Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.rung dieser drei Offiziere und einiger ihnen nahe Stehender war dem Schießen Die Wirkung des Feuers war furchtbar. Auf dem Roßplatz, zu dessen Die Aufregung, welche die Kunde dieses grauenvollen Vorfalles in der Am bezeichnendsten für das Urtheil der Zeitgenossen über die That, ist *) Diese Details sind dem Leipziger Tageblatt vom 14. August 184S an entnommen. **) Offizieller Bericht, Anlage G (Zeitbcrechnuug der Ereignisse des 12. August). Greujbvteu IV. 1878. 8
rung dieser drei Offiziere und einiger ihnen nahe Stehender war dem Schießen Die Wirkung des Feuers war furchtbar. Auf dem Roßplatz, zu dessen Die Aufregung, welche die Kunde dieses grauenvollen Vorfalles in der Am bezeichnendsten für das Urtheil der Zeitgenossen über die That, ist *) Diese Details sind dem Leipziger Tageblatt vom 14. August 184S an entnommen. **) Offizieller Bericht, Anlage G (Zeitbcrechnuug der Ereignisse des 12. August). Greujbvteu IV. 1878. 8
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rung dieser drei Offiziere und einiger ihnen nahe Stehender war dem Schießen
eine Aufforderung an die Menge zum Auseinandergehen vorangegangen. Sehr
viele Andere aber, die dicht bei den genannten Offizieren standen, haben von
dieser Aufforderung nichts vernommen. Von der Menge, an die sie gerichtet
gewesen sein soll, hat jedenfalls nicht ein Einziger diese Aufforderung hören
können.
Die Wirkung des Feuers war furchtbar. Auf dem Roßplatz, zu dessen
Säuberung das Militär lediglich herbeigeeilt war, lag nur ein einziger Er¬
schossener — der Polizeidiener Urlaub. In Erfüllung seiner Pflicht hatte
ihn die im Namen der Ordnung entsendete Kugel hingerafft. Alle übrigen
Todten und Verwundeten waren in den Promenaden und sogar am Eingang
der Universitätsstraße — etwa 3 Minuten vom Roßplatz entfernt — von dem
mörderischen Blei getroffen worden. Die Meisten hatten die Todeswunde im
Rücken, zum Beweise dafür, daß sie auf dem Nachhausewege, unschuldig, ge-
tödtet worden waren. Am Arm seiner Braut fiel der Postsekretair Priem, nahe
bei ihm der Postsekretair Zehn; wenige Schritte von seiner eigenen Wohnung der
bejahrte Privatgelehrte Nordmann; zwei gesetzte Männer, der Markthelfer Klee¬
berg und der Schriftsetzer Müller, und ein vielversprechender Jüngling aus
gutem Bürgerhause, der Handlungskommis Freygang, lagen todt in ihrem
Blute. Die Verwundeten füllten die Krankenhäuser der Stadt.*) Es war
halb elf Uhr Nachts; seit dem Erscheinen des Militärs waren kaum zehn
Minuten verflossen!
Die Aufregung, welche die Kunde dieses grauenvollen Vorfalles in der
Stadt erzeugte, war ungeheuer. Das Entsetzen und die gerechteste Entrüstung
Tausender begleitete die Bahren der Erschossenen und Verwundeten.
Am bezeichnendsten für das Urtheil der Zeitgenossen über die That, ist
die Darstellung der gelesensten und maßvollsten politischen Zeitschrift jener
Tage. „Die Grenz boten" schrieben: „Ein plötzliches Kommando befahl
Feuer!" Die Schützen schössen unter die promenirende Menge! Keine Auf¬
forderung, keine direkte Drohung hatte die zum allergrößten Theile aus Neu¬
gierigen, darunter Weiber und Kinder, bestehende Masse ahnen lassen, daß zu
diesem fürchterlichen, alleräußersten, nur in Momenten eines Bürgerkrieges
oder einer Revolution zu entschuldigenden Mittel gegriffen werden könnte.
Dieses bezeugen Hunderte von Zuschauern mit dem heiligsten Eide. Kein An¬
stürmen, keine Beleidigung eines Soldaten hatte dieses unheilvolle Kommando
nöthig gemacht. Ja selbst im Falle eines Vordringens war das in Reih und
*) Diese Details sind dem Leipziger Tageblatt vom 14. August 184S an entnommen.
**) Offizieller Bericht, Anlage G (Zeitbcrechnuug der Ereignisse des 12. August).
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