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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Dilettanten -- Joule war Bierbrauer -- etwas Erhebliches zu lernen, als in
Deutschland. Mayer hatte nicht versäumt, der Pariser Akademie 1846 von
seiner Entdeckung und ihren Konsequenzen Mittheilung zu machen. Als nun
im Journal ckss ckSbats 1848 der Versuch gemacht wurde, seine Priorität in
Zweifel zu ziehen und für französische und englische Physiker in Anspruch zu
nehmen, machte er in einem Briefe an die Akademie seine Rechte geltend.
Dadurch wurde Joule veranlaßt, in etwas plumper Weise über Mayer her¬
zufallen und zu behaupten, Mayer habe die Aequivalentzahl nur geahnt; denn
die Experimente, worauf er sich zu stützen vorgehe, seien von ihm, Joule, erst weit
später gemacht worden. Nebenbei suchte er die Meinung zu erwecken, als ob
in seinen früheren Abhandlungen und in denen anderer Forscher schon so etwas
vom Wärmeäquivalent enthalten sei, was gar nicht der Fall ist. (voraxws
rsnÄus vom 22. Januar 1849.) Mayer schwieg; wir werden sehen warum.
Joule wurde aber noch zudringlicher. In einer Abhandlung vom,Juni desselben
Jahres erwähnt er nur, daß Mayer Wasser durch Schütteln erwärmt habe,
aber daß Mayer auch die Aequivalentzahl angegeben hatte, davon redet Joule
schon gar nicht mehr. (Joule, Das mechanische Wärmeäquivalent S. 91.)
Endlich im November antwortete Mayer (vowxtss rsuckus vom 12. November
1849). Er erinnert Joule daran, daß die Experimente, auf welche er sich
stütze, nicht erst von ihm, sondern schon weit früher von Gay-Lussac gemacht
worden seien, und fügt hinzu, daß er dies in seiner Abhandlung auch angegeben
habe. Damit war Joule für die Sachkenner so gründlich abgethan, wie nur
möglich, die Unwissenheit, die er Mayer unterzuschieben suchte, war auf ihn
zurückgefallen. Aber für Joule war das zu zart gewesen, besonders deshalb,
weil Mayer unnöthiger Weise hinzugefügt hatte, daß er glaube, Joule habe gleich¬
falls die Aequivalenz selbständig entdeckt. Diese Höflichkeit, in Mayer's wahr¬
heitsliebenden Charakter begründet, war einem Manne gegenüber, der ihm alle
Ehre abzuschneiden versucht hatte, entschieden nicht am Platze. Sie sollte für
Mayer verhängnißvoll werden. Er durfte von den Gelehrten nicht und am
wenigsten von seinen Landsleuten erwarten, daß sie aus bloßen Andeutungen
erkennen würden, wo der Kern der Sache in diesem Streite zu suchen sei.
Joule war dreist genug, bei seiner Behauptung zu bleiben und Mayer's Ent¬
gegnung einfach zu ignoriren (Joule, Das mechanische Wärmeäquivalent,
S. 122).

Aber auch in Deutschland betrachtete man die neue Wahrheit ausschließlich
als eine englische Entdeckung. Mayer hielt es darum für nothwendig, auch
hier auf seine Priorität hinzuweisen. Er ließ in der Augsburger Allgemeinen
Zeitung am 14. Mai 1849 unter der Ueberschrift "Wichtige physikalische Er¬
findung" eine Reklamation seines "Prioritätsrechts auf die Entdeckung des


Dilettanten — Joule war Bierbrauer — etwas Erhebliches zu lernen, als in
Deutschland. Mayer hatte nicht versäumt, der Pariser Akademie 1846 von
seiner Entdeckung und ihren Konsequenzen Mittheilung zu machen. Als nun
im Journal ckss ckSbats 1848 der Versuch gemacht wurde, seine Priorität in
Zweifel zu ziehen und für französische und englische Physiker in Anspruch zu
nehmen, machte er in einem Briefe an die Akademie seine Rechte geltend.
Dadurch wurde Joule veranlaßt, in etwas plumper Weise über Mayer her¬
zufallen und zu behaupten, Mayer habe die Aequivalentzahl nur geahnt; denn
die Experimente, worauf er sich zu stützen vorgehe, seien von ihm, Joule, erst weit
später gemacht worden. Nebenbei suchte er die Meinung zu erwecken, als ob
in seinen früheren Abhandlungen und in denen anderer Forscher schon so etwas
vom Wärmeäquivalent enthalten sei, was gar nicht der Fall ist. (voraxws
rsnÄus vom 22. Januar 1849.) Mayer schwieg; wir werden sehen warum.
Joule wurde aber noch zudringlicher. In einer Abhandlung vom,Juni desselben
Jahres erwähnt er nur, daß Mayer Wasser durch Schütteln erwärmt habe,
aber daß Mayer auch die Aequivalentzahl angegeben hatte, davon redet Joule
schon gar nicht mehr. (Joule, Das mechanische Wärmeäquivalent S. 91.)
Endlich im November antwortete Mayer (vowxtss rsuckus vom 12. November
1849). Er erinnert Joule daran, daß die Experimente, auf welche er sich
stütze, nicht erst von ihm, sondern schon weit früher von Gay-Lussac gemacht
worden seien, und fügt hinzu, daß er dies in seiner Abhandlung auch angegeben
habe. Damit war Joule für die Sachkenner so gründlich abgethan, wie nur
möglich, die Unwissenheit, die er Mayer unterzuschieben suchte, war auf ihn
zurückgefallen. Aber für Joule war das zu zart gewesen, besonders deshalb,
weil Mayer unnöthiger Weise hinzugefügt hatte, daß er glaube, Joule habe gleich¬
falls die Aequivalenz selbständig entdeckt. Diese Höflichkeit, in Mayer's wahr¬
heitsliebenden Charakter begründet, war einem Manne gegenüber, der ihm alle
Ehre abzuschneiden versucht hatte, entschieden nicht am Platze. Sie sollte für
Mayer verhängnißvoll werden. Er durfte von den Gelehrten nicht und am
wenigsten von seinen Landsleuten erwarten, daß sie aus bloßen Andeutungen
erkennen würden, wo der Kern der Sache in diesem Streite zu suchen sei.
Joule war dreist genug, bei seiner Behauptung zu bleiben und Mayer's Ent¬
gegnung einfach zu ignoriren (Joule, Das mechanische Wärmeäquivalent,
S. 122).

Aber auch in Deutschland betrachtete man die neue Wahrheit ausschließlich
als eine englische Entdeckung. Mayer hielt es darum für nothwendig, auch
hier auf seine Priorität hinzuweisen. Er ließ in der Augsburger Allgemeinen
Zeitung am 14. Mai 1849 unter der Ueberschrift „Wichtige physikalische Er¬
findung" eine Reklamation seines „Prioritätsrechts auf die Entdeckung des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/108>, abgerufen am 23.07.2024.