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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Änderungen der Tarifgesetzgebung besonders geschädigt worden sind, und obwohl
für sie nicht wie für die Eisen-, Baumwollen- und Leinenindustrie eine Enquete
angeordnet worden ist, so darf man nach dem Schreiben des Reichskanzlers
vom 15. Dezember wohl glauben, daß bei der bevorstehenden allgemeinen
Revision des Tarifs auch die Eingangszölle von Papier und Papierfabrikaten
den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechend bis auf Weiteres erhöht werden
dürften.

In Oesterreich-Ungarn erfreut sich die Papiererzeugnng hoher Blüthe.
Der bei Weitem größere Theil der nach dem deutschen Reiche kommenden
Papiere stammt von dort. Trotzdem hat die dortige Regierung in dem neuen
österreichisch-ungarischen autonomen Tarife nicht blos die hohen Zölle des bis¬
herigen Konventionaltarifs beibehalten, sondern auch einige bis jetzt zollfreie
Papiere und Papierfabrikate mit Zöllen belegt und überdies die Entrichtung
der Zölle in Gold verfügt, was bei dem jetzigen Stande der Valuta einer
Erhöhung derselben um 15 bis 17 Prozent gleichkommt.

Der deutschen Industrie ist der Wettbewerb mit der österreichischen inso¬
fern erschwert, als letztere durch mancherlei natürliche Vortheile, z. B. zahl¬
reiche bedeutende Wasserkräfte, die der norddeutschen Ebene mangeln, dann
durch die Valuta, die als Ausfuhrprämie wirkt, endlich aber dadurch unterstützt
wird, daß in vielen Landestheilen des Kaiserstaates der Arbeiter sich mit einem
Lohne begnügen kann, mit welchem der Arbeiter bei uns nicht zu bestehen
vermöchte. Unter solchen Umständen ist es gewiß nicht zu viel verlangt, wenn
man den Wunsch ausspricht, die deutsche Regierung möge der vaterländischen
Papierfabrikation durch Abänderung der sie betreffenden Zollgesetzgebung zu
einer Stellung verhelfen, wo sie auf dein heimischen und dem auswärtigen
Markte Licht und Schatten gleichvertheilt sieht. "Will man die deutschen
Unternehmer nicht zwingen, die Arbeitslöhne auf das Niveau der böhmischen
und österreichischen herunterzudrücken, so wird," wie unsere Denkschrift meint,
^,die Reichsregierung sich entschließen müssen, dem deutschen Unternehmer für
einzelne Positionen eine Erhöhung über das Maß des österreichisch-ungarischen
autonomen Tarifs hinaus zuzugestehen -- eine Erhöhung, die namentlich bei
solchen Waaren eintreten muß, welche vorzugsweise von den österreichischen
Industriellen nach Deutschland eingeführt werden."

Früher waren einzelne Papierfabrikanten der Ansicht, daß die Wiederher¬
stellung des Ausfuhrzolles auf Hadern genügen werde, um die deutsche Papier¬
fabrikation auf ihrer bisherigen Höhe zu erhalten und vor der unberechtigten
Konkurrenz des Auslandes zu sichern. Die Erfahrungen der letzten Jahre
haben aber, wie die Verfasser der vorliegenden Denkschrift meinen, bewiesen,
daß dies nicht der Fall ist.


Änderungen der Tarifgesetzgebung besonders geschädigt worden sind, und obwohl
für sie nicht wie für die Eisen-, Baumwollen- und Leinenindustrie eine Enquete
angeordnet worden ist, so darf man nach dem Schreiben des Reichskanzlers
vom 15. Dezember wohl glauben, daß bei der bevorstehenden allgemeinen
Revision des Tarifs auch die Eingangszölle von Papier und Papierfabrikaten
den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechend bis auf Weiteres erhöht werden
dürften.

In Oesterreich-Ungarn erfreut sich die Papiererzeugnng hoher Blüthe.
Der bei Weitem größere Theil der nach dem deutschen Reiche kommenden
Papiere stammt von dort. Trotzdem hat die dortige Regierung in dem neuen
österreichisch-ungarischen autonomen Tarife nicht blos die hohen Zölle des bis¬
herigen Konventionaltarifs beibehalten, sondern auch einige bis jetzt zollfreie
Papiere und Papierfabrikate mit Zöllen belegt und überdies die Entrichtung
der Zölle in Gold verfügt, was bei dem jetzigen Stande der Valuta einer
Erhöhung derselben um 15 bis 17 Prozent gleichkommt.

Der deutschen Industrie ist der Wettbewerb mit der österreichischen inso¬
fern erschwert, als letztere durch mancherlei natürliche Vortheile, z. B. zahl¬
reiche bedeutende Wasserkräfte, die der norddeutschen Ebene mangeln, dann
durch die Valuta, die als Ausfuhrprämie wirkt, endlich aber dadurch unterstützt
wird, daß in vielen Landestheilen des Kaiserstaates der Arbeiter sich mit einem
Lohne begnügen kann, mit welchem der Arbeiter bei uns nicht zu bestehen
vermöchte. Unter solchen Umständen ist es gewiß nicht zu viel verlangt, wenn
man den Wunsch ausspricht, die deutsche Regierung möge der vaterländischen
Papierfabrikation durch Abänderung der sie betreffenden Zollgesetzgebung zu
einer Stellung verhelfen, wo sie auf dein heimischen und dem auswärtigen
Markte Licht und Schatten gleichvertheilt sieht. „Will man die deutschen
Unternehmer nicht zwingen, die Arbeitslöhne auf das Niveau der böhmischen
und österreichischen herunterzudrücken, so wird," wie unsere Denkschrift meint,
^,die Reichsregierung sich entschließen müssen, dem deutschen Unternehmer für
einzelne Positionen eine Erhöhung über das Maß des österreichisch-ungarischen
autonomen Tarifs hinaus zuzugestehen — eine Erhöhung, die namentlich bei
solchen Waaren eintreten muß, welche vorzugsweise von den österreichischen
Industriellen nach Deutschland eingeführt werden."

Früher waren einzelne Papierfabrikanten der Ansicht, daß die Wiederher¬
stellung des Ausfuhrzolles auf Hadern genügen werde, um die deutsche Papier¬
fabrikation auf ihrer bisherigen Höhe zu erhalten und vor der unberechtigten
Konkurrenz des Auslandes zu sichern. Die Erfahrungen der letzten Jahre
haben aber, wie die Verfasser der vorliegenden Denkschrift meinen, bewiesen,
daß dies nicht der Fall ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/119>, abgerufen am 01.07.2024.