Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

selbe durchschnittlich 16138, im Jahre 1877 aber 699000 Zentner, und die
gesammte Mehransfuhr der genannten Produkte belief sich in der Zeit von
1836 bis 1877 auf 5879 995 Zentner. Bedenkt man, daß ein Zentner hier
im Durchschnitt 36 Mark kostet, so wird man zugeben, daß die Arbeit unserer
Papiermühlen bedeutend zur Steigerung des Nationalwohlstandes beigetragen
hat, und betrachtet man jenes Steigen der Ausfuhr, so wird man ferner zu¬
gestehen müssen, daß die Erzeugnisse jener Arbeit sich auch im Auslande An¬
erkennung und Ansehen in reichem Maße erworben haben.

Leider ist aber, so klagt eine uns vorliegende Denkschrift,*) der Bestand
dieses alten vaterländischen Gewerbes durch die Gesetzgebung der letzten Jahre
erheblich erschüttert worden. Nachdem schon früher der Ausfuhrzoll auf
Lumpen ermäßigt worden war, wurde 1873 die gänzliche Beseitigung desselben
vom Reichstage beschlossen und von der Regierung genehmigt. Bereits vor
jener Ermäßigung machten einsichtige Unternehmer auf die Gefahren aufmerk¬
sam, welche mit der Maßregel verbunden waren. "Allein unsere Politiker
waren von den Ideen des Manchesterthums erfüllt und haben den Rath er¬
fahrener Praktiker nicht beachten wollen: Auch 1870 und 1873 hat es nicht
an Warnungen gefehlt, aber die Lehren des Freihandelssystems waren so in
Mode, daß es vergeblich war, dagegen anzukämpfen." Jetzt aber spricht die
Erfahrung gegen sie; denn von den Voraussetzungen, mit denen die Doktrinäre
der Manchesterschule die Aufhebung des Ausgangszolles auf Lumpen in jener
Zeit empfahlen, ist auch nicht eine in Erfüllung gegangen.

Man behauptete damals unter Anderem, die Ausfuhr der Lumpen aus
Deutschland sei geringfügig, und der Lumpenmarkt England's sei überfüllt, so-
daß an eine Steigerung unseres Exports nicht zu denken sei. Nun aber wurden
im Jahre 1873 nur 73 200, im Jahre 1874 dagegen schon 289 835 Zentner
Lumpen ausgeführt, und seitdem ist diese Ausfuhr stetig gewachsen, sodaß sie
sich 1877 auf 560000 Zentner belief, womit sie die Einfuhr jenes Artikels
bereits überflügelt hat.

Die Weisheit der Freihändler von der manchesternen Spezies wollte da¬
mals ferner wissen, unsere Papierindustrie sei nicht im Stande, das in Deutsch¬
land vorhandene Lumpenmaterial selbst zu konsumiren, und so müsse das letztere
ausgeführt werden. Auch diese Behauptung wird durch die unserer Denkschrift
beigegebenen Tabellen gründlich widerlegt; denn wir ersehen aus denselben,



*) Dieselbe hat den Titel: "Denkschrift betreffend die Wiederherstellung eines Aus¬
gangszolls auf Lumpen und die Einführung rationeller Eingangszölle auf Papier und
Papierfabrikate", ist vom Vorstande des Vereins deutscher Papierfabrikanten ausgegangen
und wendet sich mit ihren Vorstellungen und Klagen an die Reichsregierung.

selbe durchschnittlich 16138, im Jahre 1877 aber 699000 Zentner, und die
gesammte Mehransfuhr der genannten Produkte belief sich in der Zeit von
1836 bis 1877 auf 5879 995 Zentner. Bedenkt man, daß ein Zentner hier
im Durchschnitt 36 Mark kostet, so wird man zugeben, daß die Arbeit unserer
Papiermühlen bedeutend zur Steigerung des Nationalwohlstandes beigetragen
hat, und betrachtet man jenes Steigen der Ausfuhr, so wird man ferner zu¬
gestehen müssen, daß die Erzeugnisse jener Arbeit sich auch im Auslande An¬
erkennung und Ansehen in reichem Maße erworben haben.

