¬
nahm, er wollte die Gunst der Lage benutzen und forderte die Herausgabe auch
der Elisabethkirche'und der konfiszirtem Güter. Da endlich, am 27. Oktober, nach
langer peinlicher Berathung, der außer Lassota, Rottwitz und Duckart auch Nico-
laus Mieatius als Präsident der königlichen Kammer mit seinen Räthen, der
Bischof von Fünfkirchen, Hans Leonhard von Isla und einige andere beiwohnten,
kamen die Versammelten zu dem Beschlusse, „quocl nsczksslws CArsü-t IkAS und
man rsbus sie stantivus aus der Noth eine Tugend machen, sich nach der
Zeit richten müßte", die Elisabethkirche der Bürgerschaft einzuräumen und die
Landgüter zurückzugeben, indeß nicht, ohne daß Lafsota formell Protest einge¬
legt hätte, daß, „was diß Orts von ihm exequiert, nicht tsillsrs oder swckio
xroxÄAÄQäas LoutsssioQis ^UAUstana«, sondern xro tsinxoris sxiASQtig,, zur
Erhaltung Ihrer Majestät Land und auf des Herrn Feldobersten Befelch be-
schehen""). Das Folgende mag mit Rvttwitz' eignen Worten erzählt werden.

*) Aus Lassota's Bericht. Rottwitz verschweigt die gleich anfangs ertheilte Vollmacht
(offenbar mit Rücksicht auf den Kaiser, dem er berichtet), wirft beide Berathungen in eine
zusammen und schiebt dabei seine eigene Person mehr als billig in den Bordergrund.


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[0229] weggenommen habe; zudem habe er früher die Stadt mit seinen wenigen Wallonen so geplagt, daß sie jetzt, wo er mit einer ganzen Armee sich einlagern wolle, das Schlimmste besorgen müsse. Habe er doch, als er in's Feld gerückt, dem Richter und einigen Geschworenen von der Gemeinde gedroht, alles was er ihnen bis jetzt gethan, sei nur Kinderspiel gewesen. Endlich habe die Stadt, wenn sie ihn einlasse, eine Belagerung durch die nahenden Ungarn zu gewär¬ tigen. „Sollte dann hier unter dem Kriegsvolk und der Bürgerschaft etwa aus mangelnden Proviant, item, daß der gemeine Mann der eingezogenen Kirchen halb noch zimblich schwierig, ein Unwillen gegen einander erwachsen, so möcht gar leicht die ganze Stadt darüber verloren werden." Im übrigen erklärte der Rath, dem Kaiser treu zu bleiben; auch den Versuch wollte er machen, die heranziehenden Insurgenten durch Verhandlungen aufzuhalten. Es blieb Rottwitz nichts übrig, als diesen ablehnenden Bescheid seinem Chef mitzutheilen, der eben an der Stadt vorüberzog, und dieser wiederum konnte nichts weiter thun, als sie durch Rottwitz nochmals zur Treue aufzu¬ fordern. Inzwischen aber hatte Erich Lassota von seiner Vollmacht Gebrauch gemacht, hatte, um die Bürgerschaft positiv günstig zu stimmen, durch Melchior Nenner an Richter, Rath und Gemeinde die Mittheilung gelangen lassen, es solle die kleine (ungarische) Kirche den Evangelischen übergeben werden. Nichts konnte deutlicher zeigen als dies, wieviel den kaiserlichen Befehlshabern an Kaschau gelegen sei. Indem langte Rottwitz wieder an, gab seine Zustimmung zur Einräumung der Kirche. Doch so dankbar auch der Rath diese Konzession auf¬ nahm, er wollte die Gunst der Lage benutzen und forderte die Herausgabe auch der Elisabethkirche'und der konfiszirtem Güter. Da endlich, am 27. Oktober, nach langer peinlicher Berathung, der außer Lassota, Rottwitz und Duckart auch Nico- laus Mieatius als Präsident der königlichen Kammer mit seinen Räthen, der Bischof von Fünfkirchen, Hans Leonhard von Isla und einige andere beiwohnten, kamen die Versammelten zu dem Beschlusse, „quocl nsczksslws CArsü-t IkAS und man rsbus sie stantivus aus der Noth eine Tugend machen, sich nach der Zeit richten müßte", die Elisabethkirche der Bürgerschaft einzuräumen und die Landgüter zurückzugeben, indeß nicht, ohne daß Lafsota formell Protest einge¬ legt hätte, daß, „was diß Orts von ihm exequiert, nicht tsillsrs oder swckio xroxÄAÄQäas LoutsssioQis ^UAUstana«, sondern xro tsinxoris sxiASQtig,, zur Erhaltung Ihrer Majestät Land und auf des Herrn Feldobersten Befelch be- schehen""). Das Folgende mag mit Rvttwitz' eignen Worten erzählt werden. *) Aus Lassota's Bericht. Rottwitz verschweigt die gleich anfangs ertheilte Vollmacht (offenbar mit Rücksicht auf den Kaiser, dem er berichtet), wirft beide Berathungen in eine zusammen und schiebt dabei seine eigene Person mehr als billig in den Bordergrund. Grenzboten >. 1379, 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/229>, abgerufen am 24.07.2024.