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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Parabel, denn es fehlt das tsrtiuiri oc>in,xk>.r!>,tioQi8. Der Goldschmied wirkt
störend, denn wer soll durch ihn dargestellt werden, etwa die einzelnen Reli¬
gionsstifter? Ferner wird die Handlung der Parabel von einem sittlich rei¬
neren Geiste getragen. Weder der eine noch der andere Stein ist eine fabri-
zirte täuschende Nachahmung, sondern beide Steine sind gleich echt und gleich
werthvoll. Nach den italienischen Relationen besitzt der Vater nur einen
echten Edelstein und läßt zwei Steine nachmachen; er hintergeht also seine
Söhne. Ist dies an und für sich schon eine unmoralische Handlung, so erscheint
sie geradezu widersinnig, wenn sie auf Gott übertragen wird. Diese ganze
Jmmoralität füllt in der jüdischen Quelle weg. Eine entscheidende Beweiskraft
liegt weiter in der Lehre der Parabel. Da der Jude in seiner Antwort über
keine der beiden Religionen ein Urtheil fällt, keine in Zweifel zieht, aber auch
keiner einen Vorzug einräumt, so tritt er dadurch weder seiner eigenen, noch
der des Königs zu nahe. Beide sind historisch berechtigt und stehen somit ein¬
ander an Werth gleich, denn beide stammen von Gott. Dem Menschen steht
es gar nicht zu, durch Gründe die Bekenntnisse abzuwägen und über ihren
Wertks oder Unwerth zu entscheiden. Dieses Recht kann Gott allein in Anspruch
nehmen. Dem Menschen fällt nur die Aufgabe zu, den ihm von Gott gegebenen
Schatz der Religion zu bewahren. Der Jude erweist sich demnach weder als
ein Freidenker, noch tritt das Moment der Toleranz, das besonders Lessing in
seine Darstellung hineingelegt hat, sichtlich hervor. Es wäre dies anch ge¬
schichtlich unwahr, denn der rabbinisch - orthodoxe Jude des Mittelalters war
in religiösen Dingen ebenso unduldsam, wie der Christ und der Sarazene.
Die christlichen Fassungen der Parabel legen eine viel gefährlichere Deutung
nahe. Die zwei nachgemachten Ringe der Cento Novelle lassen nicht nur die
Möglichkeit des Zweifels an der Echtheit der einen oder andern Religion zu,
sondern geben sie, da sich einmal die echte nicht herausfinden läßt, geradezu
preis. Lessing hat diese Klippe glücklich vermieden. Jene Fassungen aber pro-
klamiren damit religiöse Intoleranz oder religiösen Jndifferentismus. Entweder
wird der Mensch, indem er sich als Christ oder Jude im Besitze des allein
wahren Glaubens dünkt, zu einem unverträglichen Ausschlußmenschen, oder er
meint, da eine wahre Einsicht und Erkenntniß über die Vorzüge der Religionen"
nicht gewonnen werden könne, es bleibe sich gleich, welcher er sich zuwende.
Am besten thue man, wenn man allen den Rücken kehre. Es springt sofort in
die Augen, daß die italienischen Fassungen auf einen Umschwung der religiösen
Anschauung hindeuten, und der Historiker merkt die Zeit, deren Zeichen sie an
der Stirn tragen. Es ist die Zeit der Kreuzzüge, durch welche Christenthum,
Islam und Judenthum einander näher rückten. Namentlich waren es die vier
letzten Kreuzzüge, welche die Frage anregten, welche von den drei positiven Re-


Parabel, denn es fehlt das tsrtiuiri oc>in,xk>.r!>,tioQi8. Der Goldschmied wirkt
störend, denn wer soll durch ihn dargestellt werden, etwa die einzelnen Reli¬
gionsstifter? Ferner wird die Handlung der Parabel von einem sittlich rei¬
neren Geiste getragen. Weder der eine noch der andere Stein ist eine fabri-
zirte täuschende Nachahmung, sondern beide Steine sind gleich echt und gleich
werthvoll. Nach den italienischen Relationen besitzt der Vater nur einen
echten Edelstein und läßt zwei Steine nachmachen; er hintergeht also seine
Söhne. Ist dies an und für sich schon eine unmoralische Handlung, so erscheint
sie geradezu widersinnig, wenn sie auf Gott übertragen wird. Diese ganze
Jmmoralität füllt in der jüdischen Quelle weg. Eine entscheidende Beweiskraft
liegt weiter in der Lehre der Parabel. Da der Jude in seiner Antwort über
keine der beiden Religionen ein Urtheil fällt, keine in Zweifel zieht, aber auch
keiner einen Vorzug einräumt, so tritt er dadurch weder seiner eigenen, noch
der des Königs zu nahe. Beide sind historisch berechtigt und stehen somit ein¬
ander an Werth gleich, denn beide stammen von Gott. Dem Menschen steht
es gar nicht zu, durch Gründe die Bekenntnisse abzuwägen und über ihren
Wertks oder Unwerth zu entscheiden. Dieses Recht kann Gott allein in Anspruch
nehmen. Dem Menschen fällt nur die Aufgabe zu, den ihm von Gott gegebenen
Schatz der Religion zu bewahren. Der Jude erweist sich demnach weder als
ein Freidenker, noch tritt das Moment der Toleranz, das besonders Lessing in
seine Darstellung hineingelegt hat, sichtlich hervor. Es wäre dies anch ge¬
schichtlich unwahr, denn der rabbinisch - orthodoxe Jude des Mittelalters war
in religiösen Dingen ebenso unduldsam, wie der Christ und der Sarazene.
Die christlichen Fassungen der Parabel legen eine viel gefährlichere Deutung
nahe. Die zwei nachgemachten Ringe der Cento Novelle lassen nicht nur die
Möglichkeit des Zweifels an der Echtheit der einen oder andern Religion zu,
sondern geben sie, da sich einmal die echte nicht herausfinden läßt, geradezu
preis. Lessing hat diese Klippe glücklich vermieden. Jene Fassungen aber pro-
klamiren damit religiöse Intoleranz oder religiösen Jndifferentismus. Entweder
wird der Mensch, indem er sich als Christ oder Jude im Besitze des allein
wahren Glaubens dünkt, zu einem unverträglichen Ausschlußmenschen, oder er
meint, da eine wahre Einsicht und Erkenntniß über die Vorzüge der Religionen«
nicht gewonnen werden könne, es bleibe sich gleich, welcher er sich zuwende.
Am besten thue man, wenn man allen den Rücken kehre. Es springt sofort in
die Augen, daß die italienischen Fassungen auf einen Umschwung der religiösen
Anschauung hindeuten, und der Historiker merkt die Zeit, deren Zeichen sie an
der Stirn tragen. Es ist die Zeit der Kreuzzüge, durch welche Christenthum,
Islam und Judenthum einander näher rückten. Namentlich waren es die vier
letzten Kreuzzüge, welche die Frage anregten, welche von den drei positiven Re-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/141>, abgerufen am 23.07.2024.