Leider ist aber, so klagt eine uns vorliegende Denkschrift,*) der Bestand
dieses alten vaterländischen Gewerbes durch die Gesetzgebung der letzten Jahre
erheblich erschüttert worden. Nachdem schon früher der Ausfuhrzoll auf
Lumpen ermäßigt worden war, wurde 1873 die gänzliche Beseitigung desselben
vom Reichstage beschlossen und von der Regierung genehmigt. Bereits vor
jener Ermäßigung machten einsichtige Unternehmer auf die Gefahren aufmerk¬
sam, welche mit der Maßregel verbunden waren. „Allein unsere Politiker
waren von den Ideen des Manchesterthums erfüllt und haben den Rath er¬
fahrener Praktiker nicht beachten wollen: Auch 1870 und 1873 hat es nicht
an Warnungen gefehlt, aber die Lehren des Freihandelssystems waren so in
Mode, daß es vergeblich war, dagegen anzukämpfen." Jetzt aber spricht die
Erfahrung gegen sie; denn von den Voraussetzungen, mit denen die Doktrinäre
der Manchesterschule die Aufhebung des Ausgangszolles auf Lumpen in jener
Zeit empfahlen, ist auch nicht eine in Erfüllung gegangen.

Man behauptete damals unter Anderem, die Ausfuhr der Lumpen aus
Deutschland sei geringfügig, und der Lumpenmarkt England's sei überfüllt, so-
daß an eine Steigerung unseres Exports nicht zu denken sei. Nun aber wurden
im Jahre 1873 nur 73 200, im Jahre 1874 dagegen schon 289 835 Zentner
Lumpen ausgeführt, und seitdem ist diese Ausfuhr stetig gewachsen, sodaß sie
sich 1877 auf 560000 Zentner belief, womit sie die Einfuhr jenes Artikels
bereits überflügelt hat.

Die Weisheit der Freihändler von der manchesternen Spezies wollte da¬
mals ferner wissen, unsere Papierindustrie sei nicht im Stande, das in Deutsch¬
land vorhandene Lumpenmaterial selbst zu konsumiren, und so müsse das letztere
ausgeführt werden. Auch diese Behauptung wird durch die unserer Denkschrift
beigegebenen Tabellen gründlich widerlegt; denn wir ersehen aus denselben,



