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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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man der Landesvertretung das Recht über den Kopf genommen habe, und
daß der Handelsvertrag das Butterbrod sei, durch welches der britische Löwe
bewogen worden, zur Abdrückung jener Gebiete der piemontesischen Monarchie zu
schweigen. Bright rief u. a.: "^frist 8a,vo^!" und wurde vom Lord John
Manners in einer glänzenden Improvisation zurechtgewiesen und abgeführt.

Kehren wir in die unmittelbare Gegenwart zurück, so zeigt das entschiedene
Vorgehen der französischen Regierung, daß man den Beschluß gefaßt hat, mit
den Napoleonischen Traditionen und den Vorspiegelungen des Cobdenklubs
völlig zu brechen. Da wir nun zur Zeit mit Frankreich auf dem Fuße.des
Rechts der meistbegünstigten Nation verkehren, so ist die Richtung, in welcher
sich die französische Handelspolitik zu entwickeln begonnen hat, auch für
Deutschland von entschiedener Bedeutung, und man kann es mit der "Börsen-
Zeitung" als ein Glück bezeichnen, daß wir infolge der Bemühungen des
Fürsten Bismarck zu Beginn des nächsten Jahres mindestens in demselben
Maße freie Hand haben werden, unsere Handelsbeziehungen nach unseren eigenen
Interessen zu regeln, wie die Franzosen sie nach den ihrigen gestalten. "Zu
gleicher Zeit aber erhalten wir einen neuen Beweis, wie wenig angebracht es
gewesen wäre, die Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn zu überstürzen und
sich nach dieser Seite hin zu binden, während an uuserer westlichen Grenze
eine radikale Neufvrmativn der Zoll- und Handelsbeziehungen geplant wird.
So wie die Dinge jetzt liegen, und wie sie liegen werden, nachdem die Zoll¬
tarif-Kommission einen neuen selbständigen Tarif für Deutschland ausgearbeitet
haben wird, können wir mit Ruhe abwarten, wie sich in Frankreich und
Oesterreich die Verhältnisse entwickeln werden, und die deutsche Regierung wird
immer die Macht haben, der heimischen Industrie und unserem Handel diejenige
Berücksichtigung zu verschaffen, welche nöthig ist, die unter dem bisherigen
Regime aber von unsern Nachbarn, wo es sich irgend thun ließ, verweigert
wurde."

Zum Schlüsse noch ein Paar Worte zur Verständigung über weiteren Tadel
in der National-Liberalen Korrespondenz und den von ihr bedienten Blättern.
Dem musikalischen Gefühl derselben hat die Ueberschrift unseres Artikels "Bis¬
marck und das Manchesterthum" als "hochtönend" mißfallen. Wir können sie
nur bezeichnend finden; denn der Aufsatz unter ihr sagt, was Bismarck als
Reformator unseres Zoll- und Steuerwesens ist und will, und charakterisirt
ihm gegenüber in gleicher Weise das Manchesterthum, und so waren und
bleiben wir der Beistimmung unbefangener und leidenschaftsloser Leser des
Artikels zu unserer Meinung vom Titel desselben sicher.

Schlimmer ist es, wenn der gestrenge Kritiker der National-Liberalen Korre¬
spondenz behauptet, der Aufsatz sei "lediglich ein nichtssagender Auszug aus


man der Landesvertretung das Recht über den Kopf genommen habe, und
daß der Handelsvertrag das Butterbrod sei, durch welches der britische Löwe
bewogen worden, zur Abdrückung jener Gebiete der piemontesischen Monarchie zu
schweigen. Bright rief u. a.: „^frist 8a,vo^!" und wurde vom Lord John
Manners in einer glänzenden Improvisation zurechtgewiesen und abgeführt.

Kehren wir in die unmittelbare Gegenwart zurück, so zeigt das entschiedene
Vorgehen der französischen Regierung, daß man den Beschluß gefaßt hat, mit
den Napoleonischen Traditionen und den Vorspiegelungen des Cobdenklubs
völlig zu brechen. Da wir nun zur Zeit mit Frankreich auf dem Fuße.des
Rechts der meistbegünstigten Nation verkehren, so ist die Richtung, in welcher
sich die französische Handelspolitik zu entwickeln begonnen hat, auch für
Deutschland von entschiedener Bedeutung, und man kann es mit der „Börsen-
Zeitung" als ein Glück bezeichnen, daß wir infolge der Bemühungen des
Fürsten Bismarck zu Beginn des nächsten Jahres mindestens in demselben
Maße freie Hand haben werden, unsere Handelsbeziehungen nach unseren eigenen
Interessen zu regeln, wie die Franzosen sie nach den ihrigen gestalten. „Zu
gleicher Zeit aber erhalten wir einen neuen Beweis, wie wenig angebracht es
gewesen wäre, die Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn zu überstürzen und
sich nach dieser Seite hin zu binden, während an uuserer westlichen Grenze
eine radikale Neufvrmativn der Zoll- und Handelsbeziehungen geplant wird.
So wie die Dinge jetzt liegen, und wie sie liegen werden, nachdem die Zoll¬
tarif-Kommission einen neuen selbständigen Tarif für Deutschland ausgearbeitet
haben wird, können wir mit Ruhe abwarten, wie sich in Frankreich und
Oesterreich die Verhältnisse entwickeln werden, und die deutsche Regierung wird
immer die Macht haben, der heimischen Industrie und unserem Handel diejenige
Berücksichtigung zu verschaffen, welche nöthig ist, die unter dem bisherigen
Regime aber von unsern Nachbarn, wo es sich irgend thun ließ, verweigert
wurde."

Zum Schlüsse noch ein Paar Worte zur Verständigung über weiteren Tadel
in der National-Liberalen Korrespondenz und den von ihr bedienten Blättern.
Dem musikalischen Gefühl derselben hat die Ueberschrift unseres Artikels „Bis¬
marck und das Manchesterthum" als „hochtönend" mißfallen. Wir können sie
nur bezeichnend finden; denn der Aufsatz unter ihr sagt, was Bismarck als
Reformator unseres Zoll- und Steuerwesens ist und will, und charakterisirt
ihm gegenüber in gleicher Weise das Manchesterthum, und so waren und
bleiben wir der Beistimmung unbefangener und leidenschaftsloser Leser des
Artikels zu unserer Meinung vom Titel desselben sicher.

Schlimmer ist es, wenn der gestrenge Kritiker der National-Liberalen Korre¬
spondenz behauptet, der Aufsatz sei „lediglich ein nichtssagender Auszug aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/175>, abgerufen am 03.07.2024.