Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.Stadt überfallen und plündern zu lassen, und der Verdacht schien dadurch Erwies sich nun die gesammte Bevölkerung einig gegenüber solchen Be¬ So in ihrer Gewissensfreiheit bedroht, ihres Besitzes beraubt, der Willkür Dieser Absicht verdankt jedenfalls eine ausführliche Denkschrift ihre Ent¬ Offiziell ist sie nicht an den sächsischen Hof gelangt, da sie keinerlei Adresse oder
Unterschrift trägt. Vermuthlich hat Joseph Gans, kaiserlicher Fcldkriegszahlmcister in Ober- Ungarn, der von sich in einem Schreiben an Kurfürst Christian II. von Sachsen datirt Prag 26. April 1605 rühmt, er habe dem Kurfürsten schon sieben Jahre "mit Avisirung der hungarischen Zeitungen absonderlich gchorsamblichcn gedienet", das Schriftstück nach Dresden geschickt, wo man die österreichischen Wirren überhaupt mit großer Aufmerksamkeit verfolgte. Stadt überfallen und plündern zu lassen, und der Verdacht schien dadurch Erwies sich nun die gesammte Bevölkerung einig gegenüber solchen Be¬ So in ihrer Gewissensfreiheit bedroht, ihres Besitzes beraubt, der Willkür Dieser Absicht verdankt jedenfalls eine ausführliche Denkschrift ihre Ent¬ Offiziell ist sie nicht an den sächsischen Hof gelangt, da sie keinerlei Adresse oder
Unterschrift trägt. Vermuthlich hat Joseph Gans, kaiserlicher Fcldkriegszahlmcister in Ober- Ungarn, der von sich in einem Schreiben an Kurfürst Christian II. von Sachsen datirt Prag 26. April 1605 rühmt, er habe dem Kurfürsten schon sieben Jahre „mit Avisirung der hungarischen Zeitungen absonderlich gchorsamblichcn gedienet", das Schriftstück nach Dresden geschickt, wo man die österreichischen Wirren überhaupt mit großer Aufmerksamkeit verfolgte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141606"/> <p xml:id="ID_579" prev="#ID_578"> Stadt überfallen und plündern zu lassen, und der Verdacht schien dadurch<lb/> bestätigt zu werden, daß die Thore mehrere Nächte durch geöffnet blieben.<lb/> Noch bedenklicher war, daß Belgiojoso den Versuch machte, die magyarische<lb/> Bürgerschaft gegen die deutschen Bürger und ihren Rath zu Hetzen, indem er<lb/> ihr unter der Hand die Zusicherung gab, wenn sie dem katholischen Gottes¬<lb/> dienste beiwohne, so werde er dem deutschen Rathe das Regiment der Stadt<lb/> nehmen und es in die Hände der Magyaren legen. Der Versuch mißlang<lb/> zunächst, wie er verdiente, aber es muß als gerechte Nemesis erscheinen, daß<lb/> eben dieser Theil der Einwohnerschaft es war, welcher wenige Monate später<lb/> den Uebertritt der Stadt zu Bocskay entschied.</p><lb/> <p xml:id="ID_580"> Erwies sich nun die gesammte Bevölkerung einig gegenüber solchen Be¬<lb/> strebungen, so sollte eine neue Gewaltmaßregel die Gesammtheit treffen. Sämmt¬<lb/> liche städtische Dörfer, 28 an der Zahl, die reichen Weinberge der Hegyallja,<lb/> die einträglichen Mühlen an der Herrad, kurz der ganze Grundbesitz der Ge¬<lb/> meinde wurde jetzt mit Beschlag belegt, die Abführung des fälligen Getreide-<lb/> zehntens an die städtischen Magazine verhindert und für die kaiserlichen einge¬<lb/> fordert, ganz abgesehen noch davon, daß die wehrlose Bürgerschaft allem Unfug<lb/> und allen Mißhandlungen sich ausgesetzt sah, deren die rohe Soldateska jener<lb/> Zeit nur irgend fähig war.</p><lb/> <p xml:id="ID_581"> So in ihrer Gewissensfreiheit bedroht, ihres Besitzes beraubt, der Willkür<lb/> eiues übermüthigen Kriegerhaufens preisgegeben suchte die Stadt zunächst Hilfe<lb/> bei den Genossinnen des Fünfstädtebundes. Auf dem Tage von Leutschau<lb/> gaben sich die Städte das Wort, Widerstand zu leisten, und setzten sich zugleich<lb/> mit den Ständen der benachbarten Komitate in Verbindung. Kaschau selbst,<lb/> das schon das litt, was die andern erst fürchteten, entschloß sich, nochmals un¬<lb/> mittelbar an den Kaiser sich zu wenden und zugleich die Sympathieen der<lb/> Protestanten im Reiche für sich aufzurufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_582" next="#ID_583"> Dieser Absicht verdankt jedenfalls eine ausführliche Denkschrift ihre Ent¬<lb/> stehung, von der sich unter dem Titel: „Kurtzer Bericht des Processes, so Herr<lb/> Veldt-Obrister in Ober-Hungarn in Hinwegnehmung der Kirchen zu Caschaw<lb/> vndt hernach mit der Burgerschafft fürgeuommen" eine Copie im Dresdner Ar¬<lb/> chive findet.