*) Dieselbe hat den Titel: „Denkschrift betreffend die Wiederherstellung eines Aus¬
gangszolls auf Lumpen und die Einführung rationeller Eingangszölle auf Papier und
Papierfabrikate", ist vom Vorstande des Vereins deutscher Papierfabrikanten ausgegangen
und wendet sich mit ihren Vorstellungen und Klagen an die Reichsregierung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141526"/>
          <p xml:id="ID_345" prev="#ID_344"> selbe durchschnittlich 16138, im Jahre 1877 aber 699000 Zentner, und die<lb/>
gesammte Mehransfuhr der genannten Produkte belief sich in der Zeit von<lb/>
1836 bis 1877 auf 5879 995 Zentner. Bedenkt man, daß ein Zentner hier<lb/>
im Durchschnitt 36 Mark kostet, so wird man zugeben, daß die Arbeit unserer<lb/>
Papiermühlen bedeutend zur Steigerung des Nationalwohlstandes beigetragen<lb/>
hat, und betrachtet man jenes Steigen der Ausfuhr, so wird man ferner zu¬<lb/>
gestehen müssen, daß die Erzeugnisse jener Arbeit sich auch im Auslande An¬<lb/>
erkennung und Ansehen in reichem Maße erworben haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_346"> Leider ist aber, so klagt eine uns vorliegende Denkschrift,*) der Bestand<lb/>
dieses alten vaterländischen Gewerbes durch die Gesetzgebung der letzten Jahre<lb/>
erheblich erschüttert worden. Nachdem schon früher der Ausfuhrzoll auf<lb/>
Lumpen ermäßigt worden war, wurde 1873 die gänzliche Beseitigung desselben<lb/>
vom Reichstage beschlossen und von der Regierung genehmigt. Bereits vor<lb/>
jener Ermäßigung machten einsichtige Unternehmer auf die Gefahren aufmerk¬<lb/>
sam, welche mit der Maßregel verbunden waren. &#x201E;Allein unsere Politiker<lb/>
waren von den Ideen des Manchesterthums erfüllt und haben den Rath er¬<lb/>
fahrener Praktiker nicht beachten wollen: Auch 1870 und 1873 hat es nicht<lb/>
an Warnungen gefehlt, aber die Lehren des Freihandelssystems waren so in<lb/>
Mode, daß es vergeblich war, dagegen anzukämpfen." Jetzt aber spricht die<lb/>
Erfahrung gegen sie; denn von den Voraussetzungen, mit denen die Doktrinäre<lb/>
der Manchesterschule die Aufhebung des Ausgangszolles auf Lumpen in jener<lb/>
Zeit empfahlen, ist auch nicht eine in Erfüllung gegangen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_347"> Man behauptete damals unter Anderem, die Ausfuhr der Lumpen aus<lb/>
Deutschland sei geringfügig, und der Lumpenmarkt England's sei überfüllt, so-<lb/>
daß an eine Steigerung unseres Exports nicht zu denken sei. Nun aber wurden<lb/>
im Jahre 1873 nur 73 200, im Jahre 1874 dagegen schon 289 835 Zentner<lb/>
Lumpen ausgeführt, und seitdem ist diese Ausfuhr stetig gewachsen, sodaß sie<lb/>
sich 1877 auf 560000 Zentner belief, womit sie die Einfuhr jenes Artikels<lb/>
bereits überflügelt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_348" next="#ID_349"> Die Weisheit der Freihändler von der manchesternen Spezies wollte da¬<lb/>
mals ferner wissen, unsere Papierindustrie sei nicht im Stande, das in Deutsch¬<lb/>
land vorhandene Lumpenmaterial selbst zu konsumiren, und so müsse das letztere<lb/>
ausgeführt werden. Auch diese Behauptung wird durch die unserer Denkschrift<lb/>
beigegebenen Tabellen gründlich widerlegt; denn wir ersehen aus denselben,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_19" place="foot"> *) Dieselbe hat den Titel: &#x201E;Denkschrift betreffend die Wiederherstellung eines Aus¬<lb/>
gangszolls auf Lumpen und die Einführung rationeller Eingangszölle auf Papier und<lb/>
Papierfabrikate", ist vom Vorstande des Vereins deutscher Papierfabrikanten ausgegangen<lb/>
und wendet sich mit ihren Vorstellungen und Klagen an die Reichsregierung.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0115] selbe durchschnittlich 16138, im Jahre 1877 aber 699000 Zentner, und die gesammte Mehransfuhr der genannten Produkte belief sich in der Zeit von 1836 bis 1877 auf 5879 995 Zentner. Bedenkt man, daß ein Zentner hier im Durchschnitt 36 Mark kostet, so wird man zugeben, daß die Arbeit unserer Papiermühlen bedeutend zur Steigerung des Nationalwohlstandes beigetragen hat, und betrachtet man jenes Steigen der Ausfuhr, so wird man ferner zu¬ gestehen müssen, daß die Erzeugnisse jener Arbeit sich auch im Auslande An¬ erkennung und Ansehen in reichem Maße erworben haben. Leider ist aber, so klagt eine uns vorliegende Denkschrift,*) der Bestand dieses alten vaterländischen Gewerbes durch die Gesetzgebung der letzten Jahre erheblich erschüttert worden. Nachdem schon früher der Ausfuhrzoll auf Lumpen ermäßigt worden war, wurde 1873 die gänzliche Beseitigung desselben vom Reichstage beschlossen und von der Regierung genehmigt. Bereits vor jener Ermäßigung machten einsichtige Unternehmer auf die Gefahren aufmerk¬ sam, welche mit der Maßregel verbunden waren. „Allein unsere Politiker waren von den Ideen des Manchesterthums erfüllt und haben den Rath er¬ fahrener Praktiker nicht beachten wollen: Auch 1870 und 1873 hat es nicht an Warnungen gefehlt, aber die Lehren des Freihandelssystems waren so in Mode, daß es vergeblich war, dagegen anzukämpfen." Jetzt aber spricht die Erfahrung gegen sie; denn von den Voraussetzungen, mit denen die Doktrinäre der Manchesterschule die Aufhebung des Ausgangszolles auf Lumpen in jener Zeit empfahlen, ist auch nicht eine in Erfüllung gegangen. Man behauptete damals unter Anderem, die Ausfuhr der Lumpen aus Deutschland sei geringfügig, und der Lumpenmarkt England's sei überfüllt, so- daß an eine Steigerung unseres Exports nicht zu denken sei. Nun aber wurden im Jahre 1873 nur 73 200, im Jahre 1874 dagegen schon 289 835 Zentner Lumpen ausgeführt, und seitdem ist diese Ausfuhr stetig gewachsen, sodaß sie sich 1877 auf 560000 Zentner belief, womit sie die Einfuhr jenes Artikels bereits überflügelt hat. Die Weisheit der Freihändler von der manchesternen Spezies wollte da¬ mals ferner wissen, unsere Papierindustrie sei nicht im Stande, das in Deutsch¬ land vorhandene Lumpenmaterial selbst zu konsumiren, und so müsse das letztere ausgeführt werden. Auch diese Behauptung wird durch die unserer Denkschrift beigegebenen Tabellen gründlich widerlegt; denn wir ersehen aus denselben, *) Dieselbe hat den Titel: „Denkschrift betreffend die Wiederherstellung eines Aus¬ gangszolls auf Lumpen und die Einführung rationeller Eingangszölle auf Papier und Papierfabrikate", ist vom Vorstande des Vereins deutscher Papierfabrikanten ausgegangen und wendet sich mit ihren Vorstellungen und Klagen an die Reichsregierung.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/115
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/115>, abgerufen am 03.07.2024.