*) Eine andere kürzere Darstellung unter dem Titel: „Warhafftige vnd<lb/> Beweißliche Artickel, durch welche Graff Beliosa Feldoberster in Ober-Vngarn,</p><lb/> <note xml:id="FID_44" place="foot"> Offiziell ist sie nicht an den sächsischen Hof gelangt, da sie keinerlei Adresse oder<lb/> Unterschrift trägt. Vermuthlich hat Joseph Gans, kaiserlicher Fcldkriegszahlmcister in Ober-<lb/> Ungarn, der von sich in einem Schreiben an Kurfürst Christian II. von Sachsen datirt<lb/> Prag 26. April 1605 rühmt, er habe dem Kurfürsten schon sieben Jahre „mit Avisirung der<lb/> hungarischen Zeitungen absonderlich gchorsamblichcn gedienet", das Schriftstück nach<lb/> Dresden geschickt, wo man die österreichischen Wirren überhaupt mit großer Aufmerksamkeit<lb/> verfolgte.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
Stadt überfallen und plündern zu lassen, und der Verdacht schien dadurch
bestätigt zu werden, daß die Thore mehrere Nächte durch geöffnet blieben.
Noch bedenklicher war, daß Belgiojoso den Versuch machte, die magyarische
Bürgerschaft gegen die deutschen Bürger und ihren Rath zu Hetzen, indem er
ihr unter der Hand die Zusicherung gab, wenn sie dem katholischen Gottes¬
dienste beiwohne, so werde er dem deutschen Rathe das Regiment der Stadt
nehmen und es in die Hände der Magyaren legen. Der Versuch mißlang
zunächst, wie er verdiente, aber es muß als gerechte Nemesis erscheinen, daß
eben dieser Theil der Einwohnerschaft es war, welcher wenige Monate später
den Uebertritt der Stadt zu Bocskay entschied.
Erwies sich nun die gesammte Bevölkerung einig gegenüber solchen Be¬
strebungen, so sollte eine neue Gewaltmaßregel die Gesammtheit treffen. Sämmt¬
liche städtische Dörfer, 28 an der Zahl, die reichen Weinberge der Hegyallja,
die einträglichen Mühlen an der Herrad, kurz der ganze Grundbesitz der Ge¬
meinde wurde jetzt mit Beschlag belegt, die Abführung des fälligen Getreide-
zehntens an die städtischen Magazine verhindert und für die kaiserlichen einge¬
fordert, ganz abgesehen noch davon, daß die wehrlose Bürgerschaft allem Unfug
und allen Mißhandlungen sich ausgesetzt sah, deren die rohe Soldateska jener
Zeit nur irgend fähig war.
So in ihrer Gewissensfreiheit bedroht, ihres Besitzes beraubt, der Willkür
eiues übermüthigen Kriegerhaufens preisgegeben suchte die Stadt zunächst Hilfe
bei den Genossinnen des Fünfstädtebundes. Auf dem Tage von Leutschau
gaben sich die Städte das Wort, Widerstand zu leisten, und setzten sich zugleich
mit den Ständen der benachbarten Komitate in Verbindung. Kaschau selbst,
das schon das litt, was die andern erst fürchteten, entschloß sich, nochmals un¬
mittelbar an den Kaiser sich zu wenden und zugleich die Sympathieen der
Protestanten im Reiche für sich aufzurufen.
Dieser Absicht verdankt jedenfalls eine ausführliche Denkschrift ihre Ent¬
stehung, von der sich unter dem Titel: „Kurtzer Bericht des Processes, so Herr
Veldt-Obrister in Ober-Hungarn in Hinwegnehmung der Kirchen zu Caschaw
vndt hernach mit der Burgerschafft fürgeuommen" eine Copie im Dresdner Ar¬
chive findet.*) Eine andere kürzere Darstellung unter dem Titel: „Warhafftige vnd
Beweißliche Artickel, durch welche Graff Beliosa Feldoberster in Ober-Vngarn,
Offiziell ist sie nicht an den sächsischen Hof gelangt, da sie keinerlei Adresse oder
Unterschrift trägt. Vermuthlich hat Joseph Gans, kaiserlicher Fcldkriegszahlmcister in Ober-
Ungarn, der von sich in einem Schreiben an Kurfürst Christian II. von Sachsen datirt
Prag 26. April 1605 rühmt, er habe dem Kurfürsten schon sieben Jahre „mit Avisirung der
hungarischen Zeitungen absonderlich gchorsamblichcn gedienet", das Schriftstück nach
Dresden geschickt, wo man die österreichischen Wirren überhaupt mit großer Aufmerksamkeit
verfolgte.
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